Leo Januar/Februar 2021
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20 STADTGESPRÄCH<br />
150 JAHRE<br />
UNRECHTSPARAGRAF 175<br />
STRAFGESETZBUCH<br />
2022 jährt sich die Einführung<br />
des Paragrafen 175 im<br />
gesamten Deutschen Reich zum<br />
150. Mal. Dieser Paragraf – von den<br />
Nazis verschärft und dann bis 1969<br />
in der Bundesrepublik unverändert<br />
weiter gültig –, war für das Leid<br />
zigtausender Männer und Frauen<br />
verantwortlich. Erst 1994 wurde<br />
er endgültig gestrichen, erst 2017<br />
wurden die bundesdeutschen Opfer<br />
des § 175 rehabilitiert, erst 2018 bat<br />
Bundespräsident Frank Walter<br />
Steinmeier sie um Vergebung.<br />
Diese Ausgabe der blu will nichts anderes<br />
als aufklären, Folgen benennen und<br />
endlich eine Reaktion des Bundestagspräsidiums<br />
hervorrufen, um ein würdevolles<br />
und angemessenes Gedenken im für die<br />
Verfolgung verantwortlichen deutschen<br />
Parlament zu erreichen.<br />
GEDENKEN UND DER LANGE<br />
ATEM DES § 175<br />
Seit 1997 ist der 27. <strong>Januar</strong> als „Tag des<br />
Gedenkens an die Opfer des Nationalsozialismus“<br />
ein gesetzlich verankerter,<br />
bundesweiter Gedenktag. 2005 erklärten<br />
die Vereinten Nationen den 27. <strong>Januar</strong><br />
FOTO: MANFRED BRUECKELS / CC BY-SA 3.0 / WIKIMEDIA<br />
zusätzlich zum „Internationalen Tag des<br />
Gedenkens an die Opfer des Holocaust“.<br />
Seit 22 Jahren sind dort Angehörige und<br />
Opfer des Nationalsozialismus zu Wort<br />
gekommen, dreimal wurde thematisch an<br />
einzelne Opfergruppen erinnert: 2011 an<br />
Roma und Sinti, 2016 an Zwangsarbeiter<br />
sowie 2017 an Behinderte und Euthanasieopfer.<br />
Der homosexuellen Opfer des §<br />
175 ist bisher nicht gesondert gedacht<br />
worden, kein Redner erzählte von seiner<br />
schwulen Verfolgungsgeschichte.<br />
Das verwundert nicht und erschreckt<br />
dennoch: Die staatliche Verfolgung<br />
Homosexueller unter dem von den Nationalsozialisten<br />
verschärften § 175, ging in<br />
der Bundesrepublik bis 1969 unverändert<br />
weiter. Bis 2017 waren Bürger, die bis 1994<br />
nach $175 des Strafgesetzbuches, also<br />
wegen homosexueller Handlungen, angeklagt<br />
und verurteilt wurden, vorbestraft,<br />
und eventuell geoutet, ihren Job und die<br />
Karriere los. Der Rosa Winkel sah in der<br />
BRD nur nicht mehr wie einer aus.