Leo Januar/Februar 2021
Sie wollen auch ein ePaper? Erhöhen Sie die Reichweite Ihrer Titel.
YUMPU macht aus Druck-PDFs automatisch weboptimierte ePaper, die Google liebt.
12 POLITIK<br />
FOTO: LEIF LINDING FOTO: AUF PIXABAY ISTOCK<br />
KOLUMNE VON<br />
FELIX MÜLLER<br />
Rosa Regenbogenparlament<br />
In seiner kommunalpolitischen<br />
Kolumne beleuchtet<br />
AZ-Lokalchef Felix Müller diese<br />
Woche das Thema Diversity in der<br />
Stadtpolitik – und schaut überrascht<br />
auf die Münchner CSU.<br />
Diversity im Rathaus – den Anspruch haben<br />
im Kern fast alle Parteien. Aber wie sieht die<br />
Realität aus? „Wir sind mindestens acht“,<br />
so drückt es Rosa-Liste-Stadtrat Thomas<br />
Niederbühl aus. Acht von 80 Stadträten<br />
leben offen nicht-heterosexuell. „Wir sind<br />
gut repräsentiert“, sagt er. Weil das nicht<br />
immer so war, hat sich die Rosa Liste ja<br />
einst überhaupt gegründet. „Wir wollten<br />
selbst Politik machen, weil unsere Probleme<br />
im Rathaus nicht wirklich vorkamen“, so<br />
sagt es Niederbühl. Er schwärmt von der<br />
Vernetzung der queeren Stadträte – auch<br />
seiner mit lesbischen Stadträtinnen. Denn<br />
das ist ein wunder Punkt bei der Rosa Liste:<br />
Da immer nur ein Stadtrat, Niederbühl eben,<br />
gewählt wurde, hat ausgerechnet diese<br />
Gruppe eine Männerquote von 100 Prozent.<br />
Die Frauen finden sich anderswo – zum<br />
Beispiel bei der SPD. Die Neu-Stadträtin<br />
Micky Wenngatz sagt: „Wir sind im Rathaus,<br />
auch in der Verwaltung, schon sehr weit.<br />
Diskriminierung für lesbische Frauen hat<br />
keinen Platz." Mit einem runden Tisch habe<br />
man die Vernetzung queerer Menschen im<br />
Rathaus noch weiter vertiefen wollen. Wie<br />
bei so vielem 2020 kam auch hier Corona<br />
dazwischen, die geplanten ersten Treffen<br />
fielen aus. Wenngatz betont, dass bei allen<br />
Erfolgen auch noch viel zu tun sei, etwa<br />
im Hinblick auf das dritte Geschlecht. „Es<br />
geht um solche Dinge, wie das man beim<br />
städtischen Telefonbuch nicht mehr nur<br />
Herr und Frau als Option angeben kann.“<br />
Immer noch ein bisserl hinterher hängt bei<br />
diesen Themen die CSU-Fraktion,<br />
die weiter ohne queere<br />
Mitglieder auskommt. Die<br />
Themen der Community<br />
aber will man durchaus<br />
ernst nehmen, wie<br />
Fraktionschef Manuel<br />
Pretzl betont. „Die<br />
CSU im Rathaus ist<br />
eine liberale Münchner<br />
Großstadtpartei“, sagt er.<br />
„Diese Linie hat Josef Schmid<br />
maßgeblich geprägt und in dieser<br />
Tradition sehe ich meine Fraktion heute.“<br />
Man wolle eine politische Heimat für alle<br />
bieten – „unabhängig von Geschlecht,<br />
Herkunft oder sexueller Orientierung.“ Jeder,<br />
der die Überzeugungen der CSU teile, sei<br />
herzlich willkommen, „natürlich auch als<br />
Kandidaten für den Stadtrat“. Pretzl betont<br />
auch, dass die CSU seit Jahren mit einem<br />
Wagen beim CSD dabei sei.<br />
An diese Allianzen hat man sich schon<br />
beinahe gewöhnt. Doch mittlerweile<br />
geht die CSU auch andere ungewohnte<br />
Verbindungen ein. Noch vor wenigen<br />
Jahren wäre es undenkbar gewesen, dass<br />
sie mit der Linkspartei zusammenarbeitet.<br />
Doch genau das gab es kürzlich. Mit einem<br />
gemeinsamen Vorstoß für ein 365-Euro-<br />
Ticket. Ein Euro pro Tag – und dafür das<br />
ganze Jahr im ganzen MVV fahren dürfen,<br />
dieses Angebot forderten CSU, Linke und<br />
ÖDP für jedermann. Spätestens 2023 soll<br />
es eingeführt werden, so die Forderung,<br />
die Stadt könne so „lebenswerer und die<br />
Luft reiner“ werden, schwärmten die<br />
Stadträte in ihrem Papier.<br />
Überhaupt: Die Münchner<br />
CSU ist derzeit häufiger<br />
überraschend unterwegs.<br />
So stellte sich mit dem<br />
Medizin-Professor Hans<br />
Theiss, Fraktions-Vize<br />
im Stadtrat, der erste<br />
bekannte Parteifreund offen<br />
und klar gegen die Corona-<br />
Politik Markus Söders. „Mehr<br />
Ehrlichkeit, weniger Herrenchiemsee“,<br />
mahnte er an, schrieb in einem offenen<br />
Brief unter anderem davon, dass doch mehr<br />
Menschen durch als an Corona stürben,<br />
etwa, weil sie aus Angst nicht in die Klinik<br />
kämen und dann an einem Herzinfarkt ums<br />
Leben kämen. In der Landesleitung kam es<br />
nicht gut an. Generalsekretär Markus Blume<br />
sagte der AZ: „Wenn ein Arzt behauptet,<br />
dass mehr Menschen durch als an Corona<br />
sterben, dann ist er in gefährlichen<br />
Fahrwassern unterwegs und ignoriert die<br />
Realität auf den Intensivstationen. Es sei<br />
„immer einfach, nölend am Seitenrand zu<br />
stehen, statt konstruktive Vorschläge zu<br />
machen“.<br />
FOTO: PRIVAT