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SCHMUCKSTÜCK<br />
Marko am Steuer des Porsche<br />
356, der als weiter entwickelter<br />
Käfer durchgehen darf<br />
Helmut Marko steht in der österreichischen Steiermark<br />
in einer Parkbucht am Koppenpass, der den Ort Bad<br />
Aussee mit Obertraun am Hallstätter See verbindet,<br />
in seinem Rücken ein feuerwehrroter Porsche 356, und<br />
schaut angestrengt den Hang hinauf. „Irgendwo da oben<br />
muss die Straße gewesen sein“, sagt er, „die Strecke<br />
heute hat ja mit dem Verlauf von damals nicht sehr viel<br />
zu tun.“ Gut, von Obertraun herauf, auf der oberösterreichischen<br />
Seite des Passes, da ist alles noch genauso<br />
wild und selektiv wie damals, vor sechzig Jahren, aber<br />
auf der steirischen Seite ist praktisch kein Stein auf dem<br />
anderen geblieben. „Ja, so ist das: Alles wird nivelliert“,<br />
sagt Marko, halb zu sich, halb zu uns.<br />
Man mag es kaum glauben, aber Marko, den in der<br />
Formel 1 alle nur ehrfürchtig „den Doktor“ nennen,<br />
war seit den frühen Sechzigerjahren des vorigen Jahrhunderts<br />
nicht mehr hier. Anlass der Rückkehr: <strong>The</strong> <strong>Red</strong><br />
<strong>Bulletin</strong> hat die graue Eminenz von <strong>Red</strong> Bull Racing<br />
gebeten, einen Roadtrip zu seinen Wurzeln zu unternehmen<br />
– in eine extrem wilde Zeit, die er mit seinem<br />
damals besten Freund Jochen Rindt verbrachte. Jochen<br />
Rindt: Urknall des österreichischen Rennsport-Universums,<br />
1970 in Monza tödlich verunglückte Formel‐1-<br />
Ikone, der einzige posthum zum Weltmeister erklärte<br />
Pilot der Geschichte. Ohne ihn gäbe es keine erfolgreichen<br />
österreichischen Grand-Prix-Piloten, keine<br />
Renn strecke in Spielberg, keine Formel-1 -Begeisterung<br />
in Rot-Weiß-Rot.<br />
Die beiden Säulenheiligen des österreichischen<br />
Motorsports hatten einander schon als Halbwüchsige<br />
in Graz kennengelernt. Basis der Freundschaft waren<br />
gemein same Interessen: zuerst Mopeds, dann Mädchen.<br />
„Wann immer die Eltern ein Wochenende weggefahren<br />
sind“, erzählt Marko, heute 77, „ist in deren Haus oder<br />
Wohnung eine Party organisiert worden. Da war der<br />
Jochen – er war ja ein Jahr älter – wirklich sehr, sehr gut:<br />
Er hat immer die tollsten Mädchen dahergebracht.“<br />
Ein Draufgänger, der auf Regeln pfiff<br />
Aber auch sonst hatte man mit Jochen viel Spaß – vor<br />
allem, weil er „unglaublich unternehmungslustig und<br />
immer gut aufgelegt war“. Ein Draufgänger, der sich<br />
um gesellschaftliche Regeln nicht viel scherte und nicht<br />
lang fragte, ob etwas erlaubt oder verboten ist. „Bei<br />
den anderen Eltern“, erinnert sich Marko schmunzelnd,<br />
„galten wir nicht unbedingt als die, mit denen man die<br />
eigenen Kinder sehen wollte.“<br />
Die unerschrockene Art hatte, glaubt Marko, mit<br />
Rindts persönlicher Geschichte zu tun: In Deutschland<br />
geboren, verlor er seine Eltern bei einem Bombenangriff<br />
gegen Kriegsende und kam als Baby zu den Großeltern<br />
nach Graz. „Die waren nicht so streng wie Eltern“,<br />
72 THE RED BULLETIN