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The Red Bulletin September 2020 (DE)

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waren, kam seine Zeit. Dann fuhr er unbeobachtet<br />

und frei. Je selbstbewusster er wurde, desto mehr<br />

zeigte er beim Skaten, wer er eigentlich ist, und desto<br />

mehr Anschluss fand er, machte sich Freunde – und<br />

irgendwann war er in Deutschland angekommen,<br />

dem Sport sei Dank. Von da an dauerte es auch<br />

nicht mehr lang, bis sein überdurchschnittliches<br />

Talent auffiel und dass er einen unverwechselbaren<br />

Stil fährt. Sein erster Sponsor kam nach nur einem<br />

Jahr auf ihn zu, seitdem geht es karrieremäßig<br />

eigentlich nur noch bergauf. Vladik Scholz sagt:<br />

„Das Skaten war meine Rettung.“<br />

Heute fährt er nicht mehr im Skatepark,<br />

sondern ausschließlich auf der Straße,<br />

ob nun in Köln, wo er seit mehr als zehn<br />

Jahren lebt, oder in Spanien, Portugal,<br />

Rumänien oder China – wo auch immer es<br />

ihn hinzieht. Was seine Videos auszeichnet, ist zunächst<br />

ihre ungewöhnliche Gestaltung: Musik, Bildsprache,<br />

Schnitt – hier wirkt alles von vorn bis hinten<br />

durchdacht und sorgfältig aufeinander abgestimmt,<br />

unter Umgehung jeglicher Skater-Klischees.<br />

Und dann ist da noch diese Leichtfüßigkeit.<br />

Während andere Skater nach einem Trick mit der<br />

Wucht und der Geräuschentwicklung eines Zwölftonners<br />

wieder auf dem Boden aufkommen, spürt<br />

man bei Vladik nur einen Hauch. Jede Bewegung<br />

NEUES NETZTEIL.<br />

Dieses Einkaufsnetz<br />

hat Vladik<br />

in einen Rucksack<br />

verwandelt.<br />

sieht bei ihm ruhig und elegant aus, bei Sprüngen<br />

steht er praktisch in der Luft.<br />

Diese Eleganz spiegelt sich auch in seinem Kleidungsstil<br />

wider. An diesem Nachmittag trägt er eine<br />

anthrazitfarbene Wollmütze, ein einfaches Longsleeve<br />

und eine selbst genähte Leinenhose. Seine<br />

Outfits bieten ihm genügend Bewegungsfreiraum<br />

fürs Skaten, sind aber gleichzeitig so klassisch<br />

schlicht, dass er damit auch in, sagen wir, einem<br />

Restaurant in einem französischen Seebad nicht<br />

unangenehm auffiele. Im Gegenteil. Das liegt aber<br />

auch daran, dass Vladik ein überaus charmanter<br />

und freundlicher Typ ist, der Menschen mit der<br />

gleichen Aufmerksamkeit begegnet, die er auch dem<br />

Skaten, seinen Outfits und seinen extra-stylischen<br />

Videos schenkt. Diese Eigenschaften machen ihn<br />

zu einem Gestalter mit großem ästhetischen Verständnis,<br />

dem es immer auf das Gesamtergebnis<br />

ankommt. Unter Kollegen gilt er gar als Style-Gott<br />

und Ikone.<br />

Mitten in den 2010er-Jahren, als dicke, fette<br />

Logos auf T-Shirts, Caps und Beanies die Skate- Mode<br />

bestimmten, kaufte Vladik lieber in Secondhandläden<br />

ein statt in den einschlägigen Shops und trug<br />

dann eben eine Schiebermütze anstelle der üblichen<br />

Baseballkappen. Das lag daran, dass ihm schlicht<br />

das Geld fehlte für die gängigen Brands. Gleichzeitig<br />

hat er Mode auch schon immer als etwas begriffen,<br />

mit dem er kommunizieren konnte, wer er ist. Schon<br />

als seine Mutter ihm früher etwas zum Anziehen<br />

genäht hatte, hatte der kleine Vladik sehr genau<br />

gewusst, wo er noch einen Knopf haben wollte und<br />

wo nicht.<br />

Weil nun aber die Anzughosen aus dem Vintage-<br />

Shop entweder am Bund zu weit waren oder an den<br />

Beinen zu eng und weil er sich irgendwann fragte, ob<br />

er sich nicht nach dem Muster seiner Lieblings-Chino<br />

eine Hose aus einem Stoff seiner Wahl anferti gen<br />

könnte, kaufte er sich vor fünf Jahren kurzerhand<br />

eine Nähmaschine. Vier Tage und ungezählte You-<br />

Tube-Tutorials später hatte er sein erstes eigenes<br />

Modell gefertigt. Es liegt bis heute im Kleiderschrank<br />

seines Kölner WG-Zimmers. Er zieht es heraus, untersucht<br />

die Nähte und das Innenfutter. „Allein für die<br />

Paspeltasche“, sagt er und zeigt auf den verstärkten<br />

Eingriff, „habe ich einen Tag gebraucht.“ Mittlerweile<br />

würde er die ganze Hose sehr viel schneller<br />

hinkriegen. Nachdem er erst ein Praktikum bei<br />

einem Kölner Herrenschneider absolvierte, studiert<br />

MIT 14 KAM ER NACH<br />

<strong>DE</strong>UTSCHLAND. ER<br />

SAGT: „SKATEN HAT<br />

MICH GERETTET.“<br />

62 THE RED BULLETIN

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