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Leo Januar/Februar 2021

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12 POLITIK<br />

FOTO: LEIF LINDING FOTO: AUF PIXABAY ISTOCK<br />

KOLUMNE VON<br />

FELIX MÜLLER<br />

Rosa Regenbogenparlament<br />

In seiner kommunalpolitischen<br />

Kolumne beleuchtet<br />

AZ-Lokalchef Felix Müller diese<br />

Woche das Thema Diversity in der<br />

Stadtpolitik – und schaut überrascht<br />

auf die Münchner CSU.<br />

Diversity im Rathaus – den Anspruch haben<br />

im Kern fast alle Parteien. Aber wie sieht die<br />

Realität aus? „Wir sind mindestens acht“,<br />

so drückt es Rosa-Liste-Stadtrat Thomas<br />

Niederbühl aus. Acht von 80 Stadträten<br />

leben offen nicht-heterosexuell. „Wir sind<br />

gut repräsentiert“, sagt er. Weil das nicht<br />

immer so war, hat sich die Rosa Liste ja<br />

einst überhaupt gegründet. „Wir wollten<br />

selbst Politik machen, weil unsere Probleme<br />

im Rathaus nicht wirklich vorkamen“, so<br />

sagt es Niederbühl. Er schwärmt von der<br />

Vernetzung der queeren Stadträte – auch<br />

seiner mit lesbischen Stadträtinnen. Denn<br />

das ist ein wunder Punkt bei der Rosa Liste:<br />

Da immer nur ein Stadtrat, Niederbühl eben,<br />

gewählt wurde, hat ausgerechnet diese<br />

Gruppe eine Männerquote von 100 Prozent.<br />

Die Frauen finden sich anderswo – zum<br />

Beispiel bei der SPD. Die Neu-Stadträtin<br />

Micky Wenngatz sagt: „Wir sind im Rathaus,<br />

auch in der Verwaltung, schon sehr weit.<br />

Diskriminierung für lesbische Frauen hat<br />

keinen Platz." Mit einem runden Tisch habe<br />

man die Vernetzung queerer Menschen im<br />

Rathaus noch weiter vertiefen wollen. Wie<br />

bei so vielem 2020 kam auch hier Corona<br />

dazwischen, die geplanten ersten Treffen<br />

fielen aus. Wenngatz betont, dass bei allen<br />

Erfolgen auch noch viel zu tun sei, etwa<br />

im Hinblick auf das dritte Geschlecht. „Es<br />

geht um solche Dinge, wie das man beim<br />

städtischen Telefonbuch nicht mehr nur<br />

Herr und Frau als Option angeben kann.“<br />

Immer noch ein bisserl hinterher hängt bei<br />

diesen Themen die CSU-Fraktion,<br />

die weiter ohne queere<br />

Mitglieder auskommt. Die<br />

Themen der Community<br />

aber will man durchaus<br />

ernst nehmen, wie<br />

Fraktionschef Manuel<br />

Pretzl betont. „Die<br />

CSU im Rathaus ist<br />

eine liberale Münchner<br />

Großstadtpartei“, sagt er.<br />

„Diese Linie hat Josef Schmid<br />

maßgeblich geprägt und in dieser<br />

Tradition sehe ich meine Fraktion heute.“<br />

Man wolle eine politische Heimat für alle<br />

bieten – „unabhängig von Geschlecht,<br />

Herkunft oder sexueller Orientierung.“ Jeder,<br />

der die Überzeugungen der CSU teile, sei<br />

herzlich willkommen, „natürlich auch als<br />

Kandidaten für den Stadtrat“. Pretzl betont<br />

auch, dass die CSU seit Jahren mit einem<br />

Wagen beim CSD dabei sei.<br />

An diese Allianzen hat man sich schon<br />

beinahe gewöhnt. Doch mittlerweile<br />

geht die CSU auch andere ungewohnte<br />

Verbindungen ein. Noch vor wenigen<br />

Jahren wäre es undenkbar gewesen, dass<br />

sie mit der Linkspartei zusammenarbeitet.<br />

Doch genau das gab es kürzlich. Mit einem<br />

gemeinsamen Vorstoß für ein 365-Euro-<br />

Ticket. Ein Euro pro Tag – und dafür das<br />

ganze Jahr im ganzen MVV fahren dürfen,<br />

dieses Angebot forderten CSU, Linke und<br />

ÖDP für jedermann. Spätestens 2023 soll<br />

es eingeführt werden, so die Forderung,<br />

die Stadt könne so „lebenswerer und die<br />

Luft reiner“ werden, schwärmten die<br />

Stadträte in ihrem Papier.<br />

Überhaupt: Die Münchner<br />

CSU ist derzeit häufiger<br />

überraschend unterwegs.<br />

So stellte sich mit dem<br />

Medizin-Professor Hans<br />

Theiss, Fraktions-Vize<br />

im Stadtrat, der erste<br />

bekannte Parteifreund offen<br />

und klar gegen die Corona-<br />

Politik Markus Söders. „Mehr<br />

Ehrlichkeit, weniger Herrenchiemsee“,<br />

mahnte er an, schrieb in einem offenen<br />

Brief unter anderem davon, dass doch mehr<br />

Menschen durch als an Corona stürben,<br />

etwa, weil sie aus Angst nicht in die Klinik<br />

kämen und dann an einem Herzinfarkt ums<br />

Leben kämen. In der Landesleitung kam es<br />

nicht gut an. Generalsekretär Markus Blume<br />

sagte der AZ: „Wenn ein Arzt behauptet,<br />

dass mehr Menschen durch als an Corona<br />

sterben, dann ist er in gefährlichen<br />

Fahrwassern unterwegs und ignoriert die<br />

Realität auf den Intensivstationen. Es sei<br />

„immer einfach, nölend am Seitenrand zu<br />

stehen, statt konstruktive Vorschläge zu<br />

machen“.<br />

FOTO: PRIVAT

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