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Leo Januar/Februar 2021

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GESUNDHEIT<br />

Etwa ein Drittel der HIV-Diagnosen<br />

erfolgt erst, wenn bereits eine schwere<br />

Erkrankung auftritt. Leicht zugängliche<br />

Testangebote und Testkampagnen<br />

haben in den letzten Jahren bereits dafür<br />

gesorgt, dass in Großstädten die Zahl der<br />

schwulen und bisexuellen Männer, die<br />

frühzeitig von ihrer Infektion erfahren,<br />

gestiegen ist. Die Zahl der Spätdiagnosen<br />

ist in dieser Gruppe gesunken. Dennoch<br />

haben 1.100 Menschen pro Jahr Aids<br />

bekommen oder erleiden einen schweren<br />

Immundefekt, obwohl es vermeidbar<br />

gewesen wäre. Denn: Je früher aber eine<br />

HIV-Infektion erkannt wird, desto weniger<br />

bleibende Schäden verursacht sie. Und:<br />

Weil behandelte HIV-Positive das Virus<br />

unmöglich weiter geben können, wird<br />

sozusagen als Nebeneffekt die Übertragungskette<br />

unterbrochen. Testangebote<br />

sind ein immer wichtiger werdendes<br />

Standbein der HIV-Prävention. Und dieses<br />

Standbein wackelt. Wegen Corona.<br />

„Es wäre möglich, deutlich mehr<br />

HIV-Infektionen und schwere<br />

Erkrankungen zu verhindern. Nun<br />

drohen stattdessen Rückschritte und<br />

Schäden, weil die Corona-Pandemie<br />

Lücken bei den Testangeboten reißt.“<br />

Sven Warminsky<br />

vom Vorstand der DAH<br />

CORONA VERHINDERT HIV-TESTS<br />

Durch die Maßnahmen gegen Covid-19<br />

sind vor allem die anonymen Testangebote<br />

stark eingeschränkt. Die vielerorts<br />

einzigen Testmöglichkeiten in den<br />

Gesundheitsämtern haben aufgrund von<br />

Überlastung zurzeit Tests auf HIV und<br />

Geschlechtskrankheiten ausgesetzt.<br />

Aidshilfen und die Checkpoints gleichen<br />

diesen Mangel normalerweise teilweise<br />

aus, aber auch ihre Testangebote sind<br />

stark beeinträchtigt. Zusätzlich stehen<br />

sie unter teilweise enormem finanziellen<br />

Druck, weil ausfallende CSDs<br />

und Fundraising-Aktivitäten<br />

die Spendeneinnahmen<br />

einbrechen lassen. Und<br />

nicht nur das: Laut DAH<br />

ist die Finanzierung<br />

der Testangebote in<br />

Aidshilfen in vielen<br />

Städten gefährdet: Die<br />

Kommunen wollen sie<br />

im nächsten Jahr nicht<br />

wieder zur Verfügung stellen oder<br />

kürzen. Sven Warminsky:<br />

„Um Aids-Erkrankungen und HIV-<br />

Neuinfektionen weiter zu reduzieren,<br />

dürfen keine Testangebote wegfallen,<br />

sie müssen vielmehr weiter ausgebaut<br />

werden. Hier stehen Länder und<br />

Kommunen in der Verantwortung.“<br />

HIV-NEUINFEKTIONEN VON 1975 BIS 2019<br />

4000<br />

3000<br />

2000<br />

1000<br />

SYPHILIS-INFEKTIONEN VON 1970 BIS 2019<br />

10000<br />

7500<br />

5000<br />

2500<br />

QUELLE: RKI<br />

1975 1980 1985 1990 1995 2000 2005 2010 2015 2019<br />

MSM IVD Hetero<br />

1971 1976 1981 1986 1991 1996 2001 2006<br />

MEHR SELBSTTESTS WAGEN!<br />

Wie Leser*innen dieses Magazins<br />

vielleicht wahrgenommen haben, ist<br />

eine Maßnahme, die das RKI empfiehlt,<br />

Selbsttests stärker zu bewerben<br />

und Angebote von Einsendetests<br />

auszuweiten. Das Kooperationsprojekt<br />

s.a.m health von Deutscher Aidshilfe,<br />

Münchner Aids-Hilfe, Labor Lademannbogen<br />

und ViiV Healthcare ist<br />

inzwischen deutschlandweit<br />

verfügbar und ermöglicht es<br />

erstmals jedem in einem<br />

selbstgewähltem Rhythmus<br />

einen Test auf HIV,<br />

Syphilis, Chlamydien und<br />

Gonorrhö (Tripper) bequem<br />

zuhause durchzuführen. Die<br />

Ergebnisse gibt’s per Telefon/<br />

SMS und das ganze ist ab 32<br />

Euro unschlagbar günstig zu haben.<br />

www.samhealth.de<br />

FOTO: FREEPIK<br />

PREP FÜR ALLE!<br />

Die medikamentöse HIV-Prophylaxe<br />

PrEP muss nach Ansicht der DAH noch<br />

bekannter und vor allem allen Menschen<br />

zugänglich gemacht werden, für die sie<br />

in Frage kommt. Rund 17.500 Menschen<br />

Gesamt Männer Frauen<br />

QUELLE: RKI<br />

2011 2016 2019<br />

Die Steigerungen bei den Syphiliszahlen lassen viel Platz für Interpretation.<br />

Mehr dazu unter männer.media/gesundheit!<br />

nutzen nach DAH-Schätzungen bisher<br />

diese Schutzmethode. Das ist ein Erfolg,<br />

doch es könnten noch deutlich mehr sein.<br />

In kleineren Städten und ländlichen Regionen<br />

gibt es teilweise keine Möglichkeit, sich<br />

die PrEP verschreiben zu lassen. Und so<br />

vermerkt auch das RKI in seinem Bulletin,<br />

dass ein Effekt der PrEP auf die Neuinfektionszahlen<br />

bisher nicht nachzuweisen ist.<br />

Deshalb kommentiert die DAH:<br />

„Wir haben auf einen weiteren<br />

Rückgang der Zahlen gehofft.<br />

Immerhin zahlen seit letztem Jahr die<br />

Gesetzlichen Krankenkassen für die<br />

HIV-Prophylaxe PrEP und immer mehr<br />

Menschen mit HIV erhalten früh eine<br />

Therapie. Doch die Möglichkeiten der<br />

Prävention in Deutschland werden<br />

bisher nicht voll ausgeschöpft. Es ist<br />

dringend an der Zeit, alle wirksamen<br />

Methoden auch allen Menschen mit<br />

HIV-Risiken anzubieten.“<br />

<strong>2021</strong> wird zeigen, ob und wie der<br />

erfolgreiche deutsche Weg in der HIV-<br />

Prävention fortgesetzt wird. Gefordert<br />

sind alle, denn HIV ist und bleibt eine<br />

gesamtgesellschaftliche Aufgabe. *ck

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