antriebstechnik 1-2/2021
antriebstechnik 1-2/2021
antriebstechnik 1-2/2021
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19174<br />
01-02 FEBRUAR <strong>2021</strong><br />
Organ der Forschungsvereinigung Antriebstechnik e.V.<br />
ELEKTROZYLINDER<br />
Hohe Verfahrgeschwindigkeit und Kraft<br />
<strong>antriebstechnik</strong>.de
WISSEN SCHAFFT IDEEN<br />
19174<br />
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ausgewählten Unternehmen genutzt, um Sie über berufsbezogene Produkte und Dienstleistungen zu informieren. Dieser Speicherung und Nutzung kann jederzeit schriftlich beim<br />
Verlag widersprochen werden (vertrieb@vfmz.de).<br />
Vereinigte Fachverlage GmbH . Vertrieb . Postfach 10 04 65 . 55135 Mainz<br />
Telefon: 06131/992-0 . Telefax: 06131/992-100 . E-Mail: vertrieb@vfmz.de . Internet: vereinigte-fachverlage.de<br />
„Marktübersicht <strong>antriebstechnik</strong>“ ist eine Publikation der Vereinigten Fachverlage GmbH, Lise-Meitner-Straße 2, 55129 Mainz,<br />
HRB 2270, Amtsgericht Mainz, Geschäftsführer: Dr. Olaf Theisen, Matthias Niewiem, Umsatzsteuer-ID: 149063659, Gerichtsstand: Mainz
EDITORIAL<br />
WIDERSPRÜCHLICHE SIGNALE<br />
Liebe Leserinnen, liebe Leser,<br />
vor wenigen Wochen noch waren die Aussichten<br />
für das Jahr <strong>2021</strong> sehr positiv. Impfstoffe gegen<br />
das Corona-Virus wurden zugelassen. Der VDMA<br />
meldete im November fünf Prozent mehr<br />
Auftragseingänge als im November 2019.<br />
Unternehmen kündigten uns bemerkenswerte<br />
Neuheiten für das nächste Jahr an. Die Auftragsbücher<br />
der Industrie wuchsen im siebten Monat in<br />
Folge, wie eine Befragung der Agentur Reuters im<br />
Januar <strong>2021</strong> ergab. Und Messeveranstalter<br />
strahlten eine große Zuversicht aus, Messen bald<br />
wieder mit persönlichem Kontakt auszurichten.<br />
Inzwischen haben sich einige der Erwartungen<br />
zerschlagen. Pandemie-Maßnahmen wurden<br />
wieder strenger und trotz Impfungen ist ein Ende<br />
noch nicht in Sicht. Die Hannover Messe gab kurz<br />
vor Weihnachten bekannt, nur als digitales Event<br />
über die Bühne zu gehen. Die Fachmesse Interpack<br />
fällt gleich komplett aus. In solchen Zeiten<br />
gewinnen Fachzeitschriften an Bedeutung.<br />
Wir informieren Sie in unserem Special ab Seite 32<br />
ausführlich über Antriebstechnik in Verpackungsmaschinen.<br />
Und was Messen angeht, haben wir<br />
auf Seite 8 Branchenstimmen gesammelt. Ich bin<br />
trotz allem gespannt auf <strong>2021</strong> und freue mich<br />
darauf, Ihnen bald wieder persönlich zu begegnen.<br />
Ihr<br />
Miles Meier<br />
m.meier@vfmz.de<br />
THE GEAR COMPANY<br />
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www.<strong>antriebstechnik</strong>.de <strong>antriebstechnik</strong> <strong>2021</strong>/01-02 3
EDITORIAL<br />
03 Widersprüchliche Signale<br />
SOFTSTARTER<br />
06 Standpunkt: Gefälschte Wälzlager – Das Risiko bleibt<br />
07 Menschen, Unternehmen, Märkte<br />
08 Konkret Nachgefragt: Messen <strong>2021</strong><br />
14<br />
24<br />
ELEKTRISCHE ANTRIEBSTECHNIK<br />
LINEARTECHNIK<br />
10 TITEL Falzen mit Elektrozylindern<br />
ELEKTROMOTOREN<br />
14 Mit dem Rollstuhl auf die Rennstrecke<br />
18 Passende Motoren für die kunststoffverarbeitende<br />
Industrie<br />
DIREKTANTRIEBE<br />
22 Mikroantriebe mit großem Innovationspotenzial<br />
DREHGEBER<br />
24 Für unterschiedliche Anwendungen passgenau<br />
konfiguriert<br />
34<br />
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SEW-Eurodrive GmbH & Co KG,<br />
Bruchsal<br />
4 <strong>antriebstechnik</strong> <strong>2021</strong>/01-02 www.<strong>antriebstechnik</strong>.de
MECHANISCHE ANTRIEBSTECHNIK<br />
GETRIEBE UND GETRIEBEMOTOREN<br />
28 Flugzeugbauteile auf Herz und Nieren geprüft<br />
SPECIAL: ANTRIEBSTECHNIK IN<br />
VERPACKUNGSMASCHINEN<br />
32 Wenn der Antrieb zum Sensor wird<br />
34 Gute Führung ohne Schmierung<br />
36 Alles im Takt<br />
FORSCHUNG UND ENTWICKLUNG<br />
38 Auf dem Weg zur autonomen<br />
Werkzeugmaschine – mechatronische<br />
Dämpfungssysteme als Befähiger<br />
SERVICE<br />
43 Impressum<br />
MEIN TIPP<br />
Modifizierte Drehgeber<br />
kommen in den unterschiedlichsten<br />
Umgebungen<br />
zum Einsatz. In<br />
Gezeitenkraftwerken<br />
erfassen sie den Winkel<br />
der Unterwasser-Rotorblätter.<br />
Für Schiffspropeller<br />
ermitteln sie Position<br />
und Rotationsgeschwindigkeit.<br />
Welche Eigenschaften<br />
Drehgeber dafür<br />
mitbringen müssen, lesen<br />
Sie auf Seite 24.<br />
Ivo Greuloch, Redakteur,<br />
i.greuloch@vfmz.de<br />
DIE KUPPLUNG.<br />
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STANDPUNKT<br />
GEFÄLSCHTE WÄLZLAGER:<br />
DAS RISIKO BLEIBT<br />
Die Verbreitung von Wälzlager-Plagiaten ist ein zunehmendes<br />
Ärgernis für seriöse Hersteller und Anwender gleichermaßen,<br />
beklagt Dr. Ulrich Nass, CEO des Wälzlagerherstellers NSK Europe.<br />
Nicht nur kleine Standard-Wälzlager, sondern auch große<br />
Wälzlager aus dem Hochleistungsbereich seien inzwischen<br />
betroffen. Doch es gibt Möglichkeiten sich zu schützen, sagt Nass.<br />
Das Szenario, mit dem die Techniker<br />
in unserem European<br />
Technology Center regelmäßig<br />
konfrontiert werden, folgt einem<br />
bekannten Muster: Ein Maschinenbauer<br />
oder ein Anwender von Maschinen hat ein<br />
vermeintliches NSK-Wälzlager verbaut,<br />
das innerhalb kürzester Zeit ausfällt.<br />
Manchmal stellt der Anwender selbst fest,<br />
dass es sich um ein Plagiat handelt – zum<br />
Beispiel wenn das häufiger verwendete<br />
Lager nur sieben statt acht Kugeln hat,<br />
wenn die Verpackung anders gestaltet ist<br />
oder wenn die Kennzeichnung fehlt.<br />
Manchmal aber sind die Anwender nach<br />
der Begutachtung des Lagers durch NSK<br />
überrascht, dass sie unwissentlich eine<br />
Fälschung erworben haben.<br />
NSK engagiert sich weltweit gegen solche<br />
Wälzlagerplagiate – zum Beispiel durch<br />
gerichtliche Verfolgung der Fälscherwerkstätten,<br />
die sich hauptsächlich in China<br />
befinden, und durch Aufklärung der<br />
Anwender hierzulande.<br />
Das Problem ist in den vergangenen Jahren<br />
nicht kleiner geworden – im Gegenteil. Es<br />
betrifft zunehmend nicht nur kleinere<br />
Standardwälzlager, sondern auch Hochleistungslager<br />
und größere Wälzlager für<br />
spezielle Einsatzfälle. Die Fälscher<br />
verhalten sich also genau wie „normale“<br />
Marktteilnehmer und erschließen sich<br />
neue Anwendungsfelder. Aus Sicht des<br />
Anwenders ist hier das Schadenspotenzial<br />
nochmals größer, weil der Aufwand für den<br />
Lageraustausch deutlich höher ist.<br />
Lohnenswert ist der Einsatz von Plagiaten<br />
übrigens nie, denn sie erreichen nicht<br />
annähernd die Leistungsdaten und die<br />
Lebensdauer von Markenlagern. Sie werden<br />
aus minderwertigen Werkstoffen auf meist<br />
veralteten Maschinen hergestellt. Ziel der<br />
Fälscher ist es nur, einen optischen Zwilling<br />
zu erzeugen; die vom Anwender erwarteten<br />
Funktionen der Originallager spielen kaum<br />
eine Rolle. Nach unseren Erfahrungen kann<br />
der Unterschied in der Gebrauchsdauer bis<br />
zum Faktor 20 betragen.<br />
Aus Sicht von NSK sind die Plagiate ein<br />
Ärgernis, weil sie unseren guten Ruf als<br />
Hersteller hochwertiger und langlebiger<br />
Wälzlager schädigen. Den Anwendern<br />
entsteht Schaden, weil die minderwertigen<br />
Lager Maschinenstillstände verursachen<br />
und daraufhin schnell ausgetauscht und<br />
durch Markenprodukte ersetzt werden müssen.<br />
Je nach Anwendung birgt der Einsatz<br />
der gefälschten Lager auch erhebliche<br />
Sicherheitsrisiken. Es profitiert also letztlich<br />
niemand – außer den Fälschern.<br />
Im Umkehrschluss heißt das aber:<br />
Hersteller und Anwender sind gleichermaßen<br />
daran interessiert, dass Markenwälzlager<br />
eingesetzt werden. Wie können<br />
sich die Anwender diesem Ziel nähern?<br />
Hier gibt es einige ganz einfache Maßnahmen.<br />
Zum Beispiel gehört dazu der Kauf<br />
bei vertrauenswürdigen Quellen, am<br />
besten bei den zertifizierten Distributoren<br />
der bekannten Markenhersteller.<br />
Auch die Prüfung der Verpackung und der<br />
Lager selbst sollte zur Gewohnheit werden:<br />
Gibt es Auffälligkeiten? Ist die Kennzeichnung<br />
vorhanden? Diese Prüfung kann<br />
DIE FÄLSCHER<br />
VERHALTEN SICH<br />
GENAU WIE<br />
‚NORMALE‘ MARKT-<br />
TEILNEHMER UND<br />
ERSCHLIESSEN<br />
SICH NEUE<br />
ANWENDUNGS-<br />
FELDER<br />
Dr. Ulrich Nass ist CEO bei<br />
NSK Europe Ltd.<br />
auch sinnvoll sein, wenn externe Servicebetriebe<br />
Wälzlager austauschen. Hilfreich<br />
ist auch die „Verify“-App von NSK. Durch<br />
Scannen des 2D-Barcodes auf der Verpackung<br />
lässt sich feststellen, ob das Lager<br />
echt ist. Die World Bearings Association<br />
(WBA) hat eine ganz ähnliche, aber<br />
herstellerneutrale und ebenfalls kostenlose<br />
App entwickelt.<br />
Diese Tools sollten Wälzlager-Anwender<br />
nutzen. Und sie sollten wachsam sein,<br />
denn trotz aller Bemühungen kommen<br />
auch in Deutschland immer noch gefälschte<br />
Wälzlager auf den Markt. Das Risiko<br />
bleibt also, aber es kann minimiert werden.<br />
www.nskeurope.de<br />
6 <strong>antriebstechnik</strong> <strong>2021</strong>/01-02 www.<strong>antriebstechnik</strong>.de
SOFTSTARTER<br />
VERÄNDERUNGEN IN DER GESCHÄFTSFÜHRUNG BEI EBM-PAPST<br />
Stefan Brandl (l.), 52, Vorsitzender der Geschäftsführung der<br />
ebm-papst Gruppe, hat sich entschlossen, das Unternehmen zum<br />
30. Juni <strong>2021</strong> zu verlassen, um eine neue berufliche Herausforderung<br />
als Vice Chairman der Dräxlmaier Group anzunehmen.<br />
Ab 1. Juli <strong>2021</strong> wird Thomas Wagner (m.), seit 2002 Geschäftsführer<br />
Produktion und stv. Vorsitzender der Geschäftsführung der<br />
ebm-papst Gruppe, den Vorsitz der Geschäftsführung übernehmen.<br />
Thomas Nürnberger (r), seit 2016 CEO von ebm-papst China, wird<br />
ab 1. April <strong>2021</strong> in der Gruppengeschäftsführung das Vertriebsressort<br />
verantworten.<br />
Stefan Brandl hat bei ebm-papst in über 30 Jahren in verantwortlichen<br />
Positionen, zuletzt als CEO, gearbeitet. Unter seiner Führung wurde durch die Umsetzung der „one“-Strategie aus drei dezentral<br />
geführten Einheiten ein starker Unternehmensverbund mit klarem Fokus auf die Wachstumsmärkte China und Nord-Amerika.<br />
Bild: ebm-papst/Phillip Reinhard<br />
www.ebmpapst.com<br />
EIN JAHR INTORQ BEI<br />
KENDRION: EINE<br />
POSITIVE BILANZ<br />
Japanese quality – trusted worldwide since 1921<br />
Ein Jahr nach der Übernahme des<br />
Bremsenspezialisten Intorq durch<br />
die niederländische Kendrion-<br />
Gruppe fällt die Bilanz positiv aus.<br />
Aus den beiden Unternehmen sei<br />
trotz Corona-Einschränkungen<br />
ein gutes Team geworden. Die<br />
Marke Intorq gehört nun zur neu<br />
geschaffenen Geschäftseinheit<br />
Industrial Brakes bei Kendrion.<br />
Bisher war die Einheit Industrial<br />
Drive Systems auf Permanentmagnetbremsen<br />
spezialisiert. Durch<br />
den Zusammenschluss ist nun ein<br />
Komplettanbieter für elektromagnetische<br />
Bremsen, Federkraftbremsen<br />
und Kupplungen<br />
entstanden. Zwar hätten die<br />
pandemiebedingten Kontaktbeschränkungen<br />
das Kennenlernen<br />
erschwert. Es hätten sich aber<br />
neue Wege der Kommunikation<br />
aufgetan, die schlussendlich zu<br />
einer verbesserten Effizienz in der<br />
Zusammenarbeit geführt hätten,<br />
berichtet Andreas Laschet (Bild),<br />
Director Industrial Brakes.<br />
„Obwohl wir Corona-bedingt<br />
Umsatzeinbrüche zu verzeichnen<br />
haben, werden wir doch in<br />
anderen Aspekten gestärkt aus<br />
dieser Krise hervorgehen.“<br />
www.intorq.com<br />
Bearings<br />
for productivity<br />
100 YEAR ANNIVERSARY<br />
1921<br />
•<br />
YEARS<br />
–<br />
<strong>2021</strong><br />
• CELEBRATING OUR<br />
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YEARS<br />
<strong>2021</strong><br />
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1921<br />
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SOFTSTARTER<br />
DIE SITUATION DER<br />
MESSEN AUS<br />
BRANCHENSICHT<br />
KONKRET<br />
NACHGEFRAGT<br />
DR. ANDREAS GRUCHOW<br />
Vice-President, European Chapter Chair des<br />
internationalen Messeverbands UFI und Mitglied des<br />
Vorstands der Deutschen Messe AG<br />
Das Messejahr 2020 war von<br />
großer Unsicherheit geprägt.<br />
Welche Messe stattfinden würde<br />
und in welchem Format war<br />
lange unklar. Tatsächlich wurden<br />
viele Messen rein digital<br />
durchgeführt. Es gab hybride<br />
Formen und Unternehmen<br />
schufen sich auch eigene,<br />
unabhängige Präsentationsplattformen.<br />
Viele freuten sich<br />
schon auf <strong>2021</strong> – aber nun ist<br />
auch die Hannover Messe schon<br />
als rein digitaler Event<br />
angekündigt. Wir haben bei<br />
Messeakteuren nachgefragt.<br />
Nach einem international sehr erfolgreichen Messejahr 2019 hat die<br />
Corona-Pandemie die Messebranche hart getroffen. Zwar wurden schnell<br />
tragfähige Hygienekonzepte erarbeitet, die auf elektronische Registrierung<br />
und Tracking sowie erhöhtem Hygienestandard und einer definierten<br />
Personendichte basieren. Aber Austeller und Besucher kamen nicht mehr zu<br />
normalen Messen, zum Teil wegen Reisebeschränkungen, aber auch aus<br />
wirtschaftlichen Gründen. Deshalb mussten digitale Events geschaffen<br />
werden. Die UFI hat ihre Mitgleider befragt. Das Ergebnis zeigt, dass<br />
physische Messen sehr wichtig sind. Dennoch gab es positive Effekte<br />
digitaler Messen, so hat sich etwa die Reichweite erhöht. Corona hat auch<br />
bei Messeunternehmen Digitalisierungsprozesse beschleunigt. Digitale<br />
Elemente werden Messen in Zukunft verstärkt begleiten. Messen werden<br />
auf Pandemielagen reagieren, indem sie digitale und physische<br />
Messeelemente wie mit einem Schieberegler gewichten werden.<br />
FRANK BLASE<br />
Geschäftsführer und Unternehmer<br />
bei der Igus GmbH<br />
SVEN KARPSTEIN<br />
Geschäftsführer<br />
bei KBK Antriebstechnik<br />
Aus meiner Sicht war das Messejahr 2020 sehr<br />
unbefriedigend. Wir nutzen Messen für den Kontakt mit<br />
Kunden, Lieferanten und die Beobachtung des Wettbewerbs.<br />
Das digitale Format hat da nicht viel mehr zu bieten als eine<br />
intensive Recherche im Internet. Überraschende<br />
Entdeckungen und Begegnungen bleiben im digitalen Umfeld<br />
aus. Wir haben den Kontakt zu unseren Kunden anders, aber<br />
trotz allem erfolgreich gepflegt. Virtuelle Messen haben mich<br />
daher nicht überzeugt. Ich hoffe, dass sich das Messeleben im<br />
Jahr <strong>2021</strong> schnell wieder normalisiert.<br />
Normalerweise wäre Igus 2020 auf 222 Messen und Kongressen<br />
weltweit vertreten gewesen, es waren dann nur 26. Wir haben<br />
schnell gehandelt und eine Lagerhalle bei uns in Köln zu einer<br />
echten Messe umgebaut und sie virtuell zum Kunden gebracht.<br />
Besucher können sie entweder selbst online begehen oder einen<br />
Termin mit einem technischen Verkaufsberater vereinbaren, der<br />
per Videochat und live vor Ort über die Messe führt. Diese<br />
Möglichkeit des Messebesuchs kommt gut bei unseren Kunden<br />
an und wir werden das Konzept fortführen. Andererseits ist der<br />
persönliche Austausch vor Ort und das Erleben der Produkte<br />
wichtig. Wie jedes Jahr haben wir dazu unseren mobilen<br />
Road-Show-Messestand eingesetzt. Jedoch fehlen uns die<br />
klassischen Messen mit den vielen persönlichen Gesprächen, die<br />
sich eben auch häufig aus der Spontaneität heraus ergeben. Eine<br />
Messe ist auch immer ein Forum, auf dem wir innerhalb kurzer<br />
Zeit Trends beobachten und auf „zufällige“ Ideen stoßen. Meiner<br />
Einschätzung nach wird es <strong>2021</strong> wenn möglich hybride Formate<br />
geben. Ich gehe davon aus, dass nur wenige Messen stattfinden,<br />
die Stände kleiner werden und sich neue Formate entwickeln.<br />
8 <strong>antriebstechnik</strong> <strong>2021</strong>/01-02 www.<strong>antriebstechnik</strong>.de
SOFTSTARTER<br />
SENSORIK- UND MESSTECHNIK-BRANCHE STABILISIERT SICH<br />
Nachdem die Sensorik und Messtechnik bis Mitte 2020 deutliche<br />
Verluste verzeichnete, lässt das 3. Quartal auf langsame Erholung<br />
hoffen. Die Auftragseingänge legten um 4 % zu, das stimmt die<br />
Branche optimistisch. Die Umsätze stiegen in dem Zeitraum um<br />
1 %, wie aus einer Umfrage des Branchenverbands AMA unter<br />
seinen 450 Mitgliedern hervorgeht. Erwartet hatten die Unternehmen<br />
zuvor ein Minus von 3 %. Bei den großen Unternehmen<br />
entwickelten sich die Umsätze der Zulieferer überproportional<br />
gut. Die Umsätze der Zulieferer in den Maschinenbau stagnierten,<br />
die der Automobilzulieferer stabilisieren sich langsam. Der<br />
Anteil der Unternehmen, die im 3. Quartal Kurzarbeit einführten<br />
oder beibehielten, lag bei 58 %. Hier zeigten sich die Zulieferer in<br />
die Automobilindustrie, die zu 80 % in Kurzarbeit sind, als besonders betroffen. Bei einem Viertel der Befragten wurden pandemiebedingt<br />
die Lieferketten unterbrochen, und 42 % davon fanden keinen adäquaten Ersatz.<br />
www.ama-sensorik.de<br />
BOSCH REXROTH: DR. STEFFEN HAACK IN VORSTAND BERUFEN<br />
