18.12.2020 Aufrufe

Leo Januar/Februar 2021

Sie wollen auch ein ePaper? Erhöhen Sie die Reichweite Ihrer Titel.

YUMPU macht aus Druck-PDFs automatisch weboptimierte ePaper, die Google liebt.

28 STYLE STADTGESPRÄCH<br />

rassistischen oder antisemitischen<br />

Hassverbrechen mit ideologischem Hintergrund<br />

üblich, dass die Bundesregierung<br />

und ggf. der Bundespräsident neben der<br />

emotionalen Anteilnahme, das mutmaßliche<br />

Motiv und daraus schlussfolgernde<br />

Handlungsbekundungen öffentlich<br />

äußern. Nichts davon ist bis zur durch den<br />

CSD Dresden e.V. organisierten Gedenkveranstaltung<br />

passiert, an der kein Mitglied<br />

der Bundesregierung teilgenommen<br />

hat. Es gab über den Regierungssprecher<br />

ausgerichtete Allgemeinplätze der<br />

Kanzlerin ohne Hinweis auf das mögliche<br />

Tatmotiv. Das ist erschreckend wie auch<br />

nicht verwunderlich gleichzeitig.<br />

STAATLICHE IGNORANZ VON HOMO-<br />

UND TRANSFEINDLICHEN HASSVER-<br />

BRECHEN HAT SYSTEM<br />

Homo- und Transphobie sind, wie wir auf<br />

den vorhergehenden Seiten zeigten, für den<br />

derzeitigen Innenminister Horst Seehofer<br />

(CSU) und seine Amtsvorgänger Thomas<br />

de Maizière, Hans-Peter Friedrich und<br />

Wolfgang Schäuble (alle CDU) kein Thema.<br />

Spätestens seit 2013 und der zweiten<br />

GroKo hätte es eines sein müssen, denn<br />

im Koalitionsvertrag war von der SPD ein<br />

nationaler Aktionsplan hineinverhandelt<br />

worden. Für jene Legislatur wurde von der<br />

Fraktion unter Johannes Kahrs und Karl-<br />

Heinz Brunner auch ein diesbezüglicher<br />

Kick-off-Event mit Verbänden wie VelsPol<br />

(Verband queerer Polizisten) und dem<br />

Lesben und Schwulenverband Deutschland<br />

(LSVD) gestartet.<br />

Seit dem ist von der Regierung zum Thema<br />

queerfeindliche Hassverbrechen nur noch<br />

über die einmal jährlich und nur auf Anfrage<br />

der Opposition veröffentlichten Zahlen in<br />

Ergänzung zur Kriminalstatistik zu hören.<br />

Sie sind bis heute nur ein Flickwerk aus<br />

den validen Zahlen der Hauptstadt Berlin,<br />

wo seit 2012 konsequent gezählt und<br />

veröffentlicht wird, plus „was so anfällt“ aus<br />

den 14 weiteren Bundesländern. Dennoch<br />

stiegen die gemeldeten homo-und<br />

transphob motivierten Straftaten in 2019<br />

im Vergleich zu 2018 um mehr als 60<br />

Prozent – bei Gewalttaten sogar um fast 70<br />

Prozent.<br />

„SCHWULE KLATSCHEN“ BLEIBT AUCH<br />

2020 HASSVERBRECHEN 2. KLASSE<br />

Als das neueste Gesetz zur Bekämpfung<br />

von Hassverbrechen, sich im <strong>Januar</strong> 2020<br />

auch wieder nur gegen Antisemitismus<br />

und Rechtsextremismus richtete, platzte<br />

dem LSVD der Kragen:<br />

„Noch nie hat Bundesinnenminister<br />

Seehofer eine homophobe oder<br />

transfeindliche Gewalttat explizit<br />

öffentlich verurteilt. Es gibt keinerlei<br />

Maßnahmenprogramm. Dabei<br />

geschehen homophobe und transfeindliche<br />

Gewalttaten tagtäglich<br />

in Deutschland. Seit Jahren weigert<br />

sich die Große Koalition, bei der<br />

von ihr eingeführten Bestimmung<br />

zur Hasskriminalität im deutschen<br />

Strafrecht homophobe und<br />

transfeindliche Motive im Gesetz<br />

ausdrücklich zu benennen. Auch<br />

beim neuesten Gesetzesvorhaben<br />

von Bundesjustizministerin<br />

Lambrecht zur Bekämpfung des<br />

Rechtsextremismus und der Hasskriminalität<br />

bleiben Homophobie und<br />

Transfeindlichkeit im Gesetzestext<br />

erneut ausgegrenzt.“<br />

LSVD im <strong>Februar</strong> 2020<br />

FOTO: PHILIPP GRAFE<br />

Dass es am 1. November 2020 wenigstens ein sichtbares Zeichen<br />

des Gedenkens und damit Sichtbarkeit für das tödliche Problem<br />

Homosexuellenhass gab, war kein Verdienst von Politik und<br />

Verwaltung, sondern des CSD Dresden, des CSD Deutschland e. V.<br />

und der Bundesstiftung Magnus Hirschfeld. Wir fragten bei CSD<br />

Dresden Vorstandsmitglied Ronald Zenker nach, wie es dazu kam<br />

und was noch kommen muss.<br />

Wer hatte die Idee für die Mahnwache?<br />

Wir hatten eine Art Vorahnung, dass sich die Politik vielleicht nicht<br />

wie von uns als Queeraktivist*innen erwartet engagiert. Darum<br />

haben wir neben einem offenen Brief an die Stadt Dresden, das<br />

Land Sachsen die Bundesregierung und Bundespräsident Steinmeier<br />

auch eine Mahnwache angekündigt und vorgeschlagen, die<br />

Regenbogenfahne am Dresdner Rathaus auf Halbmast zu hängen.<br />

Stattdessen wurde es jetzt ein leuchtendes Zeichen direkt am<br />

Tatort des Verbrechens. Die Zusammenarbeit mit der Stadt war<br />

nicht zu beanstanden und ich freue mich auch, dass mit dem<br />

stellvertretenden Ministerpräsidenten Martin Dulig (SPD) und dem<br />

Ersten Bürgermeister Detlef Sittel (CDU) auch Stadt und Land

Hurra! Ihre Datei wurde hochgeladen und ist bereit für die Veröffentlichung.

Erfolgreich gespeichert!

Leider ist etwas schief gelaufen!