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CHECK Berlin #3

CHECK wendet sich an Schwule und Trans*-Männer jeden Alters, jeder Herkunft oder Weltanschauung. • umfassender Serviceteil mit allen wichtigen Adressen von Beratungsstellen, Apotheken und Ärzt*innen

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SOCIAL FREEZING<br />

VON EIZELLEN<br />

Menschen mit Uterus und<br />

Ovarien haben heutzutage<br />

die Möglichkeit, ihre Eizellen<br />

mittels des sogenannten<br />

Social Freezing einfrieren zu<br />

lassen. Ein häufiger Grund<br />

dafür ist, eine Schwangerschaft<br />

eventuell auch im<br />

vorangeschrittenen Alter zu<br />

ermöglichen. Wenn etwa der<br />

Job momentan zu viel abverlangt<br />

oder eine Krankheit<br />

das Heranreifen der Eizellen<br />

beeinträchtigt. Aber auch<br />

trans* Männer oder nicht-binäre<br />

Menschen mit Uterus<br />

und Ovarien müssen sich die<br />

Frage stellen, ob und was<br />

sie mit ihren Eizellen vor<br />

und während und nach der<br />

Transition machen wollen.<br />

Trans* Männer und<br />

Eizellen<br />

Wie jede langfristige Medikamenteneinnahme<br />

kann<br />

auch die Hormontherapie zur<br />

Geschlechtsanpassung Auswirkungen<br />

auf die Fertilität<br />

haben. Während Testosteron<br />

eingenommen wird, sinkt die<br />

Fertilität. Dies bedeutet aber<br />

nicht, dass Testosteron ein<br />

verlässliches Schwangerschafts-Verhütungsmittel<br />

ist.<br />

Im Laufe der sogenannten<br />

androgenen Therapie wird<br />

Testosteron zunächst in<br />

einer niedrigen Dosis verabreicht<br />

und bei guter Verträglichkeit<br />

allmählich erhöht.<br />

Dadurch kann nicht nur die<br />

ovarielle Reserve, also die<br />

Anzahl der vorhandenen<br />

Eizellen, sondern auch deren<br />

Qualität beeinträchtigt werden.<br />

Dies wiederum kann die<br />

Reproduktionsmöglichkeiten<br />

der betreffenden Person<br />

reduzieren. Infertilität oder<br />

Sterilität als Folge kann man<br />

nicht ausschliessen.<br />

Theoretisch ist es zwar<br />

möglich, bei einer Unterbrechung<br />

oder dem Absetzen<br />

der Hormontherapie einige<br />

Eizellen zu gewinnen. Die<br />

Anzahl und Qualität mag<br />

aber nicht ausreichend sein,<br />

um schwanger zu werden.<br />

Im Falle einer geschlechtsangleichenden<br />

Operation,<br />

bei der die Entfernung der<br />

Eierstöcke vorgenommen<br />

wird, sind im Körper natürlich<br />

gar keine Eizellen mehr<br />

vorhanden.<br />

Wie funktioniert Social<br />

Freezing?<br />

Für alle Menschen, die ihre<br />

Eizellen entnehmen und<br />

einfrieren lassen möchten,<br />

gilt, dass ihre Eierstöcke<br />

(Ovarian) vorher komplexen<br />

und oft auch traumatisierenden<br />

Stimulationen unterzogen<br />

werden müssen. Die<br />

Stimulation erfolgt durch<br />

Einnahme oder das Spritzen<br />

von bestimmten Hormonen<br />

und soll die Produktion von<br />

Eizellen fördern. Besonders<br />

bei Geschlechtsdysphorie<br />

oder bei dem Wunsch nach<br />

Vermännlichung stellt eine<br />

solche zusätzliche Be-<br />

handlung ein Problem dar.<br />

Der Testosteronspiegel<br />

muss gesenkt werden, eine<br />

geplante oder laufende<br />

Verabreichung von Testosteron<br />

muss also verschoben<br />

oder unterbrochen werden.<br />

Die Stimulation erfolgt<br />

teilweise mit Tabletten,<br />

teilweise durch Injektionen.<br />

Patient*innen verabreichen<br />

sich diese meist selbst,<br />