Bosch Rexroth ordnet seinen Vorstand neu. Dr. Steffen Haack (54) hat ab 1. Januar den Bereich<br />
Entwicklung übernommen. Seine Aufgaben umfassen die Entwicklungsaktivitäten des Unternehmens<br />
sowie die Verantwortung für die drei Produktbereiche der industriellen Hydraulik. Seine Aufgabe als<br />
Leiter der Business Unit Industriehydraulik behält Haack bei. Haack stieg nach seiner Promotion auf<br />
dem Gebiet der Fluidtechnik 1996 bei Bosch ein. Seit 2017 führt Haack den Produktbereich Industrial<br />
Hydraulik. Die Verantwortung für die Fabrikautomation wird im Vorstand Dr. Marc Wucherer (51)<br />
zugeordnet – also die drei Produktbereiche Automation and Electrification Solutions, Assembly<br />
Technology und Linear Motion Technology.<br />
www.boschrexroth.com<br />
Der Eiffelturm in Paris (Frankreich), der Heimat<br />
unseres Tochterunternehmens Binder magnetic.<br />
BRECOFLEXmove BRECOprotect BRECOFLEXgreen BRECObasic
LINEARTECHNIK<br />
TITEL<br />
10 <strong>antriebstechnik</strong> <strong>2021</strong>/01-02 www.<strong>antriebstechnik</strong>.de
TITEL<br />
LINEARTECHNIK<br />
AUTOMATISIERTE BÖRDELMASCHINE<br />
FALZEN MIT<br />
ELEKTROZYLINDERN<br />
Um Fügeprozesse zu verbessern,<br />
hat die Firma Ruegenberg eine<br />
Doppelfalztechnologie mit Servotechnik<br />
entwickelt. Die automatisierte<br />
Bördelmaschine führt Positionier- und<br />
Schließbewegungen mit Elektrozylindern<br />
von SEW-Eurodrive aus. Die Falzungen<br />
weisen dadurch eine bessere Haltbarkeit<br />
auf und haben keine gefährlichen<br />
Schnittkanten mehr.<br />
Gunthart Mau ist Referent Fachpresse<br />
bei der SEW-Eurodrive GmbH & Co KG in Bruchsal<br />
www.<strong>antriebstechnik</strong>.de <strong>antriebstechnik</strong> <strong>2021</strong>/01-02 11
LINEARTECHNIK<br />
TITEL<br />
Bad Sobernheim liegt im Landkreis Bad Kreuznach in Rheinland-Pfalz.<br />
Die Stadt mit 7 000 Einwohnern ist Verwaltungssitz,<br />
staatlich anerkanntes Heilbad und gehört zum Weinbaugebiet<br />
Nahe. In dieser Region spielt traditionell die<br />
Landwirtschaft eine wichtige Rolle. Doch längst haben auch neue<br />
Ideen und Zukunftsvisionen in Bad Sobernheim Platz gefunden,<br />
z. B. bei der Roland Ruegenberg GmbH, einem Unternehmen mit<br />
Kernkompetenz in Bördel- und Falztechnologien.<br />
Durch die Entwicklung und den Bau zahlreicher Falzanlagen sammelte<br />
Ruegenberg viel Know-how auf diesem Gebiet. Ihre Anlagen<br />
verbinden zwei Blechelemente ohne zu schweißen schnell und zuverlässig.<br />
Dadurch kann der Anwender Zeit und Geld sparen. Neben dem<br />
Verarbeiten von Metallen bietet das Unternehmen auch Lösungen für<br />
einen ebenen Bord sowie für einen besonders kleinen und enganliegenden<br />
Falz. Die Bearbeitungszeiten liegen unter 30 s pro Teil in<br />
vollautomatisierten Anlagen, die den Bearbeitungsprozess ausführen.<br />
SYNCHRONLAUF UND HOHE VERFAHR<br />
GESCHWINDIGKEITEN GEFORDERT<br />
Ende 2018 erhielt Ruegenberg den Auftrag eines Automobilzulieferers<br />
für mehrere automatische Falzanlagen. Besondere Herausforderungen<br />
hierbei waren die Produktvielfalt, die Rüstzeit, enge<br />
Platzvorgaben und ein anspruchsvoller Terminplan. Anstelle von<br />
Hydraulik kam innovative Servoantriebs- und Steuerungstechnik<br />
zur Anwendung. Hohe Verfahrgeschwindigkeiten und Dynamik<br />
sowie hohe Anforderungen an Kraft, Performance und synchron im<br />
Verbund fahrend – bei unterschiedlichen Kräften – waren einige der<br />
Herausforderungen. Darüber hinaus sollten die einzelnen Motoren<br />
leicht und individuell konfigurierbar sein. Aufgrund der Zusammenarbeit<br />
bei vorangegangenen Aufträgen entschied sich Ruegenberg<br />
bei der Antriebstechnik für SEW-Eurodrive.<br />
ELEKTROZYLINDER STATT HYDRAULIKZYLINDER<br />
Zunächst mussten verschiedene Tests durchgeführt werden. „Dazu<br />
verwendeten wir ein hydraulisch angetriebenes Probewerkzeug“,<br />
erläutert Matthias Scheffler, CAD-Konstrukteur bei Ruegenberg.<br />
„Allerdings ist ein Hydraulikzylinder langsam und nicht punktgenau<br />
zu steuern.“ Matthias Kürzer, Ruegenbergs Abteilungsleiter<br />
Elektrik, führt aus: „Bei der Vorserie hatten wir bereits einen Vierer-<br />
Achsverbund mit Elektrozylindern für die Arbeitshübe und Zwischenpositionen<br />
eingesetzt. Der Zweier-Achsverbund für die<br />
Schließbewegung wurde aber zunächst mit Hydraulikzylindern<br />
realisiert.“ Nach den Tests entschloss sich das Entwicklungsteam<br />
um die beiden Fachleute den Hydraulikhub ebenfalls mit Elektrozylindern<br />
auszuführen.<br />
An der Beladestation werden durch einen Werker Hitzeschilde und<br />
Bauteil zusammengesetzt. Dieser Prozess wird von einer Kamera<br />
überwacht. Die Bauteile wiegen bis zu 20 kg. Mittels eines Drehtellers<br />
wird das Bauteil in die Maschine geschwenkt. Ein Roboter<br />
übernimmt das weitere Bauteilhandling. Über die Codierung der<br />
Werkzeuge ist sichergestellt, dass er stets das richtige Werkzeug<br />
bedient. Nach dem Bördel- bzw. Crimpvorgang bringt der Roboter<br />
das Bauteil zur Laserstation. In diesem Prozessschritt werden ein<br />
DataMatrix-Code (DMC) sowie Klarschrift aufgelasert. Im Anschluss<br />
an die Lasermarkierung wird ein Etikett gedruckt und automatisch<br />
aufgeklebt.<br />
NEUES VERFAHREN SCHLIESST FALZKANTEN<br />
AUCH IN RADIEN UND KURVEN<br />
Die bisherige Falztechnologie basierte auf einem einfachen Falz im<br />
Verbund mit einer Punktschweißung. Die Festigkeit dieser Verbindung<br />
liegt allerdings unter der des neuentwickelten Crimpverfahrens.<br />
Scheffler erläutert: „Die größten Herausforderungen beim<br />
Doppelfalzen sind Faltenlagen in den Hitzeschild-Blechen. Dazu<br />
kommt die Unsicherheit bei den dabei zu erwartenden Prozesskräften.<br />
Die genaue Dosierbarkeit der Einzelkräfte ist daher äußerst<br />
wichtig, damit zum einen jeder Einzelvorgang gesamtumfänglich<br />
korrekt ausgeführt wird und zum anderen die schmalen Stempel<br />
und Matrizen des Werkzeugs nicht beschädigt werden. Daher haben<br />
wir den Crimp zunächst mit einer Handvorrichtung erzeugt und<br />
dabei den erforderlichen Kraftaufwand gemessen.“<br />
Die Besonderheit dieses Verfahrens zeigt sich darin, dass auch in<br />
Radien und Kurven die Falzkante geschlossen ist. Dies ermöglicht,<br />
das Bauteil mit einem rundum geschlossenen Falz ohne Unterbrechung<br />
zu versehen. Durch das zweifache Falzen und anschließendes<br />
Aufstellen der Falzkante wird eine höhere Festigkeit erzielt.<br />
Die innenliegende Isolierung ist vor eindringenden Flüssigkeiten<br />
wie Wasser oder Öl geschützt. Auch die thermischen Eigenschaften<br />
werden verbessert. Der Doppelfalz ist weniger anfällig gegenüber<br />
Vibrationen als eine punktgeschweißte Verbindung und weist<br />
somit eine längere Lebensdauer auf. Durch den Crimpprozess<br />
entstehen keine offenen oder scharfen Kanten. Daher stellt dieser<br />
Falz kein Sicherheitsrisiko für die Werker in der Endmontage dar.<br />
Denn scharfkantige Blechverbördelungen können sogar Schutzhandschuhe<br />
durchschneiden.<br />
ELEKTROZYLINDER FÜHREN POSITIONIER- UND<br />
SCHLIESSBEWEGUNGEN AUS<br />
Jede Bördelmaschine ist mit sechs Elektrozylindern von SEW-<br />
Eurodrive ausgestattet. Vier Zylinder der Baureihe CMSB71 im achs-<br />
01
TITEL<br />
LINEARTECHNIK<br />
seriellen Aufbau bilden eine Gruppe und realisieren Arbeitsbewegungen<br />
und Zwischenpositionen der Werkzeugplatten. Die zweite<br />
Gruppe, ebenfalls achsseriell aufgebaut, besteht aus zwei Elektrozylindern<br />
vom Typ CMSMB71. Diese beiden Zylinder, ebenfalls<br />
durch Servomotoren angetrieben, sind für die Schließbewegung<br />
des Werkzeugs verantwortlich und erzeugen die Vorspannung. Jeder<br />
der Antriebe kann Druckkräfte bis 24 kN aufbauen. Eine Verriegelung<br />
der Werkzeughälften verhindert, dass die Zylindergruppen<br />
gegeneinander arbeiten. „Wir lösen alles mit vertikalen Arbeitsbewegungen,<br />
auf engstem Raum. Die schlanke Bauweise der Servoachsen<br />
von SEW-Eurodrive half uns dabei, die strengen Platzvorgaben<br />
des Kunden zu erfüllen“, erläutert Scheffler.<br />
Abteilungsleiter Kürzer ergänzt: „Eine Anforderung an die Anlage<br />
war, dass auf ihr unterschiedliche Bauteile gefertigt werden, die drei<br />
verschiedene Werkzeuge erfordern.“ Wenn in Zukunft neue Bauteile<br />
hinzukommen, heißt das: Man designt ein neues Werkzeug, ohne<br />
die modular aufgebaute Anlage verändern zu müssen. „Wir spielen<br />
dann lediglich ein neues Rezept mit den Verfahrwegen und Kraftgrenzen<br />
der Motoren auf“, so Kürzer.<br />
POSITIONS- UND DREHMOMENTREGELUNG<br />
Die Bewegungssteuerung der Falzanlage erfolgt durch einen Movi-C<br />
Controller power von SEW-Eurodrive. Auf diesem Controller läuft<br />
das Softwaremodul Movikit MultiAxisController, um die beiden<br />
Zylindergruppen anzusteuern. Jan Messerschmitt, Applikationsingenieur<br />
bei SEW-Eurodrive, war an der technischen Lösung beteiligt.<br />
Er erläutert: „Der MultiAxisController ermöglicht, sowohl<br />
die Position in der Vierergruppe exakt zu halten als auch das Drehmoment<br />
zu regeln, wie es für den Prozess erforderlich ist – ohne<br />
dass die Position verletzt wird. Das Wichtigste ist, dass die Platten<br />
nicht verkanten und Funktionssteine nicht kollidieren. Immerhin<br />
liegt die Toleranz bei Bruchteilen von einem Millimeter.“<br />
Für den Nutzer ergibt sich durch den MultiAxis-Controller ein<br />
hoher Bedienkomfort. Der Anwender hat eine einzige Schnittstelle<br />
und das Movikit übernimmt die Regelung/Ausgleichfunktionen für<br />
die gesamte Gruppe. Die übergeordnete Steuerung der gesamten<br />
Anlage wird über Ethernet/IP angebunden. Sie wurde nach einer<br />
Vorgabe des Endkunden bereitgestellt.<br />
PROJEKT ERFORDERTE ENGE ZUSAMMENARBEIT<br />
Den Auftrag zum Bau der Falzanlage erhielt Ruegenberg im Herbst<br />
2018. Kurz darauf erfolgte der Projektstart mit der Planung und<br />
Konstruktion. Ab Mai 2019 fand die Bau- und Erprobungsphase<br />
statt. Der Laser wurde in Betrieb genommen und erste Versuche<br />
mit den Testwerkzeugen durchgeführt. Schließlich konnte im<br />
Frühsommer 2019 der erste Prototyp fertiggestellt werden. Konstrukteur<br />
Scheffler: „Es gelang uns gemeinsam eine Technologie zu<br />
entwickeln, die es vorher noch nicht gab. Bei so einem heißen Projekt<br />
muss die Zusammenarbeit klappen! Es begann alles mit einer<br />
Idee und einem handtellergroßen, aus mehreren Teilen bestehenden<br />
‚Würfel‘ .“<br />
SEW-Kundenbetreuer Frank Schnell resümiert: „Dieses Projekt<br />
war eine Herausforderung.“ Als großer Vorteil für die Firma Ruegenberg<br />
erwies sich, dass man mit den Ansprechpartnern bei SEW-<br />
Eurodrive fortlaufend in Kontakt stand. Auf diese Weise vereinfachte<br />
sich die Projektkoordination spürbar. „Die Kommunikation muss<br />
funktionieren“, betont Scheffler. „Reaktionen und Rückrufe erfolgten<br />
stets zeitnah; das ist nicht überall so. Es erleichtert die Zusammenarbeit<br />
ungemein. Auch der Support vor Ort war lückenlos und<br />
zielführend“, stellt er fest. Mittlerweile trat die Falzanlage ihren Weg<br />
zum Kunden in Asien an, weitere sind gegenwärtig in Planung<br />
bzw. im Bau.<br />
Fotos: Aufmacher, 02: SEW Eurodrive GmbH & Co KG;<br />
01: Roland Ruegenberg GmbH<br />
www.sew-eurodrive.de<br />
www.r-find-r.de<br />
DIE IDEE<br />
„Das Falzen stellt eine große technische<br />
Herausforderung dar. Zum einen<br />
herrscht oft Ungewissheit über die<br />
wirkenden Falzkräfte. Andererseits<br />
stand die Forderung des Kunden nach<br />
kompakten Baumaßen der gesamten<br />
Anlage im Fokus. In umfangreichen<br />
Vorversuchen stellten wir fest, dass<br />
sich ein Bördelprozess am besten<br />
eignet: Durch mehrmaliges Einfalten<br />
und eine spezifische Form weist der<br />
Falz eine überragende Stabilität auf.<br />
Es gelang uns gemeinsam mit viel<br />
Engagement, eine Technologie zu<br />
entwickeln, die es vorher noch nicht<br />
gab. Das ist Hightech!“<br />
02<br />
01 Die Bewegungssteuerung der<br />
Falzanlage ermöglicht sowohl die<br />
Position in der Vierergruppe exakt<br />
zu halten als auch das Drehmoment<br />
zu regeln, wie es für den Prozess<br />
erforderlich ist<br />
02 Durch das zweifache Falzen<br />
und anschließendes Aufstellen<br />
der Falzkante wird eine höhere<br />
Festigkeit erzielt. Zudem ist<br />
die Blechverbördelung weniger<br />
anfällig für Vibration und weist<br />
keine scharfen Kanten auf<br />
Matthias Scheffler, CAD-Konstrukteur,<br />
Roland Ruegenberg GmbH,<br />
Bad Sobernheim<br />
www.<strong>antriebstechnik</strong>.de <strong>antriebstechnik</strong> <strong>2021</strong>/01-02 13
DIREKTANTRIEBE<br />
ELEKTRISCHE KLEINANTRIEBE<br />
MIT DEM<br />
ROLLSTUHL<br />
AUF DIE<br />
RENNSTRECKE<br />
Der Cybathlon ist ein einzigartiger Wettkampf, bei dem sich Menschen mit<br />
Behinderungen mittels moderner technischer Assistenzsysteme beim Absolvieren<br />
alltagsrelevanter Aufgaben messen. In den hochtechnisierten Hightech-Rollstühlen und<br />
der darin verbauten Robotik übernehmen elektrische Kleinantriebe eine ganze Reihe<br />
wichtiger Funktionen.<br />
Unfall, Krankheit, Krieg oder Alltagsgebrechen, eine Behinderung<br />
kann jeden treffen. Deshalb haben Menschen<br />
schon seit langem nach Lösungen gesucht, um den Betroffenen<br />
das Leben zu erleichtern. Als Vorreiter gelten die Chinesen,<br />
die bereits um 1300 v. Chr. eine Art Sessel mit Rollen genutzt<br />
haben sollen. Seither haben sich Rollstühle enorm weiterentwickelt<br />
und sind heute Hightech-Geräte, die ständig verbessert werden. Der<br />
Cybathlon, den die ETH Zürich ins Leben gerufen hat und seit 2016<br />
wie die Olympischen Spiele alle vier Jahre stattfindet, soll zu dieser<br />
Weiterentwicklung beitragen. Auch zwischen den Veranstaltungen<br />
gibt es immer wieder Rennen, meist im Rahmen von Fachmessen.<br />
DIE CYBATHLON RENNSTRECKE<br />
In der Kategorie Wheelchair Race absolvieren Piloten mit einer<br />
schweren Gehbehinderung in einem motorisierten Rollstuhl eine<br />
definierte Hindernisstrecke. Die einzelnen Stationen enthalten beträchtliche<br />
Herausforderungen, z. B. Treppen, Rampen, Slalomstre-<br />
cken oder ganz allgemein unebenes Terrain. Mit bislang zwei Goldtrophäen<br />
ist dies die Paradedisziplin des Teams HSR Enhanced der<br />
Hochschule für Technik Rapperswil in der Schweiz.<br />
Der Antriebshersteller Faulhaber ist dabei mit an Bord – mit<br />
Hochleistungsmotoren im Rollstuhl sowie als Sponsor des HSR-<br />
Teams. „Als 2016 der erste Cybathlon in Zürich ausgerichtet wurde,<br />
haben wir ziemlich spät davon erfahren“, erinnert sich Prof. Dr.<br />
Christian Bermes vom Institut für Laborautomation und Mechatronik<br />
der Hochschule für Technik Rapperswil (HSR). „Es blieben uns<br />
gerade mal zehn Monate, um aus dem Nichts einen wettbewerbsfähigen<br />
Rollstuhl zu entwickeln. Aber die Aufgabe war reizvoll, die<br />
technische Herausforderung ausgesprochen interessant.“<br />
STETIG HÖHERE ANFORDERUNGEN<br />
Das Hochschulteam, das sich dann schnell zusammenfand, holte<br />
sich gleich in 2016 beim ersten Anlauf die Goldmedaille beim<br />
Cybathlon. Ein Erfolg, den das Team drei Jahre später bei den<br />
14 <strong>antriebstechnik</strong> <strong>2021</strong>/01-02 www.<strong>antriebstechnik</strong>.de
DIREKTANTRIEBE<br />
01 Cybathlon-Pilot Florian Hauser<br />
in seinem Wettkampf-Rollstuhl,<br />
der von einem Ingenieursteam der<br />
Hochschuhe Rapperswil ständig<br />
weiterentwickelt wird<br />
Cybathlon Wheelchair Series im japanischen Kawasaki bestätigte.<br />
Aber ausruhen auf ihren Lorbeeren kommt nicht in Frage – und das<br />
nicht nur wegen der starken Konkurrenz. Wie im Motorsport reagiert<br />
die Regelsetzung auf den technischen Fortschritt, und die<br />
Messlatte wird ständig höher gelegt.<br />
„In Zürich waren nur drei Treppenstufen zu bewältigen“, erinnert<br />
sich Bermes. „In Kawasaki waren es schon sechs. Die Tür durfte<br />
dort nicht mehr vom Fahrer selbst, sondern nur von einem Roboterarm<br />
geöffnet und nach der Durchfahrt wieder geschlossen werden.“<br />
Die einzelnen Aufgaben enthalten also beträchtliche technische<br />
Herausforderungen, die es zu bewältigen gilt. Für das Treppensteigen<br />
z. B. haben die verschiedenen Teilnehmerteams ganz<br />
unterschiedliche Ansätze entwickelt. Einige von ihnen setzen bspw.<br />
auf Raupen, die auch die Fortbewegung auf flachem Untergrund<br />
bewältigen. HSR Enhanced verwendet dagegen ein hybrides Antriebskonzept<br />
mit Raupen für die Treppe und einzeln lenkbaren Rädern,<br />
die den Rollstuhl auf ebenem Gelände sehr wendig machen.<br />
EINSETZBAR ALS RAD- ODER RAUPENFAHRZEUG<br />
Für die Treppe gibt es das absenkbare Zusatzmodul „Herkules“ unter<br />
dem Fahrgestell, das den Rollstuhl für die Treppe von einem<br />
Rad- in ein Raupenfahrzeug verwandelt. Damit der Pilot auch in<br />
der Schräglage sicher sitzt, wird der Fahrersitz und damit der<br />
Schwerpunkt verschoben. Die Verlagerung hat zudem Einfluss auf<br />
die Traktion und das Fahrverhalten, kommt dem Fahrer aber auch<br />
in Alltagssituationen entgegen: Ist der Sitz vorn, sind seine Füße unten,<br />
und er kann bequem an einen Tisch heranfahren. In der hinteren<br />
Position – der Standard für die Fahrt auf ebenem Untergrund –<br />
