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The Red Bulletin September 2020 (DE)

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SCHMUCKSTÜCK<br />

Marko am Steuer des Porsche<br />

356, der als weiter entwickelter<br />

Käfer durchgehen darf<br />

Helmut Marko steht in der österreichischen Steiermark<br />

in einer Parkbucht am Koppenpass, der den Ort Bad<br />

Aussee mit Obertraun am Hallstätter See verbindet,<br />

in seinem Rücken ein feuerwehrroter Porsche 356, und<br />

schaut angestrengt den Hang hinauf. „Irgendwo da oben<br />

muss die Straße gewesen sein“, sagt er, „die Strecke<br />

heute hat ja mit dem Verlauf von damals nicht sehr viel<br />

zu tun.“ Gut, von Obertraun herauf, auf der oberösterreichischen<br />

Seite des Passes, da ist alles noch genauso<br />

wild und selektiv wie damals, vor sechzig Jahren, aber<br />

auf der steirischen Seite ist praktisch kein Stein auf dem<br />

anderen geblieben. „Ja, so ist das: Alles wird nivelliert“,<br />

sagt Marko, halb zu sich, halb zu uns.<br />

Man mag es kaum glauben, aber Marko, den in der<br />

Formel 1 alle nur ehrfürchtig „den Doktor“ nennen,<br />

war seit den frühen Sechzigerjahren des vorigen Jahrhunderts<br />

nicht mehr hier. Anlass der Rückkehr: <strong>The</strong> <strong>Red</strong><br />

<strong>Bulletin</strong> hat die graue Eminenz von <strong>Red</strong> Bull Racing<br />

gebeten, einen Roadtrip zu seinen Wurzeln zu unternehmen<br />

– in eine extrem wilde Zeit, die er mit seinem<br />

damals besten Freund Jochen Rindt verbrachte. Jochen<br />

Rindt: Urknall des österreichischen Rennsport-Universums,<br />

1970 in Monza tödlich verunglückte Formel‐1-<br />

Ikone, der einzige posthum zum Weltmeister erklärte<br />

Pilot der Geschichte. Ohne ihn gäbe es keine erfolgreichen<br />

österreichischen Grand-Prix-Piloten, keine<br />

Renn strecke in Spielberg, keine Formel-1 -Begeisterung<br />

in Rot-Weiß-Rot.<br />

Die beiden Säulenheiligen des österreichischen<br />

Motorsports hatten einander schon als Halbwüchsige<br />

in Graz kennengelernt. Basis der Freundschaft waren<br />

gemein same Interessen: zuerst Mopeds, dann Mädchen.<br />

„Wann immer die Eltern ein Wochenende weggefahren<br />

sind“, erzählt Marko, heute 77, „ist in deren Haus oder<br />

Wohnung eine Party organisiert worden. Da war der<br />

Jochen – er war ja ein Jahr älter – wirklich sehr, sehr gut:<br />

Er hat immer die tollsten Mädchen dahergebracht.“<br />

Ein Draufgänger, der auf Regeln pfiff<br />

Aber auch sonst hatte man mit Jochen viel Spaß – vor<br />

allem, weil er „unglaublich unternehmungslustig und<br />

immer gut aufgelegt war“. Ein Draufgänger, der sich<br />

um gesellschaftliche Regeln nicht viel scherte und nicht<br />

lang fragte, ob etwas erlaubt oder verboten ist. „Bei<br />

den anderen Eltern“, erinnert sich Marko schmunzelnd,<br />

„galten wir nicht unbedingt als die, mit denen man die<br />

eigenen Kinder sehen wollte.“<br />

Die unerschrockene Art hatte, glaubt Marko, mit<br />

Rindts persönlicher Geschichte zu tun: In Deutschland<br />

geboren, verlor er seine Eltern bei einem Bombenangriff<br />

gegen Kriegsende und kam als Baby zu den Großeltern<br />

nach Graz. „Die waren nicht so streng wie Eltern“,<br />

72 THE RED BULLETIN

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