Leo Januar/Februar 2021
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26 STADTGESPRÄCH<br />
ATTENTAT<br />
VON DRESDEN<br />
FOTO: PHILIPP GRAFE<br />
REGENBOGEN-<br />
BELEUCHTUNG<br />
wird Symbol systematischen Schweigens<br />
Alles ist wie immer. Nur viel<br />
schlimmer. Denn diesmal war<br />
es keine Beleidigung, keine Platzwunde.<br />
Am 4. Oktober 2020 wurde<br />
ein Schwuler vermutlich deswegen<br />
ermordet, weil er und sein Mann<br />
sichtbar waren. Sichtbarkeit, die<br />
dem Staat – ja was eigentlich? Peinlich<br />
ist? Egal? Die aus der Geschichte<br />
des § 175 und seinen Opfern<br />
hergeleitete mutmaßliche Antwort:<br />
Wohl eine Mischung aus beidem!<br />
Etwa 350 Menschen gedachten am 1.<br />
November auf dem Altmarkt in Dresden<br />
dem Opfer des mutmaßlich ersten tödlichen,<br />
islamistisch-homophoben Hassverbrechens<br />
in Deutschland. Thomas L. (55)<br />
und sein Lebenspartner Oliver (53) wurden<br />
am 4. Oktober in der Rosmaringasse<br />
hinter dem gestern in Regenbogenfarben<br />
erstrahlenden Kulturpalast mit Messern<br />
angegriffen, Oliver (53) starb an den<br />
schweren Verletzungen.<br />
Am 20. Oktober nahm die Polizei<br />
den Syrer Abdullah A.H.H. (20) unter<br />
Mordverdacht fest. Ein einschlägig<br />
verurteilter Islamist, der 2017 das<br />
erste Mal verhaftet wurde, weil er ein<br />
Selbstmordattentat in Dresden plante.<br />
Während der knapp dreijährigen<br />
Haftstrafe wurde er gewalttätig und vom<br />
Amtsgericht Leipzig am 9. Dezember<br />
2019 wegen tätlicher Angriffe auf Vollstreckungsbeamte<br />
und Körperverletzung<br />
in zwei Fällen verurteilt. Nur fünf Tage<br />
nach seiner Haftentlassung soll er auf<br />
das ahnungslos seinen Urlaubsabend<br />
genießende schwule Paar eingestochen<br />
haben.<br />
TATMOTIV HOMOHASS?<br />
Der Spiegel war es, der am 22.<br />
Oktober nach eigenen Recherchen<br />
in sächsischen Sicherheitskreisen<br />
erstmals über das mögliche Tatmotiv<br />
Schwulenhass spekulierte (Quelle). Darauf<br />
angesprochen reagierte der Dresdner<br />
Oberstaatsanwalt auf einer Presskonferenz<br />
am selben Tag unwirsch:<br />
„Als Staatsanwaltschaft äußern wir<br />
uns zur sexuellen Orientierung von<br />
Tatopfern nicht. Das ist nicht unsere<br />
Zuständigkeit, nicht unsere Aufgabe,<br />
insofern gibt es hierzu keine Angaben.“<br />
Jürgen Schmidt,<br />
Oberstaatsanwalt Dresden<br />
Wie kann eigentlich ein gegen die sexuelle<br />
Orientierung gerichtetes Verbrechen als<br />
solches erkannt und geahndet und eine<br />
Gesellschaft präventiv dagegen vorgehen,<br />
wenn es nicht einmal benannt werden darf<br />
oder soll?<br />
Zu erwarten wäre außerdem, wie bei