liegen die Beine oben, was die Kombination aus Pilot und Rollstuhl<br />
kürzer und kompakter macht.<br />
Motoren von Faulhaber kommen im Treppenmodul, bei der Sitzverstellung<br />
und bei der Einzelradlenkung zum Einsatz. Für die Absenkung<br />
des „Herkules“ werden zwei leistungsstarke grafitkommutierte<br />
Motoren der Baureihe CR verwendet, die das Gesamtgewicht<br />
von rund 180 kg von den Rädern auf die Raupen heben. Der gleiche<br />
Motortyp verschiebt mit Getriebe und Spindel versehen auch den<br />
Sitz. Die DC-Motoren mit Grafitkommutierung sind mit Durchmessern<br />
von 38 mm kompakt und leicht. Durch die Konstruktion als<br />
Glockenankermotor mit der patentierten, freitragenden Rotorspule<br />
mit Schrägwicklung, die um einen ruhenden Magneten rotiert,<br />
kann fast der gesamte Motordurchmesser für die elektrische Spulenwicklung<br />
genutzt werden. Dadurch sollen die Motoren im Verhältnis<br />
zu ihrer Größe und ihrem Gewicht höhere Leistungen und<br />
Drehmomente als konventionelle Ausführungen erreichen.<br />
Für die Lenkbewegung der Räder sorgen vier bürstenlose Motoren<br />
der BXT-Serie mit passendem Getriebe. Sie liefern mithilfe ihrer<br />
innovativen Wicklungstechnik und Auslegung ein hohes Drehmoment<br />
von 10,2 mNm und das bei 14 mm Höhe und 22 mm Durchmesser.<br />
Mit einer Drehzahl von bis zu 10 000 min -1 können sie die<br />
www.<strong>antriebstechnik</strong>.de <strong>antriebstechnik</strong> <strong>2021</strong>/01-02 15
DIREKTANTRIEBE<br />
02<br />
02 Für die Absenkung des<br />
Treppenmoduls werden zwei<br />
grafitkommutierte Motoren der<br />
Baureihe CR verwendet, die das<br />
Gesamtgewicht von rund 180 kg<br />
von den Rädern auf die Raupen<br />
heben<br />
03<br />
03 Vier bürstenlose Motoren der<br />
BXT-Serie mit passendem Getriebe<br />
sorgen für die Lenkbewegung der<br />
Räder und liefern mithilfe ihrer<br />
innovativen Wicklungstechnik und<br />
Auslegung ein hohes Drehmoment<br />
Lenkbewegung praktisch verzögerungsfrei umsetzen. Die standardmäßig<br />
integrierten digitalen Hallsensoren sorgen zudem für<br />
eine präzise Drehzahlregelung.<br />
KOMPAKTE ANTRIEBE MIT HOHEM<br />
WIRKUNGSGRAD<br />
„Wir versuchen die Ausmaße der Module grundsätzlich zu minimieren“,<br />
so Bermes. „Das gleiche gilt natürlich für das Gewicht – jedes<br />
Gramm weniger macht das Fahrzeug beweglicher und besser zu<br />
handhaben. Außerdem wollen wir keine Akkuleistung verschwenden,<br />
weshalb wir Antriebe mit hohem Wirkungsgrad brauchen.“<br />
Die Arbeit am Cybathlon-Boliden ist ein ingenieurwissenschaftliches<br />
Projekt und passt ausgezeichnet zum Rapperswiler Institut<br />
für Laborautomation und Mechatronik, das sich mit angewandter<br />
Forschung beschäftigt. Das Zusammenspiel von Elektronik und<br />
Mechanik, von Soft- und Hardware ist dort ein wesentlicher<br />
Schwerpunkt. Man arbeitet dabei eng mit Unternehmen sowie dem<br />
schweizerischen Forschungs- und Entwicklungsverbund Innosuisse<br />
zusammen. Der Wettbewerb ist quasi der Praxis-Härtetest für die<br />
entwickelten Technologien. „Insgesamt sind über alle Kategorien<br />
rund hundert Teams aus der ganzen Welt beteiligt. Da kommt eine<br />
enorme Entwicklungsleistung zusammen, von der Menschen mit<br />
Behinderung profitieren“, betont Professor Bermes. „Das komplexe<br />
Zusammenspiel der Module lässt sich aber auch auf andere Bereiche<br />
übertragen, zum Beispiel auf die Automation und Robotik.“<br />
MIT SPORTSGEIST UND EHRGEIZ ZUM ERFOLG<br />
Bei der Vorbereitung auf das jeweils nächste Rennen kommt zum<br />
technischen Anspruch noch ein entscheidender Faktor hinzu:<br />
Sportsgeist! Teamleiter Bermes selbst bezeichnet sich als sportbegeistert<br />
und Florian Hauser, der seit einem Motorradunfall querschnittsgelähmte<br />
Pilot des Cybathlon-Rollstuhls, ist ein ehrgeiziger<br />
Sportler, der beim Training und im Rennen alles gibt. Derselbe<br />
Geist herrscht im Team aus Bachelor- und Master-Studierenden<br />
und Ingenieuren. Bermes erklärt: „Es ist wie in der Formel 1: Wir<br />
versuchen die technischen Möglichkeiten komplett auszureizen.<br />
Zugleich muss das Material robust und zuverlässig sein, damit es<br />
den schwierigen Parcours sicher bewältigt und das Rennen durchhält.<br />
Während der Fahrt ist es dann aber ausschließlich der Pilot,<br />
der die Leistung auf die Strecke bringt. Mit Florian haben wir dafür<br />
den perfekten Piloten im Cockpit.“<br />
Bei einem anspruchsvollen Technologiewettstreit wie dem<br />
Cybathlon wachsen alle Beteiligten an ihren Aufgaben und versuchen<br />
immer wieder Grenzen zu überwinden. Das gilt für die<br />
Schweizer Entwickler an der HSR genauso wie für die deutschen Ingenieure<br />
bei Faulhaber in Schönaich. Dort nutzt man die Synergieeffekte<br />
aus den gesammelten Erfahrungen z. B. für Optimierungen<br />
und die Entwicklung neuer Produkte in den Applikationsbereichen<br />
Human Augmentation und Prothetik. Von diesem Technologietransfer<br />
profitieren zuerst Applikationsingenieure und später Menschen<br />
mit Behinderungen weltweit. Ob myoelektrische Handprothesen,<br />
Arm- und Beinprothetik bis hin zu Exoskeletten und Workbots.<br />
Die Liste der Anwendungsbereiche, für die der Antriebsspezialist<br />
passende Antriebslösungen im Portfolio hat ist lang.<br />
Fotos: Aufmacher HSR, 01 Manuel Gutjahr, sonstige Faulhaber<br />
www.faulhaber.com<br />
DIE IDEE<br />
„Bei einem anspruchsvollen Technologiewettstreit<br />
wie dem Cybathlon<br />
wachsen alle Beteiligten an ihren<br />
Aufgaben. Das gilt für die Schweizer<br />
Entwickler an der Hochschule<br />
Rapperswil genauso wie für die<br />
deutschen Ingenieure bei Faulhaber<br />
in Schönaich. Hier nutzen wir die<br />
Synergieeffekte aus den gesammelten<br />
Erfahrungen und Lösungen im<br />
technischen Grenzbereich für<br />
Optimierungen und die Entwicklung<br />
neuer Produkte in den Applikationsbereichen<br />
Human Augmentation und<br />
Prothetik.“<br />
Dipl.-Ing. (BA) Andreas Seegen, Leiter<br />
Marketing, Faulhaber, Schönaich<br />
16 <strong>antriebstechnik</strong> <strong>2021</strong>/01-02 www.<strong>antriebstechnik</strong>.de
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Reihe HFI an. Die<br />
kompakten<br />
Antriebe eignen sich<br />
für dezentrale<br />
Anwendungen in<br />
ein- und mehrachsigen Systemen an 24 oder 48 VDC. Die<br />
hochauflösende Winkelerfassung macht sie zu dynamischen<br />
Servo-Systemen mit einer konstanten, gleichmäßigen Drehmomententwicklung<br />
und guten Regeleigenschaften. Die Ansteuerung<br />
und Sollwertvorgabe des Grundgerätes erfolgt über<br />
analoge/digitale Signale oder über das CANopen Interface. Mit<br />
einem Feldbusmodul lassen sich die Geräte in Ethernet-basierte<br />
Feldbusse einbinden. Dabei unterstützen sie die Betriebsarten<br />
Profile Position, Profile Velocity und Profile Torque Mode. Die<br />
Positionierung erfolgt auf absolute und relative Zielvorgaben. In<br />
Singleturn-Ausführung wird auf Endschalter, mechanischen<br />
Endanschlag oder auf die aktuelle Position referenziert. Die<br />
Antriebe sind auch mit funktionaler Sicherheit erhältlich.<br />
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sowie Schneckengetriebe<br />
nun auch<br />
komplett in Edelstahl oder sila-coatiert an. Diese lassen sich<br />
flexibel wie aus dem Baukasten kombinieren und halten der<br />
Reinigung mit dem Hochdruckreiniger oder mit aggressiven<br />
Reinigungsmitteln stand. Die Beschichtung Sila-Coat bietet<br />
im Vergleich zum Hartcoatieren den Vorteil, dass durch die<br />
Versiegelung der Oberfläche mit einem Elektrophorese-<br />
Tauchlack die Korrosions- und die Alkalibeständigkeit der<br />
Komponenten gesteigert wird. Zudem entsteht so eine<br />
glatte Oberfläche, an der klebrige Lebensmittel wie z. B.<br />
Teigreste nicht haften bleiben. Das reduziert den Einsatz<br />
von Reinigungsmitteln. Für besonders raue Umgebungen<br />
wie z. B. in Fleischereibetrieben gibt es die Motoren und<br />
Getriebe in der Edelstahlvariante. Es sind auch Kombinationen,<br />
z. B. aus einem Sila-Coat-Motor mit einem Edelstahlgetriebe,<br />
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ELEKTROMOTOREN<br />
ANTRIEBSKONZEPTE IM WANDEL<br />
PASSENDE MOTOREN FÜR DIE<br />
KUNSTSTOFFVERARBEITENDE INDUSTRIE<br />
Gleichstrommotoren haben sich als Antriebe für Dosieranlagen bewährt.<br />
In der Kunststoffproduktion kommen sie in zahlreichen Ausführungen zur<br />
Anwendung. Niederspannungsservomotoren bieten hingegen eine höhere<br />
Einsatzflexibilität und stellen eine Alternative für die Zukunft dar.<br />
André Coolen-Pearse ist Marketing- und Vertriebsleiter<br />
bei der Groschopp AG Drives & More in Viersen<br />
18 <strong>antriebstechnik</strong> <strong>2021</strong>/01-02 www.<strong>antriebstechnik</strong>.de
ELEKTROMOTOREN<br />
Für das Dosieren von rieselfähigen Kunststoffgranulaten und<br />
Pulvern in unterschiedlichen Formen und Körnungen<br />
braucht die kunststoffverarbeitende Industrie technische Lösungen,<br />
deren Herstellung ein breites verfahrenstechnisches<br />
Know-how erfordert. Genau darauf hat sich die Firma Woywod aus<br />
Gräfelfing bei München spezialisiert. Das Unternehmen wurde<br />
Ende der 70er Jahre als Einmannbetrieb gegründet und zeichnet<br />
sich durch jahrzehntelange Erfahrung in der Kunststoffverarbeitung<br />
aus. Die ersten Produkte des damaligen Ingenieurbüros für<br />
Extrusionstechnik wurden noch in der Garage des Gründers entwickelt.<br />
1980 erwarb Woywod dann die Rechte an dem Misch- und<br />
Dosiersystem Plasticolor.<br />
ETABLIERTE ANTRIEBSTECHNIK MIT<br />
GLEICHSTROMMOTOREN<br />
Zu den Kunden von Woywod gehören neben Herstellern von Kabeln,<br />
Leitungen und Lichtwellenleitern auch Produzenten von<br />
technischen Profilen, Monofilamenten, Folien, Platten und Baustoffen<br />
sowie Fertigungsbetriebe von Spritzgussprodukten. Noch<br />
heute bilden die Plasticolor-Dosiergeräte von damals die Basis für<br />
das aktuelle Produktportfolio des Herstellers. Angetrieben werden<br />
die kontinuierlich modifizierten und weiterentwickelten Geräte<br />
seitdem von permanenterregten Gleichstrommotoren. Neuerdings<br />
fertigt Woywod auch Dosiersysteme mit Niederspannungsservomotoren.<br />
Alle Antriebe bezieht das Unternehmen seit fast vier Jahrzehnten<br />
von den Antriebsspezialisten der Groschopp AG.<br />
Die permanenterregten Gleichstrommotoren der Serie PM1 85-40<br />
mit einem Leistungsbereich von 125 Watt werden bei Woywod in<br />
Kombination mit einem KT3-Tachogenerator und zwei Stirnradgetrieben<br />
der Serie SG 80 von Groschopp betrieben. Die Motoren<br />
bieten eine gute Regelbarkeit mit einem Regelbereich von etwa<br />
1:30. Bei einer Übersetzung von i=25,1 erreichen sie abtriebsseitig<br />
etwa 160 min -1 oder bei i=7,8 etwa 512 min -1 .<br />
Die Stirnradgetriebe zeichnen sich durch einen guten Wirkungsgrad<br />
sowie ihre kompakte und robuste Bauform aus. Der Motor sitzt<br />
am Ende des Dosiergerätes und ist über eine Kupplung mit der Dosierschnecke<br />
verbunden, die das Material in der gewünschten<br />
Menge in den Verarbeitungsprozess austrägt. Die Einsatzgebiete<br />
der Groschopp-Motoren reichen von der Zudosierung von Additiven<br />
bis hin zur kompletten Dosierung und Vormischung auf Kunststoffverarbeitungsmaschinen.<br />
In der Praxis sieht das dann wie folgt aus: Die Zudosieranlagen<br />
sind für Verarbeitungsmaschinen mit möglichst konstantem Ausstoß<br />
konzipiert. Das Hauptmaterial fließt wie beim Einzelgerät frei<br />
in die Schnecke des Extruders oder der Spritzgussmaschine. Alle<br />
Additivkomponenten werden zum Hauptmaterialstrom hinzudosiert.<br />
Die Drehzahlen der Dosierschnecken werden mit der Drehzahl<br />
der Verarbeitungsmaschine synchronisiert. In der Produktionsmaschine<br />
werden die Materialien dann sehr gleichmäßig vermischt.<br />
www.<strong>antriebstechnik</strong>.de <strong>antriebstechnik</strong> <strong>2021</strong>/01-02 19
ELEKTROMOTOREN<br />
01 Permanenterregte Gleichstrommotoren<br />
für Dosiergeräte sind je nach<br />
Anwendungsbedarf in unterschiedlichen<br />
Motor-Getriebe-Kombinationen<br />
verfügbar<br />
01 02<br />
02 Durch ihren integrierten Regler<br />
benötigen Niederspannungsservomotoren<br />
wenig Bauraum und bieten<br />
dank programmierbarer Software neue<br />
elektronische sowie konstruktive<br />
Möglichkeiten<br />
ZAHLREICHE MOTOR-GETRIEBE-VARIANTEN<br />
Um ein breites Produktspektrum vom einzelnen Dosiergerät bis hin<br />
zur volumetrischen oder gravimetrischen Mischanlage abzudecken,<br />
lassen sich die einzelnen Komponenten des modularen Plasticolor-Systems<br />
nach Bedarf kombinieren. Gefertigt werden sie<br />
ausschließlich im Woywod-Werk in Werneuchen, Seefeld. Die<br />
Montage erfolgt durch ausgebildete Fachkräfte. So ist das Unternehmen<br />
in der Lage, auf individuelle Anfragen schnell und flexibel<br />
zu reagieren. Kleinstserien bis hin zur Serienproduktion mit großen<br />
Stückzahlen stellen für Woywod kein Problem dar.<br />
Mit verschiedenen Motor-Getriebe-Kombinationen möchte<br />
Woywod den Anforderungen einer großen Bandbreite an Anwendungen<br />
gerecht werden. Somit kann auch der permanenterregte<br />
Gleichstrommotor PM6 93-50 (200 Watt) mit einem KT5-Tachogenerator<br />
und zwei Stirnradgetrieben der Serie SG150 in den Dosierund<br />
Mischsystemen verbaut werden. Er ist von der Bauform her etwas<br />
größer als der PM1 85-40 und wird in den Geräten und Anlagen<br />
zur Kunststoffverarbeitung mit einem Übersetzungsverhältnis von<br />
i=6 bzw. i=12 betrieben.<br />
NIEDERSPANNUNGSSERVOMOTOREN SPAREN<br />
BAUTEILE UND SIND PROGRAMMIERBAR<br />
Als Alternative zu den permanenterregten Gleichstrommotoren hat<br />
Woywod gemeinsam mit Groschopp ein Antriebssystem mit Niederspannungsservomotor<br />
(24 V/80 W) entwickelt. Der EGK65-<br />
30NA mit integriertem Regler und einem Planetengetriebe MPL65<br />
ist eine Weiterentwicklung der Black-Panther-Servomotoren von<br />
Groschopp. Dieses Antriebssystem zeichnet sich durch eine hohe<br />
Leistungsdichte, Positioniergenauigkeit und Energieeffizienz aus.<br />
Durch die Integration des Reglers benötigt der Motor nur wenig<br />
Bauraum. Durch seine frei programmierbare Software sowie flexiblen,<br />
elektronischen und konstruktiven Möglichkeiten ist der Antrieb<br />
für zahlreiche Anwendungen konfigurierbar. Das reicht vom<br />
einfachen Dosiergerät bis hin zur volumetrischen oder gravimetrischen<br />
Mischanlage.<br />
„Je flexibler in der jeweiligen Anwendung dosiert werden muss,<br />
desto mehr empfehlen wir es, den Servomotor einzusetzen“, erläutert<br />
René Günther, Vertriebsleiter bei Woywod. Gravimetrische<br />
Mischanlagen verfahren z. B. nach dem „loss-in-weight-Prinzip“.<br />
Jedes Plasticolor-Element ist mit einer Trichterwaage ausgestattet<br />
und arbeitet abhängig vom Materialverbrauch der Verarbeitungsmaschine.<br />
Die Weitbereichsmotoren von Groschopp mit ihrem<br />
hohen Regelbereich folgen dabei dem Durchsatzwert der<br />
Mischanlage. Somit stellen sie die exakte Einhaltung der eingestellten<br />
Rezeptanteile sicher.<br />
„Unser Ziel ist es, eine optimal abgestimmte Lösung, bestehend<br />
aus Dosiertechnik, Motoren und Regeltechnik anzubieten,“ so Günther,<br />
„daher planen wir langfristig, die neuen Niederspannungsservomotoren<br />
als Einheitsmotor für unsere Produkte zu etablieren.“<br />
Da aber noch viele Anwender die PM-Varianten einsetzen, werde<br />
dieser Prozess noch etwas Zeit brauchen.<br />
Fotos: Aufmacher: Woywod Kunststoffmaschinen; 01-02: Groschopp<br />
www.woywod.de<br />
www.groschopp.de<br />
DIE IDEE<br />
„In der Kunststoffindustrie muss oft<br />
flexibel dosiert werden, wie es z. B.<br />
gravimetrische Mischanlagen, die<br />
nach dem loss-in-weight-Prinzip<br />
arbeiten, vermögen. Niederstrommotoren<br />
mit integriertem Regler und<br />
Planetengetriebe sind für jede<br />
Anwendung konfigurierbar und<br />
folgen mit ihrem hohen Regelbereich<br />
dem Durchsatzwert der Maschine.<br />
Somit können Rezeptanteile exakt<br />
eingehalten werden. Die Anschaffung<br />
einer zweiten Dosierschnecke<br />
entfällt.“<br />
André Coolen-Pearse, Marketing- und<br />
Vertriebsleiter, Groschopp AG<br />
Drives & More<br />
20 <strong>antriebstechnik</strong> <strong>2021</strong>/01-02 www.<strong>antriebstechnik</strong>.de
MARKTPLATZ<br />
SMART, VERNETZT UND FUNKTIONAL SICHER<br />
Dunkermotoren hat<br />
erstmalig die Profinet-<br />
Funktionalität samt dem<br />
Profil PROFIdrive mit<br />
Applikationsklassen 1<br />
und 4 serienmäßig in<br />
Motoren integriert. Den<br />
Anfang machte der<br />
BG 95 dPro PN. Bereits<br />
verfügbar ist auch die<br />
externe Steuerungselektronik BGE 5510 dPro PN, deren<br />
Anwendung bei begrenzter Motorlänge von Vorteil ist.<br />
Angeboten wird zudem die BLDC-Baureihe dPro mit EtherCAT<br />
Schnittstelle, die mit integriertem Servoregler (BG 66 dPro EC<br />
bis BG 95 dPro EC) oder als externe Version (BGE 5510 dPro EC)<br />
bezogen werden kann. Kennzeichnend sind in beiden Fällen<br />
sogenannte „Distributed Clocks“, die eine Synchronisation im<br />
Millisekunden-Bereich ermöglichen. Ferner sollen künftig<br />
auch dPro-Motoren zwischen 20…3900 W mit funktionaler<br />
