antriebstechnik 1-2/2021
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STANDPUNKT<br />
GEFÄLSCHTE WÄLZLAGER:<br />
DAS RISIKO BLEIBT<br />
Die Verbreitung von Wälzlager-Plagiaten ist ein zunehmendes<br />
Ärgernis für seriöse Hersteller und Anwender gleichermaßen,<br />
beklagt Dr. Ulrich Nass, CEO des Wälzlagerherstellers NSK Europe.<br />
Nicht nur kleine Standard-Wälzlager, sondern auch große<br />
Wälzlager aus dem Hochleistungsbereich seien inzwischen<br />
betroffen. Doch es gibt Möglichkeiten sich zu schützen, sagt Nass.<br />
Das Szenario, mit dem die Techniker<br />
in unserem European<br />
Technology Center regelmäßig<br />
konfrontiert werden, folgt einem<br />
bekannten Muster: Ein Maschinenbauer<br />
oder ein Anwender von Maschinen hat ein<br />
vermeintliches NSK-Wälzlager verbaut,<br />
das innerhalb kürzester Zeit ausfällt.<br />
Manchmal stellt der Anwender selbst fest,<br />
dass es sich um ein Plagiat handelt – zum<br />
Beispiel wenn das häufiger verwendete<br />
Lager nur sieben statt acht Kugeln hat,<br />
wenn die Verpackung anders gestaltet ist<br />
oder wenn die Kennzeichnung fehlt.<br />
Manchmal aber sind die Anwender nach<br />
der Begutachtung des Lagers durch NSK<br />
überrascht, dass sie unwissentlich eine<br />
Fälschung erworben haben.<br />
NSK engagiert sich weltweit gegen solche<br />
Wälzlagerplagiate – zum Beispiel durch<br />
gerichtliche Verfolgung der Fälscherwerkstätten,<br />
die sich hauptsächlich in China<br />
befinden, und durch Aufklärung der<br />
Anwender hierzulande.<br />
Das Problem ist in den vergangenen Jahren<br />
nicht kleiner geworden – im Gegenteil. Es<br />
betrifft zunehmend nicht nur kleinere<br />
Standardwälzlager, sondern auch Hochleistungslager<br />
und größere Wälzlager für<br />
spezielle Einsatzfälle. Die Fälscher<br />
verhalten sich also genau wie „normale“<br />
Marktteilnehmer und erschließen sich<br />
neue Anwendungsfelder. Aus Sicht des<br />
Anwenders ist hier das Schadenspotenzial<br />
nochmals größer, weil der Aufwand für den<br />
Lageraustausch deutlich höher ist.<br />
Lohnenswert ist der Einsatz von Plagiaten<br />
übrigens nie, denn sie erreichen nicht<br />
annähernd die Leistungsdaten und die<br />
Lebensdauer von Markenlagern. Sie werden<br />
aus minderwertigen Werkstoffen auf meist<br />
veralteten Maschinen hergestellt. Ziel der<br />
Fälscher ist es nur, einen optischen Zwilling<br />
zu erzeugen; die vom Anwender erwarteten<br />
Funktionen der Originallager spielen kaum<br />
eine Rolle. Nach unseren Erfahrungen kann<br />
der Unterschied in der Gebrauchsdauer bis<br />
zum Faktor 20 betragen.<br />
Aus Sicht von NSK sind die Plagiate ein<br />
Ärgernis, weil sie unseren guten Ruf als<br />
Hersteller hochwertiger und langlebiger<br />
Wälzlager schädigen. Den Anwendern<br />
entsteht Schaden, weil die minderwertigen<br />
Lager Maschinenstillstände verursachen<br />
und daraufhin schnell ausgetauscht und<br />
durch Markenprodukte ersetzt werden müssen.<br />
Je nach Anwendung birgt der Einsatz<br />
der gefälschten Lager auch erhebliche<br />
Sicherheitsrisiken. Es profitiert also letztlich<br />
niemand – außer den Fälschern.<br />
Im Umkehrschluss heißt das aber:<br />
Hersteller und Anwender sind gleichermaßen<br />
daran interessiert, dass Markenwälzlager<br />
eingesetzt werden. Wie können<br />
sich die Anwender diesem Ziel nähern?<br />
Hier gibt es einige ganz einfache Maßnahmen.<br />
Zum Beispiel gehört dazu der Kauf<br />
bei vertrauenswürdigen Quellen, am<br />
besten bei den zertifizierten Distributoren<br />
der bekannten Markenhersteller.<br />
Auch die Prüfung der Verpackung und der<br />
Lager selbst sollte zur Gewohnheit werden:<br />
Gibt es Auffälligkeiten? Ist die Kennzeichnung<br />
vorhanden? Diese Prüfung kann<br />
DIE FÄLSCHER<br />
VERHALTEN SICH<br />
GENAU WIE<br />
‚NORMALE‘ MARKT-<br />
TEILNEHMER UND<br />
ERSCHLIESSEN<br />
SICH NEUE<br />
ANWENDUNGS-<br />
FELDER<br />
Dr. Ulrich Nass ist CEO bei<br />
NSK Europe Ltd.<br />
auch sinnvoll sein, wenn externe Servicebetriebe<br />
Wälzlager austauschen. Hilfreich<br />
ist auch die „Verify“-App von NSK. Durch<br />
Scannen des 2D-Barcodes auf der Verpackung<br />
lässt sich feststellen, ob das Lager<br />
echt ist. Die World Bearings Association<br />
(WBA) hat eine ganz ähnliche, aber<br />
herstellerneutrale und ebenfalls kostenlose<br />
App entwickelt.<br />
Diese Tools sollten Wälzlager-Anwender<br />
nutzen. Und sie sollten wachsam sein,<br />
denn trotz aller Bemühungen kommen<br />
auch in Deutschland immer noch gefälschte<br />
Wälzlager auf den Markt. Das Risiko<br />
bleibt also, aber es kann minimiert werden.<br />
www.nskeurope.de<br />
6 <strong>antriebstechnik</strong> <strong>2021</strong>/01-02 www.<strong>antriebstechnik</strong>.de