Die Malteser-Zeitung 4/2020
Berichterstattung über nationale und internationale Tätigkeiten des Souveränen Malteser-Ritter-Orden und seiner Werke sowie religiöse, karitative und soziale Fragen aller Art.
Berichterstattung über nationale und internationale Tätigkeiten des Souveränen Malteser-Ritter-Orden und seiner Werke sowie religiöse, karitative und soziale Fragen aller Art.
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MEDIZINAKTUELL<br />
TAGEBUCH<br />
QUO VADIS HAUSARZT?<br />
Nicht erst seit der Coronapandemie ist es deutlich spürbar: Es gibt immer weniger niedergelassene Hausärzte.<br />
<strong>Die</strong> Ansiedlung von Gemeinschaftspraxen in Ballungsräumen und die Einrichtung von Primärversorgungszentren<br />
ist zwar eine interessante Idee, für nicht mobile oder ältere Menschen im ländlichen Bereich jedoch<br />
eine Herausforderung.<br />
Von Otto Pjeta*<br />
Corona hat den Ärztemangel in ländlichen Regionen sowie<br />
die zunehmenden Strukturmängel der ambulanten<br />
ärztlichen Versorgung in bestimmten Gebieten besonders<br />
deutlich werden lassen. So zählten etwa niedergelassene<br />
Hausärzte nicht gerade zu den Erstgereihten in der Verteilungskette<br />
der Coronaschutzausrüstung. Hausärzte, die für<br />
ihre Patienten einen PCR-Test für notwendig erachteten,<br />
wurden am „Coronatelefon“ – salopp formuliert – „abgewimmelt“.<br />
Gerade während der ersten Wochen der Pandemie<br />
wurde Menschen geraten, Ordinationen nur im Notfall<br />
aufzusuchen und nicht unbedingt erforderliche Untersuchungen<br />
zu verschieben. Hilfreiche Auskünfte über das Ergebnis<br />
von Coronatests an den Hausarzt unterblieben.<br />
Wie viele chronisch Kranke konnten aufgrund dieser<br />
Umstände nicht behandelt werden? Wie viele Hausärzte<br />
wurden aufgrund der Nicht-Weitergabe von Testergebnissen<br />
ihrer Patienten einer Gesundheitsgefährdung<br />
durch Covid-19 ausgesetzt?<br />
Hausarztpraxis? Geschlossen<br />
Viele Jahrzehnte hindurch war die ärztliche Betreuung<br />
vor Ort die Aufgabe von „Praktischen Ärzten“. Das hat<br />
sich drastisch verändert. Hausarztpraxen wurden und<br />
werden in großer Zahl aufgrund von Pensionierungen<br />
geschlossen und nicht nachbesetzt. Unattraktive Bezahlung<br />
lässt den Nachwuchs lieber in Krankenhäuser oder<br />
ins Ausland gehen.<br />
Bis vor zehn Jahren wurde der absehbare Ärztemangel<br />
noch als bloßes Verteilungsproblem abgetan, wurden die<br />
Pensionierungszahlen weitgehend ignoriert und das Honorarsystem<br />
im Vergleich zum benachbarten Ausland nur<br />
marginal verbessert. Von Experten entwickelte Modelle<br />
von Gruppenpraxen im Gewerbepark mit Supermarkt<br />
und Nahversorgern und die Einrichtung von Primärversorgungszentren<br />
klangen zunächst vielversprechend.<br />
Mittlerweile zeigt sich, dass diese Versorgung noch nicht<br />
wie erwartet funktioniert und die Einzel- und Gruppenpraxen<br />
mangels Bewerber für einen Kassenvertrag die<br />
Versorgung von Patienten in Zukunft nicht vollständig<br />
erfüllen können.<br />
Wenig Interesse an Primärversorgungszentren<br />
Von den bis 2021 angekündigten 76 Primärversorgungszentren<br />
gibt es, wenn man den Zahlen der Sozialversicherung<br />
Glauben schenken darf, derzeit nur 22. In den<br />
Bundesländern Salzburg, Kärnten und Tirol gibt es zwar<br />
Kandidaten, aber keine Zentren, in Vorarlberg gibt es<br />
nicht einmal Interessenten.<br />
Wen wundert’s? Es besteht eine Unmenge von Vorschriften<br />
und Verpflichtungen für Ärzte in solchen Einrichtungen:<br />
Da ist die Rede von einer Behandlung möglichst<br />
am Tag der Anmeldung und immer vom selben Arzt<br />
die Rede, einer gesonderten Stillberatung auf Verlangen<br />
der Sozialversicherung, einer wirklichkeitsfremden<br />
Diagnose codierung, einer verpflichtenden Übernahme<br />
von Aufgaben des Gesundheitswesens und detaillierten<br />
Aufgabenprofilen im Anhang, in dem eine lange Liste<br />
von Versorgungsaufträgen angeführt wird. Wer immer<br />
sich diesen Vertrag durchgelesen hat, interessiert sich<br />
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DIE MALTESER 4/<strong>2020</strong>