Sicherheit (STO – Safe Torque Off) verfügbar sein. Elektronische<br />
Schaltkreise ersetzen mechanische Relais und sorgen für<br />
eine drehmomentfreie Schaltung. Da mit dem Auslösen von<br />
STO die Logikspannung erhalten bleibt, entfällt ein Referenzieren<br />
nach Wiederanlauf.<br />
www.dunkermotoren.de<br />
KEIN RASTMOMENT MIT NUTENFREIEN<br />
SLOTLESS-MOTOREN<br />
Servotecnica führt neben<br />
Slotted-Motoren auch<br />
Antriebe mit eisenlosen<br />
Statoren (slotless) im<br />
Programm. In Servo-unterstützten<br />
Systemen<br />
sorgen sie für einen<br />
gleichmäßigen Betrieb<br />
mit guter kt-Linearität. Bei<br />
bürstenlosen Motoren mit<br />
Permanentmagneten kann es passieren, dass das Rastmoment<br />
eine Drehmoment- und Drehzahlwelligkeit erzeugt. Folge ist ein<br />
unerwünschtes, nicht lineares Verhalten in der Steuerung des<br />
Motors. Die Slotless-Motoren von Servotecnica hingegen sind mit<br />
freitragenden Wicklungen versehen und darauf ausgelegt, ein<br />
voraussehbares Ausgangsdrehmoment mit minimierten,<br />
nichtlinearen Effekten sicherzustellen. Bei korrekter Anordnung<br />
interagieren die Spulen mit dem Permanentmagneten, um Kraft<br />
oder ein Drehmoment zu erzeugen. Das Rastmoment wird dabei<br />
eliminiert, da keine Diskontinuität mehr entstehen kann. Weil das<br />
gesamte Drehmoment vom Phasenstrom bestimmt wird, ist die<br />
Slotless-Technologie insbesondere für Präzisionssysteme mit<br />
direktem Antrieb geeignet.<br />
www.servotecnica.de<br />
AUF HOHE DREHMOMENTDICHTE GETRIMMT<br />
B&R führt die Servomotoren 8LW und 8LS neu im Programm. Durch das<br />
Konstruktionsprinzip und die Servoverstärker ACOPOS wird gegenüber<br />
vergleichbaren Modellen ein um bis zu 75 % höheres Nenndrehmoment<br />
erreicht.<br />
Ein neuartiges Wicklungsdesign reduziert zudem Gleichlaufschwankungen.<br />
Parallel wurden die Wärmeabführung sowie die Positions- und<br />
Wiederholgenauigkeit verbessert. Die Motoren 8LW und 8LS eignen<br />
sich für Anschlussspannungen von 325 oder 750 VDC und sind in<br />
Höhen bis 4 000 m einsetzbar. Sie werden als Einkabel-Lösung für<br />
EnDat 2.2 in Verbindung mit skalierbaren Sicherheitsfunktionen sowie<br />
als Zweikabel-Lösung für Resolver und EnDat 2.2 angeboten. Die<br />
IP64-Motoren verfügen über ein elektronisches Typenschild, das alle<br />
relevanten Daten beinhaltet. So ist der gesamte Antriebsstrang identifizierbar. Parametrierarbeiten entfallen und die<br />
Inbetriebnahme wird verkürzt. Darüber hinaus hilft ein einfacher Abgleich der Maschinenkonfiguration, fehlerhafte Anordnungen<br />
sofort zu diagnostizieren.<br />
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www.<strong>antriebstechnik</strong>.de <strong>antriebstechnik</strong> <strong>2021</strong>/01-02 21
DIREKTANTRIEBE<br />
MINIATURISIERUNG<br />
MIKROANTRIEBE MIT GROSSEM<br />
INNOVATIONSPOTENZIAL<br />
Mikroantriebe vereinen<br />
mechanische und<br />
elektrische Funktionen<br />
in einem Bauteil.<br />
Das spart viel Platz,<br />
um Geräte aus<br />
unterschiedlichen<br />
Bereichen technisch zu<br />
verkleinern und zu<br />
optimieren.<br />
Integrierte Stell- und Antriebsmodule kombinieren mechanische<br />
und elektrische Funktionen in einem Bauteil. Dadurch können<br />
hinreichende Performanceansprüche auf kleinstmöglichem<br />
Formfaktor erreicht werden. Zu den integrierten Komponenten<br />
gehören Aktuatoren, Positionssensoren, Präzisionsmechanismen,<br />
Treiberelektronik und Mikroprozessor mit Steuerfirmware.<br />
Das Antriebsmodul ist ein Komplettbauteil mit einem mechanischen<br />
und einem Software-Interface. Zudem verfügt es über einen<br />
elektrischen Busanschluss. Um das Antriebsmodul in eine Anwendung<br />
zu integrieren, müssen Entwickler nur Versorgungsspannung<br />
sowie Busanschlüsse verbinden. Anschließend kann die Bewegung<br />
mit High-Level-Kommandos programmiert werden. Vergleichbar<br />
mit einer einfachen I2C- oder einer SPI-Slave werden sperrige Elektronik,<br />
Leitungen und Stecker, die um ein Vielfaches größer als das<br />
bewegte Objekt sein können, eliminiert.<br />
Maximilian Dreher ist Vertriebsingenieur für Miniaturantriebsmodule<br />
bei der SI Scientific Instruments GmbH in Gilching bei München<br />
KOMPLEXE GERÄTE IN TRAGBARER FORM<br />
Geräteentwickler nutzen integrierte Antriebsmodule und andere<br />
Mikroinnovationen, um kleinere Produkte für eine Vielzahl von Anwendungen<br />
neu zu kreieren. Dazu gehören die Spektroskopie, die<br />
Mikroskopie, bildgebende Verfahren, die biometrische Identifikation,<br />
die patientennahe Diagnostik sowie die DNS-Sequenzierung<br />
und Navigation. Es ist jetzt denkbar portable Geräte zu entwickeln,<br />
die aufgrund ihrer Komplexität nur in Form stationärer Systeme<br />
herstellbar waren.<br />
In diesem Kontext haben M3 (Micro Mechatronic Motion)-Module<br />
das Potenzial anderen Mikrotechnologien zum Durchbruch zu<br />
verhelfen, indem man sie mit Präzisionsmechanismen, den neuesten<br />
Mikroprozessoren und Steuersoftware kombiniert. Miniaturisierung<br />
birgt einzigartige Entwurfsherausforderungen, die nur mit<br />
neuartigen Ansätzen für Lager, Materialien, Bauteiltoleranzen und<br />
Herstellungsmethoden bewältigt werden können. Einfach konventionelle<br />
Teile aus größeren Antriebs- oder Positioniersystemen zu<br />
verkleinern, ist nicht praktikabel.<br />
Die Baureihen der M3-Module zeigen die Komplexität der winzigen<br />
Bewegungsmechanismen, damit Reibung, Präzision und Ertrag<br />
die gewünschten Leistungsvorteile einbringen.<br />
22 <strong>antriebstechnik</strong> <strong>2021</strong>/01-02 www.<strong>antriebstechnik</strong>.de
DIREKTANTRIEBE<br />
DIE IDEE<br />
Das M3-F Fokusmodul von New Scale nutzt z.B. eine lineare Stiftbuchsenführung<br />
in einer Polymerstruktur. Das Modul stellt damit eine hinreichende Genauigkeit<br />
sowie geringe Reibung sicher. Eine dynamische Neigung von
DREHGEBER<br />
ABSOLUTWERTGEBER<br />
FÜR UNTERSCHIEDLICHE ANWENDUNGEN<br />
PASSGENAU KONFIGURIERT<br />
Das Unternehmen Hengstler ist ein europäischer Hersteller industrieller Zählund<br />
Steuerungskomponenten für die Automatisierung. Hengstler hat sich auf<br />
die Produktion anwenderspezifisch konfigurierter Drehgeber, Zähler, Drucker<br />
und Relais für Anwendungen spezialisiert, die sich nicht mit Standard-Produkten<br />
realisieren lassen. Das macht die Produkte des Herstellers vielfältig einsetzbar.<br />
Die Wellen branden geräuschvoll an die Steilküste im Norden<br />
Schottlands. Mit einer Geschwindigkeit von 3,5 m/s strömt<br />
das Wasser hier an den Unterwasser-Rotoren eines Gezeitenkraftwerks<br />
vorbei. Diese Anlage wird in Zukunft<br />
elektrische Energie für 175 000 Haushalte produzieren und damit<br />
weltweit die größte ihrer Art sein.<br />
Im Portland Firth herrschen optimale Bedingungen für die Erzeugung<br />
von Strom durch Wasserkraft, denn hier gibt es nicht nur<br />
Wind im Überfluss, sondern auch Ebbe und Flut. Alles zusammen<br />
sorgt dafür, dass im Meer vor der Küste eine starke Oberflächenströmung<br />
entsteht – und Wellen, die nicht selten Höhen von fast 20 m<br />
Leslie Wenzel ist Manager Marketing und Communications<br />
bei der Hengstler GmbH in Aldingen<br />
erreichen. Das Gezeitenkraftwerk nutzt diese Wetterverhältnisse<br />
gezielt aus: Riesige Rotoren mit Durchmessern von bis zu 18 m sind<br />
in 35 bis 100 m Tiefe mit einem Stahl-Fundament am Meeresboden<br />
verankert. Die starke Strömung setzt die Rotoren in Bewegung, die<br />
dann Strom erzeugen.<br />
DREHGEBER SICHERN HOHEN STROMERTRAG<br />
Um eine große Energieausbeute erzielen zu können, müssen die<br />
Rotorblätter in einem bestimmten Winkel zur Strömung ausgerichtet<br />
sein. Die Einstellung des Rotorblatt-Anstellwinkels übernimmt ein<br />
Pitch-Control-System des Windkraftanlagenbauers SBB. Sein Herzstück<br />
ist der Absolutwertgeber Acuro AC58 von Hengstler, der die<br />
exakte Position des Rotorblattes erfasst und an die Steuerung meldet.<br />
Den Acuro AC58 wählte SBB, weil man einen Drehgeber suchte,<br />
der sowohl wasserdicht als auch salzwasserbeständig sein musste.<br />
24 <strong>antriebstechnik</strong> <strong>2021</strong>/01-02 www.<strong>antriebstechnik</strong>.de
DREHGEBER<br />
Darüber hinaus wurde eine redundante Ausführung des Encoders<br />
gefordert.<br />
SBB setzt den optischen Drehgeber AC58 von Hengstler schon<br />
seit langem in seinen Pitch-Control-Systemen für Windkraftanlagen<br />
ein. Der Encoder verfügt über eine Auflösung von bis zu 34 Bit, eignet<br />
sich für Drehzahlen bis 5000 min -1 und besitzt eine robuste Sensoreinheit<br />
(Schockfestigkeit bis 200 g).<br />
IN RAUEN UMGEBUNGSBEDINGUNGEN<br />
EINSETZBAR<br />
Für den Einsatz in der Pitch-Verstellung der Rotorblätter im Gezeitenkraftwerk<br />
mussten die AC58-Drehgeber allerdings modifiziert<br />
werden. Peter Elbel, Manager Application Management bei Hengstler<br />
und seine Kollegen statteten die AC58 mit einem salzwasserbeständigen<br />
Gehäuse aus, das den rauen Bedingungen besser standhält<br />
als ein normales Gehäuse mit Beschichtung. Durch diese anwenderspezifisch<br />
entwickelte redundante Ausführung eignet sich der<br />
Drehgeber auch für Unterwasser-Anwendungen (DNV/Det Norske<br />
Veritas). Darüber hinaus wurden die Drehgeber redundant ausgeführt<br />
– d. h., die Ingenieure verbauten zwei Drehgeber in einem<br />
Gehäuse. Beide übertragen die jeweilige Position des Rotorblattes,<br />
sodass die Funktionsfähigkeit der Anlage beim Ausfall eines Encoders<br />
nicht gefährdet ist.<br />
Robust müssen auch die Drehgeber sein, die in Antrieben von Versorger-Schiffen<br />
für Windkraftanlagen zum Einsatz kommen. Eine<br />
norwegische Reederei hat bei einem Hersteller von Schiffsmotoren<br />
elektrische Propeller-Antriebe für vier neue Schiffe dieses Typs<br />
bestellt. Das Unternehmen Hengstler liefert die Drehgeber für die<br />
Erfassung der Position und Rotationsgeschwindigkeit der Propeller.<br />
Die Kenntnis der exakten Propeller-Position ist essentiell, um das<br />
Schiff möglichst präzise und kraftstoffsparend navigieren zu können.<br />
Eine der wichtigsten Anforderungen des Schiffsmotor-Herstellers<br />
an die Drehgeber war die Zertifizierung nach DNVL-GL. Darüber<br />
01 In einem Gezeitenkraftwerk sorgt der Acuro AC58-Drehgeber<br />
von Hengstler für die genaue Ausrichtung der Rotorblätter<br />
hinaus mussten sie kompatibel mit Siemens-SPS-Controllern sein.<br />
Der verschleißfreie elektronische Multiturn-Absolutgeber Acuro AR62<br />
von Hengstler erfüllt diese Vorgaben. In jedem der vier neuen Versorger-Schiffe<br />
werden zwei Antriebe mit je zwei AR62-Drehgebern<br />
verbaut sein.<br />
FÜR HOHE DREHZAHLEN GEEIGNET<br />
Individuell konfigurierte Drehgeber von Hengstler sind auch in<br />
Motorenprüfständen zu finden. Auf diesen Anlagen werden Pkw-<br />
Motoren, Schiffsdiesel, Flugzeugturbinen oder Antriebe von Baumaschinen<br />
auf ihre Funktionsfähigkeit überprüft. Für eine erfolgreiche<br />
Durchführung der Tests muss der Prüfstand die genaue Position der<br />
Motor-Zylinder kennen. Die Ermittlung dieser Werte übernehmen<br />
hochgenaue Drehgeber, die aber noch eine weitere Eigenschaft besitzen<br />
müssen: Sie sollen die Zylinder-Position auch bei den hohen<br />
Drehzahlen von Elektromotoren noch zuverlässig und genau ermitteln<br />
können. „Da der Trend in Richtung Elektromobilität geht,<br />
möchte der Anwender seine Prüfplätze dafür mit der passenden<br />
Technologie ausstatten“, so Peter Elbel.<br />
Die Ingenieure bei Hengstler verfügen über umfangreiches Knowhow<br />
und erweiterten kurzerhand den Drehzahlbereich ihres Absolutwertgebers<br />
Acuro AC58. In der Standardversion ist der AC58 für Drehzahlen<br />
von 6 000 ... 10 000 min -1 ausgelegt. „Für diese Anwendung<br />
haben wir ihn so modifiziert, dass er auch noch bei Drehzahlen von<br />
bis zu 20 000 min -1 hochpräzise arbeitet.“ Der Auftrag war nicht ungewöhnlich:<br />
„Wir liefern schon seit 25 Jahren Encoder mit Drehzahlen<br />
von bis zu 25 000 min -1 für Spinnerei-Maschinen“, berichtet Elbel.<br />
www.<strong>antriebstechnik</strong>.de <strong>antriebstechnik</strong> <strong>2021</strong>/01-02 25
DREHGEBER<br />
BETRIEB AUCH IM VAKUUM<br />
Manche Anwendungen erfordern auch Drehgeber mit besonderer Druckfestigkeit.<br />
So orderte der Vakuumpumpen-Hersteller Leybold bei Hengstler für seine<br />
Prüfstände einen Inkrementalgeber, der auch bei Unterdruck einwandfrei und<br />
hochgenau funktioniert. Der Encoder erfasst auf den Testständen die exakte<br />
Position der Vakuumpumpen und ermöglicht so deren genaue Ausrichtung für<br />
die Prüfung. Hengstler ist in der Lage, sowohl Singleturn- als auch Multiturn-<br />
Drehgeber für den Einsatz in solchen Applikationen anzupassen. Sie werden<br />
zudem – anders als in der Branche üblich – als Motorfeedback-Lösung ausgeführt.<br />
So kann der Anwender den Drehgeber im Vakuum mit einem Motor gekoppelt<br />
als Gesamtsystem verwenden.<br />
BRANDSICHERE KABEL FÜR DREHGEBER<br />
Ein weiteres Beispiel für die vielzähligen anwenderspezifischen Lösungen von<br />
Hengstler sind Drehgeber mit brandsicheren Kabeln. Sie werden u. a. in Rolltreppen<br />
im U-Bahn-Bereich verbaut, da für elektrische Komponenten hier strenge Anforderungen<br />
an die Brandsicherheit gelten. Der Hintergrund: Sollte ein Feuer ausbrechen,<br />
müssen die Passagiere ausreichend Zeit haben, den Gefahrenbereich<br />
unverletzt zu verlassen. Herkömmliche PVC- oder PUR-Kabel würden im Brandfall<br />
aber schnell giftige Gase absondern und eine große Rauchentwicklung verursachen.<br />
Der Fluchtweg wäre so versperrt.<br />
Die Drehgeber, die Hengstler an einen Hersteller von U-Bahn-Rolltreppen<br />
lieferte, waren deshalb mit halogenfreien, schwer entflammbaren Kabeln<br />
ausgestattet. Sie setzen im Falle eines Feuers keine korrosiven Brandgase<br />
frei (IEC 61034 + EN 61034), sind flammhemmend und selbstverlöschend<br />
(IEC 60332-1-2 + EN 60332-1-2) und verhindern die Brandweiterleitung<br />
(nach IEC 60332 + EN 50266).<br />
02 Ist für den Einsatz in<br />
maritimen Anwendungen zugelassen:<br />
Der Absolutwertgeber Acuro AR62<br />
DIE IDEE<br />
„Durch unser modulares Baukastensystem<br />
können wir einige unserer<br />
Produkte passend für die unterschiedlichen<br />
mechanischen und<br />
elektrischen Anwenderbedürfnisse<br />
konfigurieren. Da wir unsere<br />
Produkte zudem grundsätzlich robust<br />
auslegen, sind sie auf einen weit<br />
gefächerten Bereich an Umgebungsbedingungen<br />
abgestimmt. Sollten<br />
die vordefinierten Varianten und<br />
Ausprägungen einmal nicht passen,<br />
können wir nahezu alle Anforderungen<br />
über anwenderspezifische<br />
Erweiterungen abdecken.“<br />
VIELFÄLTIGES PRODUKTPROGRAMM<br />
Zum Produkt-Programm gehören neben Drehgebern und Zählern auch Sicherheitsrelais.<br />
Hengstler entwickelt und fertigt darüber hinaus Einbaudrucker z. B.<br />
für Fahrkartenautomaten und Kontoauszugsdrucker und ist einer der größten<br />
Hersteller von Abschneidern Europas. Auf Wunsch des Anwenders übernimmt<br />
das Unternehmen die komplette Projektabwicklung.<br />
Fotos: Aufmacher Alex Mit / shutterstock.com, 02 Tawansak / shutterstock.com,<br />
sonstige Hengstler<br />
www.hengstler.de<br />
Peter Elbel, Manager Application<br />
Management, Hengstler GmbH<br />
in Aldingen<br />
26 <strong>antriebstechnik</strong> <strong>2021</strong>/01-02 www.<strong>antriebstechnik</strong>.de
MARKTPLATZ<br />
NEUE SPIROPLAN GETRIEBEBAUREIHE MIT<br />
HOHEM WIRKUNGSGRAD<br />
Die neuen W..29- und<br />
W..39-Getriebe von<br />
SEW-Eurodrive ermöglichen<br />
durch ihren<br />
2- bzw. 3-stufigen<br />
Aufbau eine weite<br />
Spanne an Übersetzungen<br />
und bieten hohen<br />
Wirkungsgrad über den<br />
gesamten Übersetzungsbereich.<br />
Mit ihrem Drehmomentbereich von bis zu 130 bzw.<br />
bis zu 200 Nm sind sie in vielen Anwendungen einsetzbar.<br />
Spiroplan-Getriebe und -Getriebemotoren sind seit vielen Jahren<br />
fester Bestandteil des Getriebeportfolios von SEW-Eurodrive. Die<br />
spezielle Spiroplan-Verzahnung ermöglicht einen wirtschaftlichen<br />
Aufbau der Getriebe und ist gleichzeitig eine zuverlässige<br />
und verschleißfreie Winkelgetriebestufe. Bei den W..9-Getrieben<br />
befindet sich die Spiroplan-Verzahnung in der ersten Stufe mit<br />
einer verhältnismäßig kleinen Übersetzung. Die zweite und, je<br />
nach Gesamtübersetzung dritte Getriebestufe werden mit<br />
Stirnradverzahnungen realisiert. Dadurch liegt der Gesamtwirkungsgrad<br />
des Getriebes auch bei großen Gesamtübersetzungen<br />
auf einem sehr hohen Niveau.<br />
www.sew-eurodrive.de<br />
OBERFLÄCHENSCHUTZ FÜR DIFFERIERENDE<br />
ANWENDUNGEN<br />
Um seine Antriebssysteme<br />
vor Korrosion, Chemikalien,<br />
Abrieb, Kratzern und<br />
Feuchtigkeit zu schützen,<br />
nutzt Nord Drive Systems<br />
auf den Einsatzfall<br />
zugeschnittene Verfahren<br />
– von der Beschichtung bis<br />
zur Veredelung.<br />
Bei Lackierungen verwendet<br />
Nord High-Solid-Lacke<br />
mit einem Feststoffanteil bis 80 %, die die Emissionsvorteile von<br />
Hydrolacken mit der Funktionalität lösemittelhaltiger Beschichtungsmaterialien<br />
vereinen. Für die Elektroindustrie empfiehlt der<br />
