Erfolgreiche ePaper selbst erstellen
Machen Sie aus Ihren PDF Publikationen ein blätterbares Flipbook mit unserer einzigartigen Google optimierten e-Paper Software.
waren, kam seine Zeit. Dann fuhr er unbeobachtet<br />
und frei. Je selbstbewusster er wurde, desto mehr<br />
zeigte er beim Skaten, wer er eigentlich ist, und desto<br />
mehr Anschluss fand er, machte sich Freunde – und<br />
irgendwann war er in Deutschland angekommen,<br />
dem Sport sei Dank. Von da an dauerte es auch<br />
nicht mehr lang, bis sein überdurchschnittliches<br />
Talent auffiel und dass er einen unverwechselbaren<br />
Stil fährt. Sein erster Sponsor kam nach nur einem<br />
Jahr auf ihn zu, seitdem geht es karrieremäßig<br />
eigentlich nur noch bergauf. Vladik Scholz sagt:<br />
„Das Skaten war meine Rettung.“<br />
Heute fährt er nicht mehr im Skatepark,<br />
sondern ausschließlich auf der Straße,<br />
ob nun in Köln, wo er seit mehr als zehn<br />
Jahren lebt, oder in Spanien, Portugal,<br />
Rumänien oder China – wo auch immer es<br />
ihn hinzieht. Was seine Videos auszeichnet, ist zunächst<br />
ihre ungewöhnliche Gestaltung: Musik, Bildsprache,<br />
Schnitt – hier wirkt alles von vorn bis hinten<br />
durchdacht und sorgfältig aufeinander abgestimmt,<br />
unter Umgehung jeglicher Skater-Klischees.<br />
Und dann ist da noch diese Leichtfüßigkeit.<br />
Während andere Skater nach einem Trick mit der<br />
Wucht und der Geräuschentwicklung eines Zwölftonners<br />
wieder auf dem Boden aufkommen, spürt<br />
man bei Vladik nur einen Hauch. Jede Bewegung<br />
NEUES NETZTEIL.<br />
Dieses Einkaufsnetz<br />
hat Vladik<br />
in einen Rucksack<br />
verwandelt.<br />
sieht bei ihm ruhig und elegant aus, bei Sprüngen<br />
steht er praktisch in der Luft.<br />
Diese Eleganz spiegelt sich auch in seinem Kleidungsstil<br />
wider. An diesem Nachmittag trägt er eine<br />
anthrazitfarbene Wollmütze, ein einfaches Longsleeve<br />
und eine selbst genähte Leinenhose. Seine<br />
Outfits bieten ihm genügend Bewegungsfreiraum<br />
fürs Skaten, sind aber gleichzeitig so klassisch<br />
schlicht, dass er damit auch in, sagen wir, einem<br />
Restaurant in einem französischen Seebad nicht<br />
unangenehm auffiele. Im Gegenteil. Das liegt aber<br />
auch daran, dass Vladik ein überaus charmanter<br />
und freundlicher Typ ist, der Menschen mit der<br />
gleichen Aufmerksamkeit begegnet, die er auch dem<br />
Skaten, seinen Outfits und seinen extra-stylischen<br />
Videos schenkt. Diese Eigenschaften machen ihn<br />
zu einem Gestalter mit großem ästhetischen Verständnis,<br />
dem es immer auf das Gesamtergebnis<br />
ankommt. Unter Kollegen gilt er gar als Style-Gott<br />
und Ikone.<br />
Mitten in den 2010er-Jahren, als dicke, fette<br />
Logos auf T-Shirts, Caps und Beanies die Skate- Mode<br />
bestimmten, kaufte Vladik lieber in Secondhandläden<br />
ein statt in den einschlägigen Shops und trug<br />
dann eben eine Schiebermütze anstelle der üblichen<br />
Baseballkappen. Das lag daran, dass ihm schlicht<br />
das Geld fehlte für die gängigen Brands. Gleichzeitig<br />
hat er Mode auch schon immer als etwas begriffen,<br />
mit dem er kommunizieren konnte, wer er ist. Schon<br />
als seine Mutter ihm früher etwas zum Anziehen<br />
genäht hatte, hatte der kleine Vladik sehr genau<br />
gewusst, wo er noch einen Knopf haben wollte und<br />
wo nicht.<br />
Weil nun aber die Anzughosen aus dem Vintage-<br />
Shop entweder am Bund zu weit waren oder an den<br />
Beinen zu eng und weil er sich irgendwann fragte, ob<br />
er sich nicht nach dem Muster seiner Lieblings-Chino<br />
eine Hose aus einem Stoff seiner Wahl anferti gen<br />
könnte, kaufte er sich vor fünf Jahren kurzerhand<br />
eine Nähmaschine. Vier Tage und ungezählte You-<br />
Tube-Tutorials später hatte er sein erstes eigenes<br />
Modell gefertigt. Es liegt bis heute im Kleiderschrank<br />
seines Kölner WG-Zimmers. Er zieht es heraus, untersucht<br />
die Nähte und das Innenfutter. „Allein für die<br />
Paspeltasche“, sagt er und zeigt auf den verstärkten<br />
Eingriff, „habe ich einen Tag gebraucht.“ Mittlerweile<br />
würde er die ganze Hose sehr viel schneller<br />
hinkriegen. Nachdem er erst ein Praktikum bei<br />
einem Kölner Herrenschneider absolvierte, studiert<br />
MIT 14 KAM ER NACH<br />
<strong>DE</strong>UTSCHLAND. ER<br />
SAGT: „SKATEN HAT<br />
MICH GERETTET.“<br />
62 THE RED BULLETIN