jedoch findet ein regelmäßiges<br />

Monitoring im Abstand<br />

von etwa 7-12 Tagen durch<br />

die betreuende Fachstelle<br />

statt. Sie sorgt dafür, dass<br />

die Eizellen befruchtungsfähig<br />

werden. Normalerweise<br />

reift nur eine Eizelle heran,<br />

auch wenn sich zunächst<br />

mehrere Follikel bilden und<br />

miteinander konkurrieren.<br />

Follikel sind bläschenartiges<br />

Gebilde im Innern der Eierstöcke,<br />

in denen eine Eizelle<br />

heranreift. Für gewöhnlich<br />

dominiert am Ende der sogenannte<br />

Leitfollikel, während<br />

die anderen absterben. Mit<br />

Hilfe der Stimulation können<br />

die anderen Follikel bewahrt<br />

und so mehrere Eizellen zur<br />

Reife gebracht werden.<br />

Dann muss noch der<br />

richtige Zeitpunkt gefunden<br />

werden, um die Eizellen zu<br />

entnehmen. Nach abschließenden<br />

Untersuchungen und<br />

einem Gespräch mit dem/<br />

der Anästhesist*in, findet<br />

die Entnahme dann in einem<br />

OP-Saal während einer etwa<br />

5-10-minütigen Kurz-Narkose<br />

statt. Das „Absaugen“<br />

der Eizellen nennt man auch<br />

Follikelpunktion. Das so<br />

gewonnene Ovarialgewebe<br />

wird dann eingefroren und<br />

bei Bedarf in der Zukunft<br />

wieder eingepflanzt.<br />

Der gesamte Prozess muss<br />

sehr akkurat und genau<br />

abgestimmt werden und<br />

wird von Nutzer*innen als<br />

durchaus anstrengend<br />

empfunden.<br />

Aktivismus für die Gesundheit<br />

Das Terminservice- und Versorgungsgesetz (kurz: TSVG) sieht<br />

seit Mai 2019 vor, dass Arzneimittel zur Vorbeugung einer Infek-<br />

Trans* Gesundheit<br />

Kosten und Zeitrahmen<br />

Die Kosten unterteilen sich<br />

in einmalige und monatliche<br />

Ausgaben. Für die<br />

Stimulation, das Monitoring<br />

inklusive Gespräche und die<br />

Untersuchungen muss man<br />

mit etwa 3000 bis 4000 Euro<br />

pro Zyklus rechnen. Sollte<br />

die Behandlung im ersten<br />

Anlauf nicht gelingen, muss<br />

ein neuer ebenfalls kostenpflichtiger<br />

Zyklus eingeleitet<br />

werden. Der Preis pro Zyklus<br />

ist auch abhängig von der<br />

Menge der verabreichten<br />

Hormone und Medikamente.<br />

Manche Frauen, trans*<br />

Männer und nicht-binäre<br />

Menschen benötigen eben<br />

mehr oder längere Behandlungsphasen<br />

als andere.<br />

Der gesamte Prozess kann<br />

sich über wenige Wochen<br />

bis mehrere Monate hinstrecken.<br />

Je nach Standort<br />

kommen dann Lagerungskosten<br />

für das<br />

tion mit dem HI-Virus („Präexpositionsprophylaxe, PrEP“) für Menschen mit erhöhtem<br />

Ansteckungsrisiko von den gesetzlichen Krankenkassen übernommen werden.<br />

Diese Regelung kam auch durch langwierigen und hartnäckigen Aktivismus von Seiten<br />

der betroffenen Community zustande. Es besteht kein Zweifel daran, dass Social<br />

Freezing für trans* und nicht-binäre Menschen eine medizinische Notwendigkeit ist.<br />

Dennoch kann diese Patient*innengruppe Medical Freezing für sich (noch!) nicht in<br />

Anspruch nehmen. Hier herrscht eindeutig eine Ungleichbehandlung von verschiedenen<br />

Indikationen bzw. Patient*innen-Gruppen.<br />

Aktivismus für mehr Gleichheit und Fairness in der Gesellschaft macht nicht nur Spaß.<br />

Er ist notwendig, um eine Welt zu schaffen, in der alle Menschen die gleichen Rechte<br />

und Zugänge zur Versorgung haben.<br />

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