Hersteller leitfähige Pulverlacke, die auch ein statisches Aufladen<br />
der Antriebstechnik verhindern und frei von Lösungsmitteln sind.<br />
Die nsd tupH-Veredelung zielt hingegen darauf, Aluminium<br />
ähnlich korrosionsfest wie Edelstahl zu gestalten. Dabei wird eine<br />
permanent mit dem Grundwerkstoff verbundene Schutzschicht<br />
erzeugt. So kann nichts abplatzen oder abblättern. Etwaige<br />
Beschädigungen bleiben lokal und breiten sich nicht aus. Die<br />
Antriebe lassen sich leicht reinigen und sind weitgehend resistent<br />
gegen Säure und Laugen.<br />
www.nord.com<br />
MODULARE GETRIEBELÖSUNG FÜR ALLE MOTOREN<br />
In der Regel sind Adapter erforderlich, um Getriebe und Motor miteinander zu verbinden.<br />
Der daraus resultierenden Schnittstellenproblematik begegnet Nabtesco mit Servomotoren<br />
der neuen Neco-Serie. Statt jeden Motortyp über ein eigenes Interface anzubinden,<br />
ermöglicht das modulare Baukastensystem eine problemlose Adaption aller gängigen<br />
Servomotoren. Durch die Kombinationen standardisierter Elemente entstehen definierte<br />
Interfaces, die ein breites Spektrum an Antrieben abdecken. So lassen sich die Getriebe mit<br />
allen auf dem Markt verfügbaren Motorenmarken nutzen. Bei der Neco-Reihe handelt es<br />
sich um vollständig geschlossene Getriebeeinheiten. Sie erreichen eine hohe Präzision mit<br />
einem Hystereseverlust von 0,5 arc.min und verfügen über doppelt gelagerte Exzenterwellen sowie eine gelagerte Antriebswelle.<br />
www.nabtesco.de<br />
www.<strong>antriebstechnik</strong>.de <strong>antriebstechnik</strong> <strong>2021</strong>/01-02 27
GETRIEBE UND GETRIEBEMOTOREN<br />
ZAHNSTANGENGETRIEBE<br />
FLUGZEUGBAUTEILE AUF<br />
HERZ UND NIEREN GEPRÜFT<br />
Flugzeugkabinen können in starke Schwingungen geraten, die den Komfort und<br />
die Sicherheit der Passagiere beeinträchtigen. Die Technische Universität<br />
Hamburg entwickelt deshalb Dämpfungselemente, die Vibrationen verringern<br />
und zudem die Fertigung von Flugzeugteilen in Leichtbauweise ermöglichen<br />
sollen. Das Zahnstangengetriebe Lifgo 5.3 von Leantechnik spielt eine zentrale<br />
Rolle in dem Forschungsprojekt.<br />
Die Entwicklung von Leichtbaustrukturen für Flugzeugkabinen<br />
ist einer der Schwerpunkte des Instituts für Produktentwicklung<br />
und Konstruktionstechnik (PKT) der<br />
TU Hamburg. Mehrere Forschungsprojekte beschäftigen<br />
sich mit dem Thema, bei dem die Reduzierung von Vibrationen<br />
eine große Rolle spielt. Diese Vibrationen entstehen u. a. durch Turbulenzen<br />
oder durch die Schwingungen defekter Turbinen. Da die<br />
Kabine fest mit der tragenden Struktur des Flugzeugs verschraubt<br />
ist, werden diese Schwingungen von außen direkt ins Innere der<br />
Maschine übertragen.<br />
Sven Schürmann ist Marketingreferent<br />
bei der Leantechnik AG in Oberhausen<br />
Bei einer Unwucht in der Turbine kann es zu einem starken Aufschwingen<br />
der Kabinenstruktur kommen, sodass eine Verletzungsgefahr<br />
für Personal und Passagiere besteht. Würde man eine Möglichkeit<br />
finden, die Kabine zu dämpfen, wäre das nicht nur ein<br />
Fortschritt im Hinblick auf Sicherheit und Komfort. Dann ließen<br />
sich aufgrund der geringeren Belastungen auch die massiven Verbindungen<br />
durch leichtere Konstruktionen ersetzen.<br />
GERINGERER EMISSIONSAUSSTOSS DANK<br />
LEICHTBAUWEISE<br />
Durch die Fertigung der Kabine im Leichtbau würden die Flugzeuge<br />
weniger Kerosin verbrauchen – für die Hersteller ein wichtiges zusätzliches<br />
Verkaufsargument im harten Wettbewerb. Die Luftfahrt<br />
hat großes Interesse daran, die Kabinenelemente zu dämpfen. Bis<br />
28 <strong>antriebstechnik</strong> <strong>2021</strong>/01-02 www.<strong>antriebstechnik</strong>.de
GETRIEBE UND GETRIEBEMOTOREN<br />
her haben sich die Flugzeug-Hersteller allerdings hauptsächlich mit<br />
Dämpfungsmaßnahmen einzelner Komponenten, anstatt mit der<br />
Dämpfung der Flugzeug-Struktur als solches beschäftigt. Das würde<br />
eine aufwändige Grundlagenforschung erfordern, die sehr teuer ist.<br />
Deshalb haben sich die Hamburger Wissenschaftler um Projektleiter<br />
Univ.-Prof. Dr.-Ing. Dieter Krause des Themas angenommen.<br />
ZIEL DES PROJEKTS<br />
Das Ziel ihres von der Deutschen Forschungsgemeinschaft (DFG)<br />
finanzierten Projekts ist es, Feder-Dämpferelemente (Impedanz-<br />
Elemente) zu entwickeln, die zwischen Außenstruktur und Kabine<br />
installiert werden und einen Großteil der Vibrationen auffangen<br />
sollen. Impedanz-Elemente sind Maschinenelemente, welche aus<br />
einem einstellbaren Federelement und einem einstellbaren Dämpfungselement<br />
bestehen. Es können z. B. Hydraulikdämpfer, bestehend<br />
aus zwei Fluid-Kammern, die durch einen schmalen einstellbaren<br />
Kanal miteinander verbunden sind, verwendet werden. In<br />
der Mitte des Elements befindet sich dann die Kolbenfläche, die<br />
sich nach links und rechts bewegt, um dabei das Fluid von einer<br />
Kammer in die andere zu strömen. Dadurch, dass das Fluid nur<br />
durch den kleinen Kanal von einer Kammer in die andere gelangen<br />
kann, entsteht Fluidreibung, die eine dämpfende Wirkung hat.<br />
An dem Projekt beteiligen sich neben den Hamburger Wissenschaftlern<br />
auch Kollegen des Instituts für Produktentwicklung<br />
(IPEK) am Karlsruher Institut für Technologie (KIT) und<br />
der Product Development Group (pd|z) des Institute of Design,<br />
Materials and Fabrication der ETH Zürich. Während die Hamburger<br />
sich auf die Entwicklung von Impedanz-Elementen für Flugzeuge<br />
konzentrieren, erforschen die Wissenschaftler am KIT unter der Leitung<br />
von Univ.-Prof. Dr.-Ing. Sven Matthiesen Dämpfungselemente<br />
für Power-Tools wie Bohrhammer und in der Schweiz arbeitet<br />
Univ.-Prof. Dr.-Ing. Mirko Meboldt mit seinem Team an Impedanz-<br />
Elementen für die Robotik.<br />
ZAHNSTANGENGETRIEBE ERMÖGLICHTE TESTS<br />
Für die Entwicklung der Impedanz-Elemente sind umfangreiche Tests<br />
nötig. Eigentlich müsste für jedes Testszenario ein eigenes Feder-<br />
Dämpfungselement konstruiert werden, das die realen mechanischen<br />
Eigenschaften abbildet. Da dies jedoch sehr kostenintensiv<br />
wäre, entwickeln die Wissenschaftler Impedanz-Elemente, deren<br />
Steifigkeits- und Dämpfungsverhalten sich an den jeweiligen Testfall<br />
anpassen lässt.<br />
Univ.-Prof. Dr.-Ing. Dieter Krause und sein Team konstruieren sowohl<br />
translatorische als auch rotatorische Impedanz-Elemente, die<br />
auf entsprechenden Prüfständen getestet werden. Der rotatorische<br />
Prüfstand des Instituts ist allerdings für die Versuche an den relativ<br />
kleinen Dämpfungselementen zu groß – die Tests wären sehr aufwändig.<br />
Emil Heyden und seine Kollegen hatten deshalb die Idee,<br />
eine kleinere translatorische Prüfvorrichtung zu einem rotatorischen<br />
Teststand umzubauen. „Dazu brauchten wir ein Zahnstangengetriebe<br />
mit möglichst geringem Spiel, das die translatorische<br />
Bewegung der Hydraulikzylinder in eine rotatorische Bewegung<br />
übersetzt“, erinnert sich Emil Heyden, Doktorand am PKT. „Wir<br />
haben am Markt zuerst keine passende Komplett-Lösung gefunden<br />
www.<strong>antriebstechnik</strong>.de <strong>antriebstechnik</strong> <strong>2021</strong>/01-02 29
GETRIEBE UND GETRIEBEMOTOREN<br />
02<br />
01 Das Zahnstangengetriebe<br />
übersetzt die<br />
translatorische Bewegung<br />
des Hydraulikzylinders in<br />
eine rotatorische<br />
Bewegung, die dann auf<br />
den Prüfling einwirkt<br />
02 Der neue Prüfstand<br />
der TU Hamburg:<br />
Unmittelbar vor dem<br />
Fixierungselement (oben)<br />
befindet sich der Prüfling –<br />
an das Zahnstangengetriebe<br />
(unten) ist ein<br />
Hydraulikzylinder<br />
angeschlossen, der<br />
translatorische<br />
Bewegungen erzeugt<br />
01<br />
und waren schon dabei selbst eines zu bauen,<br />
als wir auf die Lifgo-Zahnstangengetriebe<br />
von Leantechnik gestoßen sind.“<br />
HOHE PRÄZISION UND<br />
VIELZÄHLIGE AUSFÜHRUNGEN<br />
Die Lifgo-Zahnstangengetriebe der Oberhausener<br />
Anbieter von linear gelagerten<br />
Zahnstangenhubgetrieben erfüllen die Anforderungen<br />
der Wissenschaftler aufgrund<br />
ihrer hohen Präzision. Die Zahnstangengetriebe<br />
sind in vier Baugrößen und sechs<br />
verschiedenen Ausführungen verfügbar<br />
und können mithilfe ihrer vierfach-rollengeführten<br />
Edelstahl-Zahnstange Quer- und<br />
Hubkräfte von bis zu 25 000 N aufnehmen.<br />
Das Modell mit einfacher Zahnstange lässt<br />
sich zudem zum Lifgo Linear umbauen und<br />
kann dann in Anwendungen mit langen<br />
Verfahrwegen eingesetzt werden.<br />
Die Variante Lifgo Doppel verfügt über<br />
zwei parallel laufende Zahnstangen und ist<br />
für Handling-Aufgaben konzipiert, die mithilfe<br />
von Zentrier- oder Greiferbewegungen<br />
ausgeführt werden. Mit dem Lifgo<br />
Linear Doppel wiederum können Greifund<br />
Zen trierbewegungen in Anwendungen<br />
mit langen Verfahrwegen bewältigt<br />
werden. Das Lifgo SVZ ist mit einer schrägen<br />
Verzahnung ausgestattet, die einen leisen<br />
Betrieb ermöglicht. In der Ausführung<br />
Lifgo Excenter lässt sich das Zahnflankenspiel<br />
individuell einstellen.<br />
STARKEN BELASTUNGEN<br />
AUSGESETZT<br />
Emil Heyden und seine Kollegen wählten<br />
für ihren rotatorischen Prüfstand die Version<br />
Lifgo 5.3 in der Excenter-Ausführung mit<br />
individuell einstellbarem Zahnflankenspiel.<br />
So können sie das Getriebe für verschiedene<br />
Testszenarios individuell einstellen, um<br />
möglichst wenig Spiel zu haben und aussagekräftige<br />
Messergebnisse zu bekommen.<br />
Das Lifgo 5.3 kann Hubkräfte von bis zu<br />
15 900 N aufnehmen und Drehmomente<br />
von bis zu 477 Nm übertragen. In dem Prüfstand<br />
der TU Hamburg erzeugt das Zahnstangengetriebe<br />
von Leantechnik eine rotatorische,<br />
sinusförmig gesteuerte oszillierende<br />
Bewegung des Prüflings, also des Impedanz-Elements.<br />
Dabei wirken Momente von<br />
bis zu 100 Nm auf die Dämpfungselemente<br />
ein – in Frequenzen von bis zu 30 Hz und in<br />
einem Winkel von ±30°. „Das bedeutet, dass<br />
wir das Zahnstangengetriebe bis zu 30-mal<br />
pro Sekunde nach links und nach rechts<br />
schwenken“, so Heyden.<br />
Die Lifgo-Zahnstangengetriebe werden in<br />
vielzähligen Anwendungen eingesetzt, bei<br />
denen sie hohen Belastungen standhalten<br />
müssen. So kommen sie u. a. in Positioniersystemen<br />
in der Automobil-Industrie zum<br />
Einsatz, die den Robotern Karosserien oder<br />
Motorhauben zur Weiterverarbeitung zuführen.<br />
Oder sie schieben ausgehärtete<br />
Kunststoff-Kartuschen mit großem Druck<br />
aus den Spritzgusswerkzeugen eines Klebstoff-Herstellers.<br />
Daneben liefern die Oberhausener<br />
unter dem Namen Leantranspo<br />
auch komplette, funktionsfertige Positioniersysteme,<br />
die nur noch angeschlossen<br />
werden müssen.<br />
Fotos: Aufmacher AdobeStock/stockphoto-graf,<br />
Einklinker Leantechnik, sonstige TU Hamburg<br />
www.leantechnik.com<br />
DIE IDEE<br />
„Der Einsatz von anpassbaren<br />
Feder-Dämpferelementen in der<br />
Luftfahrt ermöglicht weitreichende<br />
Optimierungen des Schwingungsverhalten<br />
in der Flugzeugkabine. Für<br />
unsere Versuche mussten wir einen<br />
neuen Teststand bauen, da die<br />
bisherigen Großkomponenten<br />
Prüfstände an unserem Institut dafür<br />
ungeeignet gewesen wären. Ohne<br />
die hochgenauen spielfreien Zahnstangengetriebe<br />
von Leantechnik<br />
hätten wir das kaum geschafft. Ein<br />
Getriebe-Eigenbau wäre sehr<br />
aufwändig gewesen.“<br />
Emil Heyden, Doktorand am Institut<br />
für Produktentwicklung und Konstruktionstechnik<br />
(PKT), TU Hamburg<br />
30 <strong>antriebstechnik</strong> <strong>2021</strong>/01-02 www.<strong>antriebstechnik</strong>.de
SICHERHEITSKUPPLUNG FÜR INDIREKTE<br />
ANTRIEBE<br />
Die Sicherheitskupplungen<br />
der<br />
Baureihe ECI von<br />
Enemac sind für<br />
indirekte Antriebe<br />
mit einer Passfedernut-Nabe<br />
im<br />
Bereich zwischen<br />
zwei und 900 Nm<br />
konstruiert und<br />
zeichnen sich durch<br />
eine breite Lagerstelle<br />
für Anbauteile<br />
aus. Mechanische Drehmomentbegrenzer schützen<br />
Maschinen und Produkten. Sie reagieren sekundenschnell<br />
binnen weniger Winkelgrade und greifen zwangstrennend<br />
und unabhängig von Stromausfällen in die Drehmomentübertragung<br />
ein, indem sie bei Überlast Antrieb und<br />
Abtrieb trennen. Enemac Sicherheitskupplungen sind mit<br />
einer 360°-Synchron-Raststellung versehen. Das verhindert<br />
lange Montagearbeiten beim Wiederanfahren nach<br />
einer Kollision. Die Kupplung rastet nach einer Umdrehung<br />
wieder selbstständig ein und überträgt das Drehmoment<br />
anschließend wieder zuverlässig. Anwender können<br />
die Sicherheitskupplungen bei bis zu 3 000 U/min in einer<br />
Umgebungstemperatur zwischen -30 und 200 °C verwenden.<br />
Die ECI-Baureihe ist in 15 Baugrößen erhältlich.<br />
www.enemac.de<br />
Shift to<br />
tra<br />
performance<br />
MULTI-ACHS-CONTROLLER ALS<br />
ALTERNATIVE ZUR SPS<br />
Maxon lanciert<br />
die nächste<br />
Generation<br />
seiner Motion<br />
Controller. Die<br />
Steuerung<br />
MiniMACS6-<br />
AMP-4/50/10<br />
kommt dort<br />
zum Einsatz, wo<br />
sich SPS-Lösungen<br />
nicht rechnen oder im Individualfall ungeeignet sind.<br />
Mit dem MiniMACS6-AMP-4/50/10 bringt der Hersteller<br />
einen kompakten Multi-Achs-Controller auf den Markt,<br />
der bis zu sechs DC- oder vier BLDC-Motoren dynamisch<br />
und präzise ansteuern kann (bis 540 W Dauerleistung und<br />
1,6 kW Spitzenleistung). Er eignet sich insbesondere für<br />
die Steuerung von autonomen Robotern und Shuttle-<br />
Systemen. Die neue Mehrachslösung lässt sich mit der<br />
Automatisierungssoftware ApossIDE und der lizenzfreien<br />
Motion Control-Library (C-Sprache) programmieren. Der<br />
Datenaustausch mit überordneten Steuerungen erfolgt<br />
über integrierte Bus- Schnittstellen. Komplette Prozessabläufe<br />
können aber auch autark ohne SPS oder PC ausgeführt<br />
werden. Einen ersten Eindruck vom MiniMACS6<br />
Mastercontroller vermittelt Maxon auf seinem virtuellen<br />
Messestand: virtualbooth.maxongroup.com.<br />
www.maxonmotor.com<br />
Xtra kompakt<br />
Xtra torsionssteif<br />
Xtra belastbar<br />
Das Xtra starke XP +<br />
WITTENSTEIN alpha – intelligente Antriebssysteme<br />
www.wittenstein-alpha.de
SPECIAL: ANTRIEBSTECHNIK IN VERPACKUNGSMASCHINEN<br />
CONDITION MONITORING<br />
WENN DER ANTRIEB ZUM SENSOR WIRD<br />
Erfahrene Mitarbeiter in der Produktion können buchstäblich hören, wenn eine<br />
Verpackungsmaschine nicht mehr einwandfrei läuft. Aber man muss sich nicht auf gute<br />
Ohren verlassen. Es gibt smartere Methoden – ganz ohne zusätzliche Sensorik. Gerade in<br />
der Verpackungsindustrie und bei der Getränkeabfüllung kann man davon profitieren.<br />
Ein plötzlicher Maschinenausfall schmerzt den Betreiber immer.<br />
Eine Gegenmaßnahme besteht in der ständigen Überwachung<br />
des Gesundheitszustandes einer Maschine oder eines<br />
Systems: dem Condition Monitoring. Vielen Maschinenbauern<br />
erscheint diese Methode zu komplex und zu teuer. Auf den Einsatz<br />
teuerer Sensoren kann zumindest verzichten, wer die Informationen<br />
aus den Devices der Maschine deutet.<br />
Immer wieder werden Condition Monitoring und Predictive<br />
Maintenance fälschlicherweise als synonyme Bezeichnungen verwendet.<br />
Predictive Maintenance ist die Vorhersage von Ereignissen<br />
oder der Wahrscheinlichkeit von Ereignissen, beispielsweise wann<br />
die Wahrscheinlichkeit, dass ein Getriebedefekt in den nächsten<br />
20 Betriebsstunden auftritt, auf über 95 Prozent steigt. Mit einer<br />
solchen Prognose könnte man den Austausch des Getriebes vor<br />
dem tatsächlichen Ausfall planen.<br />
Beim Condition Monitoring geht es zunächst darum überhaupt<br />
zu erkennen, dass sich der Zustand des Getriebes verschlechtert.<br />
ABWEICHUNGEN VOM MODELL?<br />
Leider gibt es in der Regel keine Möglichkeit, den Zustand oder<br />
die „Gesundheit“ einer Maschine oder einer einzelnen Komponente<br />
direkt zu messen. Das Condition Monitoring stützt sich<br />
daher auf die Interpretation vorhandener Daten. Dazu bedarf es<br />
eines tiefen Verständnisses von Maschinen und Prozessen, um<br />
aus „nackten“ Messwerten gehaltvolle Informationen zu generieren.<br />
Dieses Wissen ist bei OEMs, die ihre Maschinen kennen und die<br />
Prozesse der Anwender verstehen, bereits vorhanden. Analysen<br />
auf Basis von Machine Learning (ML) und Künstlicher Intelligenz<br />
(KI) können das Aufspüren von Anomalien unterstützen.<br />
Um daraus tragfähige Anwendungen zu schaffen, gibt es zwei<br />
unterschiedliche Ansätze. Der erste ist modellbasiert. Ihm liegt eine<br />
angenommene mathematische Beschreibung der Maschine zugrunde,<br />
aus der sich bestimmte Soll-Werte ergeben, die den<br />
Normalzustand beschreiben. Überschreiten die gemessenen Werte<br />
Klaas Nebuhr, Head of digital Portfolio bei Lenze Digital in Bremen
estimmte Toleranzen, kann dies als Störung interpretiert werden, die in<br />
einem Condition-Monitoring-Dashboard eine Warnung auslöst.<br />
GESCHÄFTSMODELLE GEMEINSAM ENTWICKELN<br />
Der andere Ansatz ist datenbasiert. Ein Algorithmus lernt zunächst das<br />
