Maschinen & Technik | Oktober 2020
- Themen der Ausgabe: Erdbewegung, Garten- & Landschaftsbau, Forst- & Landtechnik, Recycling & Entsorgung - Sonderbeilage: Gebrauchtmaschinen - Themenspezial: Kommunal- & Wintermaschinen
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- Sonderbeilage: Gebrauchtmaschinen
- Themenspezial: Kommunal- & Wintermaschinen
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DIE TÜCKEN<br />
DES NOTBREMS-<br />
ASSISTENTEN UND<br />
WAS ZU TUN IST<br />
Paul Rosenstihl<br />
Vorsitzender der VAK-Arbeitsgruppe<br />
Winterdienst und -geräte<br />
Es wird Herbst. Die letzten wundervollen, sonnigen<br />
Tage kündigen den Übergang zur winterlichen Jahreszeit<br />
mit Kälte, Dunkelheit und erschwerten Verhältnissen<br />
auf den Straßen an. Fahrzeuge werden<br />
von Sommer- auf Winterreifen umgerüstet. Die Kommunen<br />
und Städte stellen die Schneepflüge bereit<br />
und treffen alle möglichen Vorbereitungen für einen<br />
reibungslosen Winter.<br />
ODER WAR DA NOCH WAS?<br />
Wir, der VAK als Vertreter der Arbeitsgeräte- und<br />
Kommunalfahrzeuge-Industrie, versuchen schon<br />
seit geraumer Zeit die Verantwortlichen des Bundes<br />
und der Länder auf eine nicht zu unterschätzende<br />
Problematik aufmerksam zu machen. Es geht um<br />
den überaus noblen und wirkungsvollen Notbremsassistenten.<br />
Er hat als Fahrerassistenz-System auf<br />
unseren Straßen Einzug gehalten. Für Lkw wurde er<br />
gesetzlich verankert. Das ist gut so. Allerdings hat die<br />
Gesetzgebung dabei eine Kleinigkeit übersehen.<br />
Lassen Sie uns ein kurzes Szenario zeichnen: ein ganz<br />
normaler Tag im November <strong>2020</strong> in Berlin. Es ist kalt,<br />
windig und grau. Am späten Nachmittag fängt es an<br />
zu schneien. „Bitte Einsatzfahrzeuge zur Schneeräumung<br />
bereithalten“, so ähnlich lautet eine Anweisung<br />
der Einsatzleitstelle an die Fuhrparks und Bauhöfe der<br />
Stadt. „Unsere Fahrzeuge sind nicht einsatzbereit“,<br />
trudeln die Antworten nach und nach ein.<br />
„Unsere Fahrzeuge sind nicht gesetzeskonform.<br />
Sorry, wir können nicht ausfahren“, lautet die Erklärung.<br />
Still schweben die Schneeflocken am Fenster<br />
des Einsatzleiters vorbei. Ihm wird schwindelig. Wenn<br />
es die ganze Nacht so weiter schneit, denk er, dann<br />
versinkt Berlin ohne Räumfahrzeuge im Verkehrschaos.<br />
Das ist jetzt ein wenig trivial dargestellt, und man<br />
könnte argumentieren, dass sich so etwas in einem<br />
gut funktionierenden Land wie Deutschland nicht<br />
wirklich zutragen kann. Und doch ist es vom Prinzip<br />
her nicht abwegig. Das liegt an einem bestehenden<br />
Vakuum in der kürzlich erlassenen Gesetzgebung,<br />
mit dem sich der VAK beschäftigt. Schon seit Novem-<br />
ber 2015 sieht eine EU-Verordnung vor, dass Fahrzeuge<br />
der Klassen M2, M3, und N3 mit einem elektronischen<br />
Fahrdynamik-Regelsystem, also einem<br />
Notbremsassistenten, ausgestattet sein müssen.<br />
Soweit so gut und so sicher. Für Deutschland möchte<br />
der Gesetzgeber diese Verordnung verschärfen. Das<br />
System soll nicht deaktivierbar sein. Das bedeutet<br />
Notbremsassistenz-Systeme in Kraftfahrzeugen über<br />
3,5 Tonnen und bei einer Geschwindigkeit von über<br />
30 km/h dürfen nicht ausgeschaltet werden. Ein Verstoß<br />
soll als Ordnungswidrigkeit mit Bußgeld eingestuft<br />
werden.<br />
Diese Regelung dient natürlich dem Schutz aller Verkehrsteilnehmer,<br />
schließlich hilft der Bremsautomatismus<br />
nachweislich, Unfälle zu verhindern oder schwere<br />
Folgen zu reduzieren. Es gibt allerdings den oben<br />
gezeichneten „einsatz-relevanten“ Aspekt: Lkw der<br />
Fahrzeugklasse N3 ohne Allradantrieb, die der Pflicht<br />
von einem nicht ausschaltbaren Notbrems-Assistenzsystem<br />
unterliegen, sind nicht mehr als Winterdienstbzw.<br />
Straßenreiniger-Fahrzeuge einsetzbar.<br />
Würden solche Fahrzeuge Winterdienst- oder Straßenreinigungstätigkeiten<br />
wahrnehmen, würden sie<br />
gegen das Gesetz verstoßen. Es muss daher eine<br />
Regelung geschaffen werden, die es erlaubt, den<br />
Notbremsassistenten zu deaktivieren, wenn es sich<br />
um Fahrzeuge mit besonderer Zweckbestimmung<br />
handelt, wie in unserem Fall das Freiräumen oder<br />
Sauberhalten der öffentlichen Straßen. Und dafür<br />
machen wir uns beim Bundes- und bei den Landesverkehrsministern<br />
stark.<br />
Wie sagt doch das alte Sprichwort: Gefahr erkannt,<br />
Gefahr gebannt. Das Problem wurde erkannt, und einen<br />
Lösungsvorschlag liefern wir. Jetzt müssen nur<br />
in den richtigen Etagen die richtigen Entscheidungen<br />
getroffen und durchgesetzt werden. Dann sind wir<br />
noch besser für den Winter gerüstet.<br />
Bis dahin, genießen Sie den Herbst und bleiben Sie<br />
gesund.<br />
Ihr Paul Rosenstihl<br />
8 OKTOBER <strong>2020</strong> » AKTUELLES