Leo Januar/Februar 2021
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22 STADTGESPRÄCH<br />
FOTO: DEUTSCHER BUNDESTAG / ACHIM MELDE<br />
onalen Auschwitz-Komitee, dem Lesbenund<br />
Schwulenverband Deutschland sowie<br />
Historiker*innen aus dem In- und Ausland<br />
und von vier der fünf Bundestagsvizepräsidenten<br />
(die Vertreter von SPD, Grünen,<br />
FDP und DIE LINKE) unterstützt wird.<br />
Hieß es aus dem Bundestagspräsidium<br />
2018 noch, die von der Initiative<br />
angedachte Umsetzung 2019 sei nicht<br />
realisierbar, weil die Planungen schon<br />
fortgeschritten seien, ist zum neuen<br />
Vorschlag, <strong>2021</strong> tätig zu werden, von Wolfgang<br />
Schäuble Folgendes an die Initiative<br />
von van Dijk übermittelt worden: Er sehe<br />
zum gegenwärtigen Zeitpunkt „keine<br />
Veranlassung“, sich bereits jetzt mit den<br />
Planungen der Gedenkfeier für das Jahr<br />
<strong>2021</strong> zu befassen. Lutz van Dijk versprach,<br />
nicht lockerzulassen.<br />
175ER – AUCH <strong>2021</strong><br />
TOTGESCHWIEGEN!<br />
Es war ein weiterer Tiefschlag. In nur drei<br />
Zeilen und zugestellt nicht mal persönlich,<br />
sondern durch den Protokollchef<br />
des Bundestages, ließ<br />
man die Petition von<br />
Historiker Lutz von<br />
Dijk und inzwischen<br />
170 prominenten<br />
Unterzeichner*innen<br />
für ein Erinnern an die<br />
homosexuellen NS-<br />
Opfer im Bundestag ein<br />
weiteres Mal abblitzen.<br />
Entsprechend enttäuscht die<br />
Reaktion des Petitionsteams:<br />
„Gleichwohl bedauern wir sehr, dass<br />
Sie sich (wie Herr Dr. Brissa formuliert)<br />
als ‚Präsidium des Deutschen Bundestages<br />
nach reiflicher Abwägung‘ dafür<br />
entschieden haben ‚ein Jubiläumsjahr...<br />
ins Licht zu stellen‘, das das ganze Jahr<br />
Aufmerksamkeit erhalten sollte – und<br />
damit gegen die anerkennende Wahrnehmung<br />
einer Verfolgtengruppe,<br />
die immer wieder Diskriminierungen<br />
auch bei uns in Europa ausgesetzt<br />
ist und in den meisten Teilen der Welt<br />
selbst Folter, Haft und Todesstrafe<br />
erleiden müssen. Wie mutig wäre ein<br />
Zeichen von Ihnen hier gewesen! Wir<br />
werden nicht aufgeben, so u. a. auch<br />
gemeinsam mit unseren polnischen<br />
Nachbarn, wo erst vor kurzem ein<br />
Drittel des Landes zu LGBT-freien<br />
Zonen erklärt wurde, so selbst auch im<br />
Staatlichen Museum Auschwitz, unser<br />
Bemühen um aufrichtige Erinnerung<br />
fortzusetzen.“<br />
150 JAHRE UNRECHTSPARAGRAF 175 –<br />
WANN, WENN NICHT DANN?<br />
Die Lesben und Schwulen in der<br />
Union (LSU) machten neben ihrer<br />
Enttäuschung und ihrem Unmut<br />
über die nun auch <strong>2021</strong> fortgeschriebene<br />
Unsichtbarmachung<br />
von queeren Opfern des Nationalsozialismus<br />
auf einen historischen<br />
Tatbestand aufmerksam, der nun<br />
zum Lackmustest für die Ernsthaftigkeit<br />
des Bedauerns der Bundesrepublik<br />
werden wird:<br />
2022 jährt sich die Einführung des Paragrafen<br />
175 im Strafgesetzbuch das 150. Mal.<br />
2022 muss dieses Parlament einen endgültigen<br />
Schlusspunkt unter das Totschweigen<br />
der Gruppe sexueller Minderheiten unter<br />
den Opfern des Nationalsozialismus<br />
und unter seine eigene diesbezügliche<br />
Geschichte und Verdrängungsmechanik<br />
setzen.<br />
„Ich persönlich lege meine Hoffnung<br />
nun auf das Jahr 2022. [...] Allen Menschen,<br />
die unter diesem Paragraphen –<br />
und besonders seit seiner Verschärfung<br />
unter den Nationalsozialisten – leiden<br />
mussten, und allen, denen als Angehörige<br />
einer sexuellen Minderheit in diesen<br />
Jahren großes Unrecht geschehen<br />
ist, ist das Parlament eine Antwort<br />
durch bewusstes Erinnern schuldig. Ich<br />
appelliere daher an das Bundestagspräsidium,<br />
sich bewusst zu machen,<br />
dass das Herz nicht schweigen kann.<br />
‚Es gibt kein Ende des Erinnerns‘ hat der<br />
Bundespräsident dieses Jahr betont.<br />
Bei den homosexuellen Opfern hätte<br />
dagegen zum ersten Mal ein Anfang des<br />
bewussten Erinnerns gemacht werden<br />
können. Ein längst überfälliger Anfang<br />
und für die Überlebenden ein Anfang<br />
vom Ende ihrer im Erinnern nach wie vor<br />
antastbar gebliebenen Würde.“<br />
Dem ist nichts hinzuzufügen.<br />
Alexander Vogt,<br />
Bundesvorsitzender der LSU