Verhalten des Systems und die gegenseitige Beeinflussung der gemessenen<br />
Parameter. Dies können bei einer Verpackungsmaschine beispielsweise<br />
Geschwindigkeit, Beschleunigung, Drehmoment, Position oder<br />
Stromaufnahme eines Antriebs sein. Die im laufenden Betrieb gemessenen<br />
Werte werden mit dieser erlernten Beschreibung verglichen, um<br />
Abweichungen zu definieren.<br />
Beide Ansätze greifen auf bereits vorliegenden Messwerte zurück<br />
und bedürfen keiner zusätzlichen Sensorik. Denn bereits beim Zusammenspiel<br />
von Stromaufnahme, Beschleunigung und Drehmoment werden<br />
Abweichungen sichtbar, die auf einen verschlechterten Zustand<br />
hinweisen.<br />
Wie diese Dateninterpretation in der Praxis funktioniert, lässt sich anhand<br />
einer Verpackungsmaschine veranschaulichen, in der Hubbewegungen<br />
über einen Spindelantrieb generiert werden.<br />
Für den Spindelantrieb lässt sich ein mathematisches Modell skizzieren,<br />
das unter anderem Stromaufnahme, Drehmoment und Beschleunigung<br />
beschreibt. Bei immer gleich schweren Werkstücken sollten diese Werte<br />
immer gleichbleiben. Ein möglicher Defekt, etwa an den Kugellagern,<br />
führt zu einer höheren Reibung an der Spindel. Die gemessenen Werte<br />
zeigen in diesem Fall eine Abweichung. Die Interpretation der ungewöhnlichen<br />
Ist-Werte führt zu dem Schluss, dass ein Problem am Spindelantrieb<br />
vorliegt, und der Anwender muss darüber informiert werden.<br />
Lenze als Anbieter eines umfangreichen Automatisierungsportfolios<br />
liefert nicht nur Antriebe und die passende Programmierumgebung,<br />
sondern auch vorgetestete Algorithmen für verschiedene Anwendungen,<br />
die eine schnelle Entwicklung von Condition-Monitoring-Lösungen erlauben.<br />
Zudem unterstützt der Hersteller Maschinenbauer dabei, ihre nutzensteigernden<br />
Geschäftsmodelle für Condition-Monitoring-Services gemeinsam<br />
zu entwickeln. Lenze kann mit seiner Erfahrung Maschinenbauern<br />
helfen, die Informationsschätze zu heben, die sich aus der Interpretation<br />
von Daten auf Basis ihres Prozess-Know-hows und Maschinenwissens<br />
gewinnen lassen.<br />
EDGE-BASED UND CLOUD-LÖSUNGEN<br />
Die datenbasierte Auswertung kann lokal erfolgen, etwa wenn der flexible<br />
Cabinet Controller c750 zum Einsatz kommt. Dieser hybride Rechner,<br />
der klassische SPS-Funktionen als auch eine Windows-10-Plattform<br />
vereint und damit einen zusätzlichen Industrie-PC im Schaltschrank<br />
überflüssig macht, bietet genügend Rechenleistung für einfache ML- und<br />
KI-Anwendungen.<br />
Für Anwendungen, bei denen sehr komplexe Modelle gerechnet oder<br />
mehrere Maschinen miteinander verglichen werden sollten, steht mit<br />
dem Lenze- IIoT- Gateway x500 auch der Weg in die Cloud offen. Auch<br />
hier ist der Anwender frei in seiner Entscheidung. Nutzt er bereits eine<br />
Plattform, etwa Microsoft Azure oder Amazon Web Services, kann er seine<br />
Maschinendaten dort auswerten lassen. Er kann aber auch auf die X4-<br />
Solutions von Lenze zurückgreifen. Der Vorteil dieser schlüsselfertigen<br />
Lösung liegt in der Integration umfangreicher Funktionen für OEM und<br />
Anwender. Die Lösung unterstützt dabei, die Auswertung in selbst konfigurierten<br />
Dashboards zu visualisieren, Alarme einrichten und Live-<br />
Überwachung ermöglichen. Beim Showcase wird durch eine Maschinensimulation<br />
der digitale Zwilling abgebildet und die problembehaftete<br />
Komponente wird farblich hervorgehoben.<br />
Fotos: Lenze<br />
www.lenze.com<br />
Lokale Datenauswertung: Hybride Rechner, die<br />
SPS-Funktionen und Windows-10-Plattform<br />
kombinieren, bieten genügend Rechenleistung<br />
für einfache ML- und KI-Anwendungen<br />
DIE IDEE<br />
„Für ein effizientes Condition Monitoring<br />
ist eine zusätzliche Sensorik<br />
nicht zwingend notwendig. Die<br />
Devices der Maschine können als<br />
Sensoren dienen. Der entscheidende<br />
Faktor ist der OEM und sein Maschinenund<br />
Prozesswissen, das es ihm<br />
ermöglicht, sich zum Data Scientist<br />
seiner Maschinen zu entwickeln. Ein<br />
Anbieter wie Lenze, der in allen<br />
beteiligten Feldern – Hardware,<br />
Software, Vernetzung und Cloud-<br />
Applikationen– aktiv ist, kann seinen<br />
Partnern dabei wertvolle Unterstützung<br />
geben.“<br />
Klaas Nebuhr, Head of digital<br />
Portfolio bei Lenze Digital<br />
www.<strong>antriebstechnik</strong>.de <strong>antriebstechnik</strong> <strong>2021</strong>/01-02 33
SPECIAL: ANTRIEBSTECHNIK IN VERPACKUNGSMASCHINEN<br />
TRIBOPOLYMERE IN VERPACKUNGSMASCHINEN<br />
GUTE FÜHRUNG OHNE<br />
SCHMIERUNG<br />
In der neuen Generation der Thermoform-Verpackungsanlagen<br />
PowerPak Plus hat das Unternehmen GEA eine Vielzahl von<br />
Innovationen miteinander vereint. Wichtige Kriterien für die<br />
eingesetzten Komponenten waren: Verzicht auf aktive<br />
Schmierung, lange Lebensdauer, hygienegerechte Konstruktion<br />
und Eignung für intensive Reinigungsprozesse.<br />
Beim Verpacken von frischen Lebensmitteln – insbesondere von Fleisch und<br />
Käse – hat sich das Thermoformen durchgesetzt. Eine stabile Unterfolie wird in<br />
die vom Anwender gewünschte Schalenform gebracht, die Ware eingelegt<br />
(wenn gewünscht im Vakuum oder unter Schutzgas) und mit einer meist transparenten<br />
Oberfolie versiegelt.<br />
Lebensmittelhersteller, die dabei auf hohe Verpackungsqualität sowie auf eine lange<br />
Lebensdauer der Verpackungslinie achten, nutzen für diese Aufgabe häufig die Maschinen<br />
der PowerPak Serie von GEA Food Solutions. Entsprechend hoch waren die Anforderungen<br />
bei der Entwicklung der neuen PowerPak Plus. Auch die Reputation von GEA<br />
– einem international führenden Anbieter von Prozesstechnik für die Nahrungsmittelindustrie<br />
mit einem Umsatz von 4,83 Milliarden Euro (2018) – legte die Messlatte hoch.<br />
Die Erwartungen wurden jedenfalls erfüllt, denn die PowerPak Plus verkauft sich gut.<br />
Was auch nicht überrascht, denn die GEA Konstrukteure in Biedenkopf-Wallau haben<br />
echte Innovationen mit klarem Kundennutzen realisiert und dabei, wie schon bei der<br />
Vorgängerserie, den Igus-Konstruktionsbaukasten zu Hilfe genommen.<br />
Eine Innovation der neuen Thermoformanlage ist die freie Sicht auf den Prozess. Die<br />
klassischen Schutzhauben wurden durch eine einzige Schiebetür ersetzt, die sich über<br />
die gesamte Arbeitsbreite von bis zu drei Metern nach unten schieben lässt. Geführt<br />
wird die Tür an beiden Seiten über Igus Linearsysteme der Serie Drylin W und das entsprechende<br />
Drylin Hybrid-Rollenlager. Sie sind verdeckt eingebaut und werden über<br />
Gegengewichte in der gewünschten Position gehalten. Mit dieser unkonventionellen<br />
Lösung haben die GEA Ingenieure auch die Sicherheitsexperten der Berufsgenossenschaft<br />
überzeugt. Jürgen Niesar, Konstrukteur in der Forschung und Produktentwicklung:<br />
„Sie haben nur als zusätzliche Absicherung eine Lichtschranke am oberen Abschluss<br />
der Tür gefordert.“<br />
DIE IDEE<br />
„Verpackungsmaschinen sind aufgrund<br />
der komplexen Anforderungen,<br />
die sich aus zu verpackendem Produkten<br />
und der Notwendigkeit der<br />
Reinigung ergeben, ein anspruchsvolles<br />
Umfeld für Konstrukteure. Die<br />
Polymere von Igus lösen einige der<br />
Probleme. Sie sind schmiermittelfrei<br />
und daher hygienetechnisch sehr<br />
geeignet und werden sowohl als<br />
Gleitlager als auch als Kugellager<br />
eingesetzt. In der elektrisch leitfähigen<br />
Variante entschärfen die<br />
Igus-Tribopolymere auch die Gefahren<br />
elektrostatischer Aufladungen<br />
beim Folienabrollen.“<br />
Lars Braun, Leiter Branchenmanagement<br />
Verpackungsindustrie bei Igus<br />
in Köln<br />
34 <strong>antriebstechnik</strong> <strong>2021</strong>/01-02 www.<strong>antriebstechnik</strong>.de
KEINE AKTIVE SCHMIERUNG<br />
Die Vorteile der Schiebetür bestehen in der freien Sicht und dem<br />
optimalen Zugang zum Arbeitsraum. Die Drylin Linearführungen<br />
bieten den Vorteil, dass sie ein leichtgängiges Auf und Ab der Tür<br />
ermöglichen und ohne aktive Schmierung auskommen. Das ist für<br />
GEA aus mehreren Gründen eine zentrale Anforderung. Jürgen<br />
Niesar: „Da die Maschinen Nahrungsmittel verpacken, verzichten<br />
wir auf Schmierung, da sie Kontaminationen verursachen könnte.“<br />
Auch die aus Hygienegründen erforderliche Reinigung der Anlagen<br />
und weitere Umgebungsbedingungen erschweren die Auswahl<br />
von Antriebskomponenten: Einige Anwender reinigen ihre Verpackungsmaschinen<br />
mit Heißdampf, andere schäumen sie mit Säuren<br />
oder Laugen ein. Auch Trockeneis kommt zum Einsatz. Das alles sind<br />
extreme Belastungen für die Lagerstellen. Schmierstoff würde schnell<br />
ausgewaschen, deshalb fordert GEA schmierstofffreie Komponenten.<br />
Zudem ist die Umgebung wegen der Reinigung meist feucht und<br />
die Temperatur kann sehr kalt (zum Beispiel bei der Verpackung von<br />
Fleisch- und Wurstwaren) oder warm (in Großbäckereien) sein.<br />
All das stellt besondere Anforderungen an rotative und lineare<br />
Lager. Die Antriebskomponenten von Igus sind für solche Anwendungen<br />
entwickelt. Bei den Linearlagern werden Aluminium- oder<br />
Edelstahlführungen verwendet, auf denen Gleitelemente aus Tribo-Polymeren<br />
mit inkorporiertem Schmierstoff verfahren. Diese<br />
Werkstoffkombination kommt ohne zusätzliche Schmierstoffe aus<br />
und bewährt sich unter den widrigen Umgebungsbedingungen der<br />
Nahrungsmittelverarbeitung und –verpackung.<br />
EINFACH AUFGEBAUT UND<br />
ELEKTRISCH LEITFÄHIG<br />
Die meist dünnen Oberfolien der Verpackungen werden mit einer<br />
definierten Bahnspannung abgerollt. Ein von GEA selbst entwickelter<br />
Torquemotor bewegt die bis zu 200 Kilogramm schwere Folienrolle,<br />
eine „schnelle“ Regelung hält die Bahnspannung im gewünschten<br />
Bereich. Das Spannsystem – eine verstellbare Rolle –<br />
wird rezeptabhängig voreingestellt, die bislang übliche „Tänzerrolle“<br />
entfällt. Beim Folienwechsel fährt die Verstellung die Rolle aus<br />
dem Spannsystem. Diese lineare Verstellung wird automatisch über<br />
ein Lineargleitlager vom Typ Drylin JUM vorgenommen, bei dem<br />
ein Tribokunststofflager aus leitfähigem Iglidur F2 eine elektrostatische<br />
Aufladung der Folie verhindert. Frank Sabato, Konstrukteur in<br />
der Produktentwicklung Horizontalverpackung: „Wir haben ein<br />
Gleitlager in die Gleitfläche integriert, die als Linearfolie ausgeführt<br />
ist. Das funktioniert in der Praxis sehr gut und ersetzt das Ableiten<br />
über ein Kupferband.“<br />
Die Führungsrollen selbst werden mit den Xiros Polymerkugellagern<br />
gelagert. Frank Sabato: „Auch hier nutzen wir den Vorteil der<br />
elektrostatischen Ableitung. Beim Einsatz konventioneller Kugellager,<br />
kann es zum Funkenüberschlag kommen.“ Einen weiteren Vorteil<br />
zeigt Frank Sabato, indem er eine Rolle leicht in Drehung versetzt:<br />
Sie läuft und läuft und läuft, da aufwendige Dichtungskonzepte beim<br />
Xiros Design überflüssig sind. Die Kombination von Polymergehäuse<br />
und Edelstahlkugeln ermöglicht einen schmiermittel- und wartungsfreien<br />
Betrieb, die FDA-Zulassung dokumentiert die Eignung für die<br />
Nahrungsmittelverpackung. Zudem kann GEA nun mit nur drei hygienisch<br />
geschlossenen, elektrisch leitfähigen und leichtgängigen Serienrollen<br />
alle Umlenkungen der PowerPak Plus realisieren.<br />
Der Folienlauf muss nicht nur im Hinblick auf Abrollgeschwindigkeit<br />
und Spannung reguliert werden, sondern auch in der Längsrichtung.<br />
Jürgen Niesar: „Ein Sensor erfasst die Bahnkante und gibt<br />
der Steuerung eines Stellmotors in der Rollentrommel das Signal<br />
zum Nachregeln. Für den Anwender heißt das: Er kann verschiedenste<br />
Folienqualitäten verarbeiten.“ Technisch wird die Bahnkantenverstellung<br />
wiederum mit dem Igus Antriebsbaukasten gelöst:<br />
Ein DC-Motor treibt eine Drylin Trapezgewindespindel an, die<br />
Mutter aus Iglidur Tribokunststoff verschiebt die Rolle axial (Bild 3).<br />
HUBSYSTEM FÜR TIEFZIEH- UND SIEGELSTATIONEN<br />
Ein für die Thermoformanlagen ganz wichtiger Bewegungsablauf<br />
wurde schon bei der Vorgängergeneration der PowerPak Plus mit<br />
Igus Lagern dargestellt. Die schweren Werkzeuge der Tiefzieh- und<br />
Siegelstationen, in denen die Unterfolie unter Einwirkungen von<br />
Druck und Wärme ihre Form erhalten, müssen in vertikaler Richtung<br />
beweglich sein. Dies gewährleisten Hubstationen mit Linearhub-<br />
und Kniehebelsystemen. Ihre Achsen werden in Iglidur Gleitlagern<br />
geführt, wobei je nach Anwendung zwei verschiedene Polymerwerkstoffe<br />
– Iglidur J und Iglidur Z – zum Einsatz kommen und<br />
hohe Kräfte aufnehmen. Für die Linearhübe werden Drylin Linearfolien<br />
und Linearclipslager der Serie Iglidur JUCM verbaut.<br />
Mit der neuen PowerPak Plus-Baureihe hat GEA die Erwartungen<br />
der „Verpacker“ bestens erfüllt. Die Igus Antriebselemente leisten<br />
dazu einen wesentlichen Beitrag.<br />
Bilder: Igus & GEA<br />
www.igus.de<br />
Auch in der Unterfolienabwicklung<br />
wird die verschiebbare<br />
Sicherheitseinhausung<br />
mit leichtgängigen Linearführungen<br />
bewegt<br />
www.<strong>antriebstechnik</strong>.de <strong>antriebstechnik</strong> <strong>2021</strong>/01-02 35
MAGNETKUPPLUNGEN FÜR REIBUNGSLOSEN BETRIEB<br />
ALLES IM TAKT<br />
Verpackungsmaschinen müssen schnell, präzise und möglichst<br />
unterbrechungsfrei arbeiten. Und das am besten über lange Zeiträume ohne<br />
Verschleiß ausgleichen zu müssen. Diese hohen Anforderungen können durch<br />
den Einsatz von berührungslosen Magnetkupplungen sehr gut erfüllt werden.<br />
Magnetkupplungen sind langlebiger und zuverlässiger<br />
als mechanische Ausführungen, denn sie übertragen<br />
das Drehmoment berührungslos und unterliegen deshalb<br />
keinerlei Verschleiß. Bei mechanischen Kupplungen<br />
entsteht dagegen im Betrieb nicht nur Abrieb, der die Funktion<br />
der Maschine beeinträchtigen kann. Auf die Dauer verändert sich<br />
durch die Abnutzung auch das Drehmoment. Da beides in Verpackungsmaschinen<br />
nicht gewünscht ist, kommt Magnetkupplungen<br />
bei der Konstruktion des Antriebsstrangs eine große Bedeutung zu.<br />
Sie können nicht abnutzen und übertragen das gewünschte Drehmoment<br />
daher konstant und ohne Abweichungen.<br />
MAGNETKUPPLUNGEN IN VIELEN VARIANTEN<br />
Bei der Integration von Magnetkupplungen in Verpackungsmaschinen<br />
ist die Wahl der richtigen Ausführung entscheidend für die<br />
optimale Funktion der Anwendung. Ein großes Angebot an Magnetkupplungen<br />
finden Konstrukteure bei KBK Antriebstechnik:<br />
„Wir bieten Maschinen- und Anlagenbauern eine große Vielfalt,<br />
damit jeder die ideale Lösung für seine Applikation findet“, beschreibt<br />
KBK-Geschäftsführer Dipl.-Ing. (FH) Sven Karpstein seine<br />
Philosophie. Das Unternehmen aus dem unterfränkischen Klingenberg<br />
hat nicht nur verschiedenen Hysteresemagnet-Kupplun-<br />
gen im Programm, sondern fertigt auch Permanentmagnet-Kupplungen.<br />
Diese eignen sich für Anwendungen mit Drehmomenten<br />
von 1,2 ... 150 Nm sowie Wellendurchmessern von 3 bis 44 mm und<br />
gleichen sogar teilweise radialen Wellenversatz aus – bei minimalen<br />
Rückstellkräften.<br />
Hysteresemagnet-Kupplungen hat KBK in vielen verschiedenen<br />
Ausführungen.– z. B. mit beidseitiger Klemmnaben-Anbindung,<br />
mit aufgelaserter Skala und individuell einstellbarem Überlastmoment<br />
oder als Variante speziell für Anwendungen mit Schraub- und<br />
Wickelvorgängen. Die Hysteresemagnet-Kupplungen sind für niedrige<br />
Drehmomente zwischen 0,1 und 5 Nm ausgelegt, wie sie unter<br />
anderem in Getränke-Abfüllanlagen für PET-Flaschen benötigt<br />
werden.<br />
FORDERUNGEN AN SCHRAUBVERSCHLIESSER<br />
In diesen Verpackungsanlagen ist das Aufbringen des Schraubverschlusses<br />
ein kritischer Moment. Er muss mit exakt dem richtigen<br />
Drehmoment auf das Gewinde der Flaschenmündung aufgezogen<br />
werden: Bei einem zu hohen Anzugsmoment sitzt der Verschluss zu<br />
fest und lässt sich vom Verbraucher kaum lösen. Wird der Deckel<br />
dagegen mit zu wenig Kraft angezogen, sind die Flaschen undicht.<br />
Eine Hysteresemagnet-Kupplung im sogenannten Verschließkopf<br />
36 <strong>antriebstechnik</strong> <strong>2021</strong>/01-02 www.<strong>antriebstechnik</strong>.de
SPECIAL: ANTRIEBSTECHNIK IN VERPACKUNGSMASCHINEN<br />
01<br />
02<br />
01 Hysteresemagnet-Kupplungen<br />
rutschen im Fall einer Überlast sanft<br />
durch. Sie eignen sich damit für den<br />
Einsatz an Schraubverschließern von<br />
Getränkeabfüllanlagen oder in<br />
Dehnfolien-Verpackungsmaschinen<br />
02 Permanentmagnet-Kupplungen<br />
von KBK wurden speziell für<br />
Anwendungen mit hohen<br />
Dreh momenten entwickelt<br />
des Schraubverschließers sorgt deshalb dafür, dass die Deckel mit<br />
konstantem Drehmoment auf die Flasche aufgebracht werden. Sobald<br />
das erforderliche Anzugsmoment erreicht ist, wird der Verschließkopf<br />
durch die Magnetkupplung gleitend vom Antrieb des<br />
Schraubverschließers abgekoppelt. Würde man hierfür eine Permanentmagnet-Kupplung<br />
verwenden, käme es zu einer ruckelnden<br />
Trennung der Kraftübertragung zwischen Schraubverschließer und<br />
Deckel. Dadurch würde der Verschluss sehr fest angezogen und wäre<br />
dann nur noch schwer zu öffnen. Beim Verschließen von Glasflaschen<br />
ist dieser Effekt dagegen ausdrücklich erwünscht, um eine<br />
optimale Abdichtung der Flasche zu erzielen. Die Schraubverschließer<br />
dieser Anlagen sollten daher mit Permanentmagnet-<br />
Kupplungen ausgestattet werden.<br />
STÖRUNGEN OHNE PRODUKTIONSSTOPP<br />
Ein anderes wichtiges Einsatzgebiet von Magnetkupplungen sind<br />
Stauförderer, wie sie u. a. in Großbäckereien zum Transport der<br />
Backwaren verwendet werden. Diese Anlagen müssen rund um die<br />
Uhr an sieben Tagen in der Woche störungsfrei arbeiten. Mechanische<br />
Kupplungen eignen sich für diese Anwendung nicht besonders<br />
gut, da sie im Fall einer Überlast An- und Abtrieb voneinander<br />
trennen und dann erst mühsam manuell wieder eingerastet werden<br />
müssen. Durch diesen Vorgang entstehen Stillstandzeiten, die hohe<br />
Kosten verursachen.<br />
„Mit Magnetkupplungen hat man dieses Problem nicht“, berichtet<br />
Sven Karpstein. „Der Betrieb der Anlage kann sofort weiterlaufen,<br />
wenn z. B. durch ein verkeiltes Brot eine Störung aufgetreten ist<br />
und diese behoben wurde.“ Darüber hinaus erfüllen Magnetkupplungen<br />
auch die strengen Hygienevorschriften, da sie im Gegensatz<br />
zu mechanischen Kupplungen keinen Abrieb erzeugen, der ins<br />
Produkt gelangen könnte. Und schließlich muss dieser Kupplungstyp<br />
nicht gewartet werden, sodass in dieser Hinsicht keine Investitionen<br />
oder Fertigungsstopps nötig sind. Magnetkupplungen<br />
eignen sich vor allem deshalb ideal für Verpackungsmaschinen,<br />
weil sie eine Vielzahl an Überlastvorgängen überstehen ohne dabei<br />
zu verschleißen. Überlasten treten bei Verpackungsmaschinen immer<br />
wieder auf: So werden z. B. bei Horizontal-Kartonierern die in<br />
den Karton einzufüllenden Produkte parallel zur Faltschachtel auf<br />
einem Kassettenband angeliefert und von einem Schieber in die<br />
Schachtel geschoben. Bei diesem Vorgang kann es leicht zu Überlasten<br />
kommen.<br />
Ein anderes Beispiel sind Kartonform- oder Kartonverschließanlagen:<br />
Hier können die Schneidwerkzeuge verkanten und somit eine<br />
Überlast verursachen. Auch sind Dehnfolien-Verpackungsmaschinen<br />
zu nennen, bei denen die Folie immer in einer konstanten<br />
Spannung gehalten werden muss. „Sobald sich diese Spannung ändert<br />
oder es beim Spannvorgang ruckelt, reißt die Folie“, weiß Karpstein.<br />
Setzt der Maschinenbauer aber Hysteresemagnet-Kupplungen<br />
ein, bleibt die Folienspannung konstant.<br />
KBK liefert Herstellern von Verpackungsmaschinen eine große<br />
Vielfalt an Magnetkupplungen. Das zeigt sich auch in der Materialauswahl:<br />
„Wir fertigen auf Wunsch jede Magnetkupplung aus Edelstahl<br />
oder setzen spezielle Magnete und Klebstoffe ein – z. B. für<br />
Hochtemperatur-Applikationen“, berichtet Karpstein. Er und sein<br />
Team unterstützen die Kunden zudem bei der Auslegung und Berechnung<br />
der erforderlichen Dreh- und Überlastmomente.<br />
In Zukunft wird KBK sein Portfolio an Magnetkupplungen weiter<br />
ausbauen. Die Antriebstechnik-Profis haben nämlich ein ehrgeiziges<br />
Ziel: Sie wollen ihren Kunden möglichst viele Ausführungen<br />
und Varianten für ihre Anwendungen anbieten.<br />
Fotos: KBK Antriebstechnik & adobe Stock<br />
www.kbk-<strong>antriebstechnik</strong>.de<br />
DIE IDEE<br />
„Magnetkupplungen haben gegenüber<br />
anderen Kupplungen den Vorteil,<br />
verschleißfrei zu sein. So können sie<br />
häufigen Überlastvorgängen, wie sie<br />
beim Verschrauben oder Folienziehen<br />
häufig auftreten, gut wegstecken. Je<br />
nach Einsatzgebiet eignen sich<br />
Hysteresemagnetkupplungen oder<br />
Permanentmagnetkupplungen besser.<br />
KBK will seinen Kunden beide Sorten in<br />
möglichst vielen Varianten anbieten.“<br />
Dipl.-Ing (FH) Sven Karpstein,<br />
Geschäftsführer KBK Antriebstechnik,<br />
Klingenberg am Main<br />
www.<strong>antriebstechnik</strong>.de <strong>antriebstechnik</strong> <strong>2021</strong>/01-02 37
FORSCHUNG UND ENTWICKLUNG<br />
SYSTEMVERHALTEN VON MASCHINEN<br />
AUF DEM WEG ZUR AUTONOMEN<br />
WERKZEUGMASCHINE – MECHATRONISCHE<br />
DÄMPFUNGSSYSTEME ALS BEFÄHIGER<br />
Eine Werkzeugmaschine zur Autonomie zu befähigen ist ein großes Ziel der<br />
aktuellen Ingenieurswissenschaft. Wichtig ist dabei die Kontrolle und ggf. die<br />
Kompensation von Umgebungseinflüssen. Das Institut für<br />
Werkzeugmaschinen der Universität Hannover forscht in dieser Hinsicht an<br />
mechatronischen Schwingungsdämpfern.<br />
EINLEITUNG<br />
Autonom von der Bauteilzeichnung zum perfekten Bauteil – In der<br />
Vision der autonomen Werkzeugmaschine konfiguriert sich die<br />
Maschine selbst und führt den Produktionsprozess selbstständig<br />
aus. Hierbei wählt die Maschine eigenständig ihre Prozessparameter<br />
und passt diese bei schwankenden Produktionsbedingungen<br />
an. Die Autonome Werkzeugmaschine reagiert dabei selbstständig<br />
auf äußere Störeinflüsse. Äußere Störeinflüsse können z. B. durch<br />
schwankende Umgebungseinflüsse sowie Maschinenschwingungen<br />
entstehen und destabilisieren den Bearbeitungsprozess. Um<br />
instabile Prozesse reaktionsschnell zu kompensieren und gleichzeitig<br />
maximale Prozessparameter realisieren zu können, sind Maschinenkomponenten<br />
und Zusatzsysteme erforderlich, die eigenständig<br />
auf entsprechende Störungen reagieren.<br />
In Bild 01 sind die Stufen der Automatisierung von Maschinenkomponenten<br />
dargestellt. Der Übergang vom menschlichem Eingriff<br />
zur Modifizierung der Maschinenstruktur hin zum autonomen<br />
maschinellen Eingriff in die Maschinenstruktur ist in fünf<br />
Stufen gegliedert. Hierbei werden ähnlich zu dem Standpunktpapier<br />
„Industriearbeitsplatz 2025“ [BEH18] der Wissenschaftlichen<br />
Gesellschaft für Produktionstechnik (WGP) Analogien zur Vision<br />
des autonomen Fahrens aufgegriffen. Die unterste Stufe (Stufe 0)<br />
beinhaltet rein passive Zusatzsysteme. Die selbstlernende Adaptronik<br />
stellt die oberste Stufe (Stufe 4) der Automatisierung von<br />
Maschinenkomponenten dar. Es handelt sich hier um autonome<br />
Struktursysteme. Durch lernende adaptive Regelungssysteme<br />
werden die Systemgrenzen eigenständig erkannt und erweitert.<br />
Die Regelungssysteme sind hierbei autarke Einheiten innerhalb<br />
der Maschinenstruktur. Selbstlernende adaptronische Systeme<br />
können in die Maschinenstruktur integriert werden und modifizieren<br />
eigenständig das Systemverhalten der Maschine. Durch die<br />
Verbindung mit einer selbstlernenden Maschinen- und Prozessregelung,<br />
die höchste Stufe der Automatisierung von Produktionsprozessen<br />
nach [BEH18], lassen sich in Zukunft autonome Werkzeugmaschinen<br />
realisieren.<br />
Ziel aktueller Forschung ist es, Methoden und Anwendungen als<br />
Befähiger zur selbstlernenden Adaptronik und somit zur autonomen<br />
Werkezugmaschine zu erforschen. Das Institut für Fertigungstechnik<br />
und Werkzeugmaschinen (IFW) der Leibniz Universität<br />
Hannover forscht deswegen an integrierten, mechatronischen<br />
Dämpfungssystemen zur aktiven Schwingungskompensation.<br />
Diese bilden die Schwelle von mechatronischen Zusatzsystemen<br />
(Stufe 2) hin zur Adaptronik (Stufe 3) und stellen somit eine Schlüsseltechnologie<br />
auf dem Weg zur autonomen Werkzeug maschine<br />
dar. Im folgenden Beitrag wird anhand zweier Beispiele mechatronischer<br />
Dämpfungssysteme der Übergang zwischen den zwei Stufen<br />
vorgestellt.<br />
AKTIVE RUCKENTKOPPLUNG<br />
Für Bearbeitungsprozesse mit vielen Richtungswechseln ist ein<br />
schnelles Erreichen der eingestellten maximalen Achsbeschleunigung<br />
für die Erreichung minimaler Bearbeitungszeiten ausschlaggebend.<br />
Hierdurch können die maximalen Geschwindigkeiten für<br />
den Bearbeitungsprozess auch bei kurzen Verfahrwegen erreicht<br />
werden. Durch den Einsatz von Lineardirektantrieben mit hohen<br />
Kraftanstiegsgeschwindigkeiten lassen sich solch hohe Beschleunigungsänderungen<br />
prinzipiell realisieren. Die Einleitung der Reaktionskraft<br />
in die Maschinenstruktur führt jedoch zu ungewollten<br />
Strukturschwingungen. Insbesondere die impulsartigen Beschleunigungsänderungen<br />
führen dazu, dass die kritischen Eigenformen<br />
der Maschinenstruktur durch ein breitbandiges Kraftspektrum angeregt<br />
werden. Als Folge kommt es zu dynamischen Auslenkungen<br />
der Struktur und somit zu einer Relativbewegung zwischen Werkzeug<br />
und Werkstück [ALT11]. Die Konsequenz dieser Relativbewegung<br />
ist eine Reduzierung der Werkstückqualität.<br />
Um die Strukturschwingungen zu vermeiden bzw. zu reduzieren,<br />
erfolgt i. d. R. eine softwareseitige Begrenzung des Rucks. Hierfür<br />
wird in der Bahnplanung der Ruck auf einen Maximalwert begrenzt.<br />
Dies resultiert jedoch in einer Verringerung der Achsdynamik<br />
und führt somit zu längeren Bearbeitungszeiten als theoretisch<br />
mit höherem Ruck realisierbar. Die am Institut für Fertigungstechnik<br />
und Werkzeugmaschinen (IFW) entwickelte Methode der aktiven<br />
Ruckentkopplung ermöglicht eine Erhöhung der Ruckwerte bei<br />
gleichzeitiger Verringerung der Strukturschwingungen.<br />
Die Methode der aktiven Ruckentkopplung basiert auf der Integration<br />
eines zusätzlichen Aktorelements in den Kraftfluss zwischen<br />
38 <strong>antriebstechnik</strong> <strong>2021</strong>/01-02 www.<strong>antriebstechnik</strong>.de
FORSCHUNG UND ENTWICKLUNG<br />
01 Stufen der Automatisierung von Maschinenkomponenten in Anlehnung an [BEH18]<br />
Stufe 0<br />
Passiv<br />
Stufe 1<br />
Assistiert<br />
Stufe 2<br />
Automatisiert<br />
Stufe 3<br />
Teil-Autonom<br />
Stufe 4<br />
Autonom<br />
Menschlicher<br />
Eingriff<br />
Passive Zusatzsysteme<br />
Exakte<br />
Abstimmung des<br />
Systems auf<br />
zuvor bekannte<br />
Störungen<br />
Adaptierbare<br />
passive Zusatzsysteme<br />
Manuelle<br />
Adaption des<br />
Systems auf<br />
identifizierte<br />
Störungen und<br />
Systemänderungen<br />
Mechatronische<br />
Zusatzsysteme<br />
Aktorik + Sensorik<br />
+ Regler nicht<br />
strukturintegriert<br />
Aktive<br />
Kompensation von<br />
unerwarteten<br />
aber bekannten<br />
Störungen<br />
+<br />
Erkennen der<br />
Systemgrenzen<br />
Adaptronik<br />
Aktorik + Sensorik<br />
strukturintegriert<br />
Aktive<br />
Kompensation von<br />
unerwarteten<br />
aber bekannten<br />
Störungen<br />
+<br />
Erkennen der<br />
Systemgrenzen<br />
undAdaption an<br />
geänderte<br />
Bedingungen innerhalb<br />
der<br />
Systemgrenzen<br />
Selbstlernende<br />
Adaptronik<br />
Autonom<br />
Aktorik + Sensorik<br />
+ Regler<br />
strukturintegriert<br />
Aktive<br />
Kompensation von<br />
unerwarteten<br />
und unbekannten<br />
Störungen<br />
+<br />
Erweitern der<br />
Systemgrenzen<br />
undAdaption an<br />
geänderte<br />
Bedingungen<br />
Autonome Maschinenkomponenten<br />
Bh/89236 © IFW<br />
Antrieb und Maschinenstruktur. In Bild 02 ist das Prinzip der aktiven<br />
Ruckentkopplung als Mehrkörper-Ersatzmodell dargestellt.<br />
Das Ersatzmodell bildet die vereinfachte Maschinenstruktur der X-<br />
Achse mit integriertem Entkopplungsaktor ab. Das dynamische<br />
Verhalten der vereinfachten Maschinenstruktur entspricht hierbei<br />
den dominanten Starrkörperschwingungen der Vorschubachse.<br />
Die Starrkörperschwingungen setzen sich aus den Schwingungen<br />
der Massen von Maschinenbett und Ruckentkopplungsschlitten<br />
(REK-Schlitten) in X-Richtung zusammen. Hierbei resultiert die<br />
Starrkörperschwingung des Maschinenbetts aus elastischen Verformungen<br />
der Aufstellelemente (hier als Feder-Dämpfer-Elemente<br />
(FDE) dargestellt). Der REK-Schlitten ist zwischen Achsantrieb und<br />
Maschinenbett platziert. Die Anbindung des REK-Schlittens an das<br />
Maschinenbett erfolgt über Feder-Dämpfer-Elemente. Die Strukturschwingung<br />
des REK-Schlittens wird aus der Anbindung über<br />
die Feder-Dämpfer-Elemente an das Maschinenbett hervorgerufen.<br />
Der REK-Schlitten führt so eine Schwingung relativ zum Maschinenbett<br />
aus. Eine Kopplung des REK-Schlittens an das Maschinenbett<br />
über Feder-Dämpfer-Elemente wird als „passive Ruckentkopplung“<br />
bezeichnet. Ziel der passiven Ruckentkopplung ist die<br />
Entkopplung von Spektralanteilen der Antriebskräfte, die zu einer<br />
Resonanzüberhöhung der Schwingung des Maschinenbetts führen.<br />
Das Konzept der passiven Ruckentkopplung wurde bereits in<br />
[HES08] und [GÜM14] erforscht. Bei Verfahren der Achse wirkt die<br />
Reaktionskraft -F M<br />
des Motors auf den REK-Schlitten. Durch die<br />
Platzierung des REK-Schlittens in den Kraftfluss zwischen Antrieb<br />
und Maschinenbett, wirkt die passive Ruckentkopplung als mechanischer<br />
Tiefpass zweiter Ordnung (PT2-Glied). Als Folge wird das<br />
Frequenzspektrum der Motorkraft gefiltert in das Maschinenbett<br />
02 Mehrkörper-Ersatzmodell einer Vorschubachse mit<br />
integriertem Entkopplungsaktor<br />
Achsantrieb<br />
F M<br />
F M<br />
Entkopplungsaktor<br />
-F A<br />
F A S N<br />
REK-Schlitten<br />
x REK<br />
Maschinenbett<br />
Feder-Dämpfer<br />
Austellelemente<br />
X<br />
Z<br />
Elemente PREK<br />
Fundament<br />
Bh/xxxxx<br />
Bh/89231 ©IFW<br />
gekoppelt. Aufgrund des PT2-Verhaltens kommt es jedoch zu einer<br />
Resonanzüberhöhung bei der Eigenfrequenz der passiven Ruckentkopplung.<br />
Um diese zusätzliche Resonanzüberhöhung der passiven<br />
Ruckentkopplung zu dämpfen, wird eine aktive Komponente<br />
(Entkopplungsaktor) in die Struktur integriert. Resultierende Starrkörperschwingungen<br />
von REK-Schlitten und Maschinenbett werden<br />
mit Hilfe von Beschleunigungssensoren auf REK-Schlitten und<br />
Maschinenbett detektiert. Anhand des Systemmodells werden anschließend<br />
im Regelungssystem die Aktorkraft F A<br />
und die Aktordynamik<br />
des Entkopplungsaktors berechnet. Die durch den Entkopplungsaktor<br />
eingebrachte Aktorkraft F A<br />
wirkt den Strukturschwingungen<br />
entgegen. Durch die Schwingungskompensation<br />
x G<br />
www.<strong>antriebstechnik</strong>.de <strong>antriebstechnik</strong> <strong>2021</strong>/01-02 39
FORSCHUNG UND ENTWICKLUNG<br />
Bei der Hochgeschwindigkeitszerspanung stellt nicht mehr die<br />
Leistungsfähigkeit der Antriebe die Leistungsgrenze dar, sondern<br />
die Prozessstabilität von Fräsoperationen. Für hohe Zeitspanvolumina<br />
werden die Grenzen der Produktivität durch Ratterschwingungen<br />
bei instabilen Prozesszuständen erreicht. Ratterschwingungen<br />
sind selbsterregte Schwingungen, die aufgrund einer ungünstigen<br />
dynamischen Wechselwirkung aus Zahneingriffsfrequenz<br />
(Drehzahl) und Strukturschwingungen des Werkzeugs<br />
entstehen. Wird die Spindelwelle durch Kräfte infolge des Zahneingriffs<br />
zu Schwingungen angeregt, entstehen Relativverlagerungen<br />
zwischen Werkzeug und Werkstück. Aufgrund dieser Verlagerung<br />
kann es zu einer Variation der Spanungsdicke bei jedem Zahneingriff<br />
kommen. Hieraus resultiert eine sich zeitlich ändernde<br />
Schnittkraft F C<br />
. Eine zeitliche Änderung der Schnittkraft wirkt auf<br />
die Spindelstruktur zurück, sodass eine geschlossene Wirkkette<br />
entsteht. Ist die Strukturdämpfung der Spindel nicht hinreichend<br />
hoch, wird der Zerspanprozess instabil, und die Werkzeugmaschine<br />
„rattert“. Diese Ratterschwingungen reduzieren die Werkstückqualität<br />
sowie die Lebensdauer von Werkzeug und Maschine.<br />
Um Prozessinstabilitäten zu vermeiden, wird in der Regel die<br />
Schnitttiefe beziehungsweise -breite verringert. Zur Kompensation<br />
von Ratterschwingungen an der Hauptspindel erforscht das IFW<br />
gemeinsam mit dem Institut für Antriebssysteme und Leistungselektronik<br />
(IAL) der Leibniz Universität Hannover eine Methode<br />
zur motorintegrierten Spindeldämpfung. Die Methode ermöglicht<br />
eine Erhöhung der Grenzschnitttiefe bei gleichzeitiger Verringerung<br />
der Strukturschwingungen.<br />
Der Ansatz der motorintegrierten Spindeldämpfung basiert auf<br />
der Integration eines elektromagnetischen Aktors in das Aktivteil<br />
eines Synchronmotors [BIC15]. Hierfür wurde der Bauraum einer<br />
bestehenden Motorspindelkonstruktion verändert. In Bild 05 oben<br />
ist das Funktionsmuster a) im Querschnitt als Prinzipdarstellung<br />
gezeigt. Die dynamische Schnittkraftänderung führt zu einer dominanten<br />
Biegeeigenform der Werkzeugspindel (siehe Bild 05, blaue<br />
strichpunktierte Linie). Um die Biegeeigenform der Spindel zu beeinflussen,<br />
ist das externe Aktorwicklungssystem mittig zwischen<br />
zwei Motorsegmente positioniert. Die Permanentmagnete auf dem<br />
Rotorblechpaket werden im Bereich des Aktorwicklungssystems<br />
durch einen magnetischen Rückschluss ersetzt. Durch die Anordnung<br />
von drei um 120° versetzten Aktorsträngen um den Spindelschaft<br />
(Bild 05, rechts) kann ein Kraftvektor, ähnlich wie bei einem<br />
Magnetlager [MAS09], erzeugt werden. Zur Detektion der Spindelschwingungen<br />
sind drei Wirbelstromsensoren in unmittelbarer Nähe<br />
zu der Aktorwicklung verbaut. Anhand eines Systemmodells<br />
werden dann in einem Regelungssystem die notwendige Stellkraft<br />
und die Kraftrichtung berechnet. Durch Transformationsberechnungen<br />
werden Kraft und Kraftrichtung anteilig für die Aktorstränge<br />
berechnet. Die entsprechenden Aktorstränge werden bestromt,<br />
sodass die resultierenden Grenzflächenkräfte den Schwingungen<br />
entgegen wirken, sodass diese aktiv gedämpft werden.<br />
Das Konzept der motorintegrierten Spindeldämpfung wurde mit<br />
Hilfe von Fräsversuchen anhand des Funktionsmusters a) evaluiert.<br />
In den Versuchen wurden Nuten in ein Werkstück aus dem Werkstoff<br />
EN AW-7075 (3.4365) mit unterschiedlichen Werkzeugdurchmessern<br />
(D WZ = 25 mm und D WZ = 16 mm) gefräst. Um die Leiswerden<br />
die Schwingungen vom Maschinenbett entkoppelt. Die aktive<br />
Ruckentkopplung wirkt so als Tiefpass zweiter Ordnung ohne<br />
Reso-nanzüberhöhung, wie sie bei einer passiven Ruckentkopplung<br />
auftritt.<br />
Um die Eigenschaften aktiv ruckentkoppelter Vorschubachsen zu<br />
erforschen, wurde am IFW ein Kreuztisch-Prüfstand mit integrierter<br />
aktiver Ruckentkopplung konzipiert und aufgebaut (Bild 03).<br />
Der Versuchsstand ermöglicht den experimentellen Vergleich von<br />
aktiver Ruckentkopplung, passiver Ruckentkopplung und einer<br />
starren Anbindung des REK-Schlittens an das Maschinenbett. Die<br />
aktive Ruckentkopplung ist hierbei in die überlagerte X-Achse des<br />
Kreuztisches implementiert. Der Entkopplungsaktor ist als konventioneller<br />
Lineardirektantrieb 1 FN3600-4WC00 der Siemens AG, mit<br />
einer Nennkraft von F A<br />
= 5 kN, zwischen REK-Schlitten und Y-<br />
Schlitten positioniert. Das Sekundärteil des REK-Aktors ist auf dem<br />
REK-Schlitten und das Primärteil auf dem Y-Schlitten angebracht.<br />
Zur Evaluierung der aktiven Ruckentkopplung wurde das dynamische<br />
Strukturverhalten des Kreuztisches bei passiver Ruckentkopplung,<br />
aktiver Ruckentkopplung und starrer Anbindung im Frequenz-<br />
und im Zeitbereich bestimmt. Für die Betrachtung im Frequenzbereich<br />
wurde das Nachgiebigkeitsverhalten zwischen<br />
Hauptantrieb und Maschinengestell anhand des Nachgiebigkeitsfrequenzgangs<br />
analysiert. Hierfür wurde die Maschinenstruktur<br />
über den Hauptantrieb der X-Achse über eine sinusförmige Kraftanregung<br />
mit einer Amplitude von F M<br />
= 350 N in einem Bereich von<br />
3 Hz bis 250 Hz bei einer Schrittweite von 0,5 Hz angeregt. Mit Hilfe<br />
eines Laservibrometers (Polytec, OFV 303) wurden die resultierenden<br />
Gestellschwingungen in X-Richtung am Y-Schlitten bei aktiver<br />
Ruckentkopplung, passiver Ruckentkopplung und starrer<br />
Anbindung ermittelt. Links in Bild 04 ist der Nachgiebigkeitsfrequenzgang<br />
des Gestells bei passiver Ruckentkopplung (blau), aktiver<br />
Ruckentkopplung (rot) und starrer Anbindung (schwarz)<br />
dargestellt. Bei starrer Anbindung ist eine Resonanzüberhöhung<br />
bei 38 Hz zu sehen. Die Starrkörperschwingung des Maschinengestells<br />
wird bei dieser Frequenz maximal angeregt. Die dynamische<br />
Nachgiebigkeit beträgt dabei δ = 250 µm/kN. Durch das Tiefpassverhalten<br />
der passiven Ruckentkopplung wird die maximale dynamische<br />
Nach giebigkeit bei 38 Hz um 80 % reduziert (von δ = 250<br />
µm/kN auf 50 µm/kN). Zu erkennen ist die zusätzliche Resonanzerhöhung<br />
in der Eigenfrequenz der passiven Ruckentkopplung bei<br />
5 Hz. Die dynamische Nachgiebigkeit beträgt bei der Eigenfrequenz<br />
δ = 100 kN/µm. Durch den Einsatz der aktiven Ruckentkopplung<br />
wird die Resonanzüberhöhung durch die passive Ruckentkopplung<br />
um 50 % (von δ = 100 kN/µm auf 50 µm/kN) reduziert. Die Wirkung<br />
der aktiven Ruckentkopplung als Tiefpass zweiter Ordnung wird<br />
anhand der Reduzierung der beiden Resonanzüberhöhungen bei<br />
passiver Ruckentkopplung ersichtlich.<br />
Zur Validierung des Ansatzes wurden Positioniersprünge mit einem<br />
Weg s = 120 mm bei einem trapezförmigen Beschleunigungsprofil<br />
(a max<br />
= 15 m/s², v max<br />
= 0,5 m/s) für unterschiedliche Ruckwerte<br />
durchgeführt. In Bild 04 rechts ist die Auslenkung des Maschinengestells<br />
für einen Ruck von r = 500 000 m/s³ über der Zeit dargestellt.<br />
Dieser Ruck stellt die maximale Belastung der starren Anbindung<br />
dar und wurde als Referenzwert verwendet. Es zeigt sich, dass<br />
durch die passive Ruckentkopplung die maximale Amplitude im<br />
Vergleich zur starren Anbindung um 40 % (von x G<br />
= 42 µm“ auf<br />
25 µm) reduziert wird. Die Gestellschwingung bei passiver Ruckentkopplung<br />
weist jedoch eine um 40 % höhere Ausschwingzeit auf.<br />
Die Auslenkung des Maschinengestells bei aktiver Ruckentkopplung<br />
hat eine ähnliche Amplitude wie die passiver Ruckentkopplung.<br />
Die Ausschwingzeit ist gegenüber der passiven<br />
Ruckentkopplung jedoch um 50 % kürzer.<br />
Ziel weiterer Forschung ist der Vergleich der Entkopplungs-Maßnahmen<br />
innerhalb einer Werkzeugmaschine im Fräsversuch. Hierfür<br />
wird eine Werkzeugmaschine mit existierender passiver Ruckentkopplung<br />
um die aktive Ruckentkopplung erweitert.<br />
MOTORINTEGRIERTE SPINDELDÄMPFUNG<br />
40 <strong>antriebstechnik</strong> <strong>2021</strong>/01-02 www.<strong>antriebstechnik</strong>.de
FORSCHUNG UND ENTWICKLUNG<br />
tungsfähigkeit der Spindeldämpfung zu bewerten,<br />
wurden Bearbeitungsparameter gewählt, die im ungedämpften<br />
Fall zu einem instabilen Bearbeitungsprozess<br />
führen. Aus den Prozessparametern resultiert<br />
beim Werkzeug mit D WZ = 25 mm ein instabiler<br />
Bearbeitungsprozess. Bei den Versuchen wurde eine<br />
Hälfte der Nut mit deaktivierter Dämpfung bearbeitet.<br />
Im Anschluss erfolgten eine Unterbrechung des<br />
Vorschubs und eine Aktivierung der Dämpfung. Der<br />
Rest der Nut wurde mit aktivierter Dämpfung bearbeitet.<br />
Bild 06 oben zeigt das Messsignal des internen<br />
Schwingungsmesssystems in X-Richtung für<br />
den Bearbeitungsprozess mit den gewählten Prozessparametern.<br />
Das Messsignal resultiert aus der<br />
kartesischen Transformation der drei Wirbelstromsensoren.<br />
Im ungedämpften Fall ist anhand des Anstiegs<br />
der Schwingungsamplitude ab dem Zeitpunkt<br />
t = 2,7 s eine Instabilität erkennbar. Nach dem Einschalten<br />
der aktiven Dämpfung nehmen die Schwingungsamplituden<br />
um 40 % ab. Anhand einer optischen<br />
Betrachtung des Nutgrunds (Bild 06, Mitte) ist<br />
im gedämpften Fall eine Oberfläche ohne signifikante<br />
Rattermarken zu erkennen. Der Nutgrund des<br />
ungedämpften Prozesses weist hingegen deutliche<br />
Rattermarken auf. Die Messung des Flankenprofils<br />
(Bild 06, unten) erfolgte über ein taktiles Rauheitsmessgerät.<br />
Die Analyse des Flankenprofils zeigt,<br />
dass durch eine aktive Spindeldämpfung der Mittenrauwert<br />
R a<br />
um 95 % und die gemittelte Rautiefe R z<br />
um 88 % reduziert werden können [BIC15].<br />
Durch die externe Dämpfungswicklung ergibt sich<br />
jedoch eine Einschränkung beim Betrieb des Funktionsmusters<br />
a). Das Aktivteil des Spindelmotors ist in<br />
diesem Konzept in zwei Teile unterteilt. Die Dämpfungswicklung<br />
ist zwischen den beiden Statorteilen<br />
positioniert. Als Folge ist die Aktivteillänge des Stators<br />
im Vergleich zu einem baugleichen Motor um<br />
57 % reduziert (von 140 mm auf 60 mm). Im gleichen<br />
Maße wird das maximale Motormoment (von 38 Nm<br />
auf 16,34 Nm) und die entsprechende Motorleistung<br />
(von 43,5 kW auf 18,7 kW) reduziert [BIC15].<br />
Um dieser Einschränkung zu begegnen, wird am<br />
IFW aktuell ein neuartiges Konzept erforscht. Hierbei<br />
werden die Aktorstränge in das Statoraktivteil eines<br />
konventionellen Motors integriert. In Bild 05<br />
unten ist das Konzept schematisch dargestellt<br />
(Funktionsmuster b). Als Motor wurde für dieses<br />
Konzept ein Synchronmotor mit vergrabenen Permanentmagneten<br />
ausgewählt. Der Vorteil gegenüber<br />
einer Variante mit oberflächenmontierten Permanentmagneten<br />
sind ein kleinerer magnetisch<br />
wirksamer Luftspalt für die Aktorstränge und ein<br />
besserer Schutz der Permanentmagnete gegen Demagnetisierung.<br />
Die Anordnung der drei Aktorstränge<br />
in den Nuten der Statorwicklung zeigt<br />
Bild 05 unten rechts. Die Aktorwicklung beanspruchen<br />
hierdurch einen Teil des Bauraums der Statorwicklung.<br />
Die Dämpfungskräfte werden entsprechend<br />
über die gesamte Länge des Motors aufgebracht.<br />
Für die Messung der Spindelschwingungen<br />
sind nur geringfügige Änderungen der konventionellen<br />
Konstruktion notwendig. Hierfür wird in der<br />
Nachgiebigkeit δ<br />
Beschleunigungssensor<br />
REK-<br />
Schlitten<br />
Y-Schlitten<br />
KGT<br />
Y-Achse<br />
Maschinenbett<br />
Y<br />
µm/kN<br />
X<br />
10 1<br />
10 0 Aktive Ruckentkopplung<br />
10 -1 Passive Ruckentkopplung<br />
0 10 20 30 Hz 50<br />
Frequenz f<br />
Bh/89234 © IFW<br />
03 Kreuztisch-Prüfstand<br />
04 Schwingverhalten der Maschinenstruktur im Frequenzbereich (links) und im<br />
Zeitbereich (rechts)<br />
Auslenkung Gestell x G<br />
60<br />
µm<br />
20<br />
0<br />
-20<br />
Hauptantrieb<br />
Gestell-<br />
10 3 Nachgiebigkeitsfrequenzgang<br />
-50 % Starre Anbindung -80 %<br />
Gestellschwingung bei<br />
Positionssprung<br />
Passive Ruckentkopplung<br />
Feder-Dämpfer<br />
Elemente<br />
Messfleck<br />
Vibrometer<br />
Bh/89233 © IFW<br />
Aktive Ruckentkopplung<br />
-50 %<br />
-40<br />
-60 -40 % Starre Anbindung<br />
0 0,2 0,4 0,6 s 1<br />
Zeit t<br />
Bh/89235 © IFW<br />
05 Prinzipieller Aufbau der motorintegrierten Dämpfungsaktoren. Funktionsmuster<br />
a) mit externem Aktor, Funktionsmuster b) mit im Stator integrierten Aktorwicklungen<br />
www.<strong>antriebstechnik</strong>.de <strong>antriebstechnik</strong> <strong>2021</strong>/01-02 41
FORSCHUNG UND ENTWICKLUNG<br />
DIE AUTOREN<br />
06 Stabilisierung eines instabilen Prozesszustands. Messsignal der Auslenkung des<br />
Rotormittelpunkts XM (oben), Oberflächen- (Mitte) und Primärprofil Pt (unten)<br />
Prof. Dr.-Ing. Berend Denkena,<br />
Geschäftsführende Leitung<br />
IFW Hannover<br />
Dr. Ing. Benjamin Bergmann,<br />
Bereichsleiter des Bereichs Maschinen<br />
und Steuerungen des Instituts<br />
für Fertigungstechnik und Werkzeugmaschinen<br />
(IFW) Hannover<br />
Mitte des Rotors ein Messring positioniert. Die drei Wirbelstromsensoren werden jeweils<br />
durch eine Bohrung in einem Statorzahn montiert. Eine Herausforderung bei der<br />
Konstruktion ist die Dimensionierung der Kombination von Statorwicklung und Aktorwicklung<br />
im Statoraktivteil. Eine gegenseitige Spannungsinduktion zwischen den<br />
Wicklungssystemen muss durch eine magnetische Entkopplung weitgehend vermieden<br />
werden. Eine in der Antriebswicklung induzierte Spannung würde sonst zu unerwünschten<br />
Wechselwirkungen mit der Leistungselektronik führen. Wird eine Spannung<br />
in der Aktorwicklung induziert, verändert dies den Strom in den Aktorwicklungen<br />
und führt zu einer unerwünschten Beeinflussung der Dämpfungskräfte. Die Dimensionierung<br />
von magnetisch entkoppelten Wicklungen erfolgt mithilfe<br />
zweidimensionaler Finite-Elemente-Berechnungen (FEM) mit dem Ziel, eine zum<br />
Funktionsmuster a) vergleichbare Aktorkraft zu erreichen. Die Simulationen zeigen,<br />
dass mit einer bestimmten Polpaarzahl und Wicklungsvariante bei einer Aufteilung<br />
des Bauraums in 40 % für die Aktorwicklung und 60 % für die Antriebswicklung eine<br />
hinreichende Entkopplung und eine ausreichende Dämpfungskraft erreicht werden<br />
kann. Günstig ist die Wahl einer Polpaarzahl von p A<br />
= 6 für die Aktorwicklung und von<br />
p M<br />
= 3 für die Antriebswicklung. Verglichen mit dem Funktionsmuster a) kann so das<br />
Motormoment um über 70 % (von 16,34 Nm auf 28 Nm) und die Motorleistung um<br />
über 50 % (von 18,7 kW auf 28 kW) erhöht werden. Das Motormoment liegt so nur<br />
noch um 25 % und die Motorleistung nur noch um 35 % unter den Werten einer konventionellen<br />
Motorspindel gleicher Größe. Nach [BIC15] liegt jedoch die dynamische<br />
Prozessgrenze aufgrund von Rattern von Funktionsmuster a) weit unterhalb der elektrischen<br />
Leistungsfähigkeit des Motors. Eine Steigerung des Zeitspanvolumens mit<br />
Funktionsmuster b) ist somit im Vergleich zu einem baugleichen Motor theoretisch<br />
M. Sc. Frederic Böhse,<br />
Wiss. Mitarbeiter Maschinenkomponenten,<br />
IFW Hannover<br />
M. Sc. Jan Königsberg,<br />
Wiss. Mitarbeiter, Institut für<br />
Antriebssysteme und Leistungselektronik<br />
(IAL) Hannover<br />
DANKSAGUNG<br />
Das Forschungsprojekt „Aktive Ruckentkopplung für Werkzeugmaschinen“<br />
(Projektnummer: 269666724) und das Forschungsprojekt „Methode zur<br />
motorintegrierten Dämpfung von Spindelschwingungen bei Werkzeugmaschinen“<br />
(Projektnummer: 112455566) werden mit Mitteln der Deutschen<br />
Forschungsgemeinschaft (DFG) gefördert. Das IFW bedankt sich für die<br />
finanzielle Unterstützung in diesen Projekten.<br />
Prof. Dr.-Ing. Bernd Ponick,<br />
Vorstand IAL Hannover<br />
42 <strong>antriebstechnik</strong> <strong>2021</strong>/01-02 www.<strong>antriebstechnik</strong>.de
FORSCHUNG UND ENTWICKLUNG<br />
erreichbar. Eine Herausforderung bei der Erzeugung der Stellkräfte<br />
ist die rotorlageabhängige Kraftwirkung des Aktors bei Funktionsmuster<br />
b). Aufgrund einer Überlagerung des Aktormagnetfelds mit<br />
dem Magnetfeld der rotierenden Permanentmagnete kommt es zu<br />
einer Beeinflussung der Aktorkraft in Richtung und Amplitude<br />
[KOE18]. Hierdurch ergibt sich eine aufwändigere Regelung der<br />
Stellkräfte des Funktionsmusters b) als bei Funktionsmuster a).<br />
Durch Kenntnis der Wechselwirkung muss das Regelungssystem<br />
entsprechend erweitert werden. Auf Basis des dimensionierten<br />
neuartigen Wicklungskonzepts wurde von der Franz Kessler GmbH<br />
nun ein Funktionsmuster b hergestellt. Aktuell erfolgt die experimentelle<br />
Analyse des Funktionsmusters und die Evaluierung des<br />
Ansatzes in Fräsversuchen.<br />
ZUSAMMENFASSUNG UND AUSBLICK<br />
Autonome Maschinenkomponenten nehmen eine Schlüsselrolle<br />
zur Umsetzung autonomer Werkzeugmaschine ein. Durch selbstlernende<br />
adaptronische Systeme werden Maschinenkomponenten<br />
befähigt, eigenständig auf unbekannte Störungen zu reagieren und<br />
sich an verändernde Umgebungsbedingungen anzupassen. Hierbei<br />
stellen mechatronische Zusatzsysteme und die Adaptronik Vorstufen<br />
zur vollständigen Autonomie von Maschinenkomponenten dar.<br />
Der vorliegende Beitrag zeigt am Beispiel von mechatronischer<br />
Dämpfungssystemen den Übergang von mechatronischen Zusatzsystemen<br />
hin zu adaptronischen Systemen. Die mechatronischen<br />
Dämpfungssysteme erfassen Strukturschwingungen mit Hilfe integrierter<br />
Sensorik. Anhand von Systemmodellen werden die notwendigen<br />
Stellkräfte zur Kompensation der Schwingungen berechnet.<br />
Mittels aktiver Ruckentkopplung lassen sich Schwingungen des<br />
Maschinengestells aktiv dämpfen, die durch Reaktionskräfte der<br />
Vorschubantriebe hervorgerufen werden. Durch den Einsatz der<br />
motorintegrierten Spindeldämpfung werden Ratterschwingungen<br />
aktiv innerhalb der Motorspindel gedämpft. Mechatronische<br />
Dämpfungssysteme stabilisieren hierdurch den Bearbeitungsprozess<br />
und führen zu einer erhöhten Produktivität. Diese erkennen eigenständig<br />
die Grenzen des Systems.<br />
Durch die vorgestellten mechatronischen Dämpfungssysteme<br />
wurde die Schwelle zur dritten Stufe der Skala der Automatisierung<br />
von Maschinenkomponenten aufgezeigt. Die vierte Stufe beinhaltet<br />
vollautonome Maschinenkomponenten. Durch die Integration<br />
weiterer Schlüsseltechnologien, wie zum Beispiel des maschinellen<br />
Lernens, werden zukünftig weitere Meilensteine hin zur autonomen<br />
Werkzeugmaschine erreicht.<br />
Bilder: IFW Universität Hannover<br />
Literaturverzeichnis<br />
[ALT11] Altintas Y, Verl A, Brecher C, Uriarte L, Pritschow G (2011) Machine tool<br />
feed drives. CIRP Annals 60(2):779–796.<br />
[BEH18] Behrens B-A, Groche P, Krüger J, Wulfsberg JP (2018) WGP-Standpunkt<br />
Industriearbeitsplatz 2025, Standpunktpapier, Garbsen.<br />
[BIC15] Bickel W (2015) Frässpindel mit motorintegrierter aktiver Dämpfung,<br />
Dr.-Ing. Dissertation, Garbsen, Leibniz Universität Hannover, IFW.<br />
[GÜM14] Gümmer O (2014) Produktivitäts- und Genauigkeitssteigerung von<br />
Fräsmaschinen durch ruckentkoppelte Vorschubantriebe und magnetische<br />
Führungseinheiten, Dr.-Ing. Dissertation, Garbsen, Leibniz Universität Hannover,<br />
IFW.<br />
[HES08] Hesse P (2008) Energieeffizientes Relativführungskonzept für ruckentkoppelte<br />
Vorschubachsen. Dr.-Ing. Dissertation, Leibniz Universität Hannover.<br />
[KOE18] Koenigsberg J, Reiners J, Ponick B, Denkena B, Bergmann B (2018)<br />
Highly Dynamic Spindle Integrated Magnet Actuators for Chatter Reduction.<br />
INTERNATIONAL JOURNAL OF AUTOMATION TECHNOLOGY 12(5):669–677.<br />
[MAS09] Maslen EH, Schweitzer G (Hrsg.) (2009) Magnetic Bearings: Theory,<br />
Design, and Application to Rotating Machinery. Springer-Verlag Berlin<br />
Heidelberg, Berlin, Heidelberg.<br />
IMPRESSUM<br />
erscheint <strong>2021</strong> im 60. Jahrgang, ISSN 0722-8546<br />
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