Der Ministerprasident des Landes Nordrhein-Westfalen
Der Ministerprasident des Landes Nordrhein-Westfalen
Der Ministerprasident des Landes Nordrhein-Westfalen
Sie wollen auch ein ePaper? Erhöhen Sie die Reichweite Ihrer Titel.
YUMPU macht aus Druck-PDFs automatisch weboptimierte ePaper, die Google liebt.
Sauerländer Heimatbund SAUERLAND<br />
te. Hingegen waren die Ratsherren<br />
grundsatzlich ehrenamtlich tatig. Doch<br />
hatten sie mancherlei Vergunstigun-<br />
gen, etwa bei den Steuern und Abga-<br />
ben, vor allem aber taten sie sich gern<br />
gutlich an den vielen oft recht uppigen<br />
Gastereien auf Kosten der Stadt.<br />
Mit der StadtgriJndung schied War-<br />
stein aus den alten Gerichtsbezirken<br />
aus, denen es bis dahin angehort<br />
hatte. Die Funktionen der Polizei und<br />
<strong>des</strong> Niedergerichts, die nach der Ka-<br />
rolingischen Gerichtsverfassung im so-<br />
genannten Gogericht konzentriert wa-<br />
ren, gingen auf den Magistrat uber,<br />
der sich gerade <strong>des</strong>halb als „Obrig-<br />
keit" fijhlte und auch so nannte. Die<br />
Funktionen <strong>des</strong> Hochgerichts, die da-<br />
mals die sogenannten Freigrafschaf-<br />
ten als Nachfolgerinnen der fran-<br />
kischen Grafengerichte ausubten, gin-<br />
gen auf einen vom erzbischoflichen<br />
Stadtherrn ernannten Richter Ciber, der<br />
aber vor der Bestallung das Biirger-<br />
recht erwerben muBte und dem in der<br />
Rechtsprechung zwei Schoffen zur<br />
Seite standen, die vom Magistrat je-<br />
weils aus der Zahl der angesehensten<br />
Burger bestimmt wurden. Das Richter-<br />
amt in Warstein trug dem erzbischof-<br />
lichen Stadtherrn schon in den 1290er<br />
Jahren jahrlich 2 Mark ein, wahrend es<br />
ihm in den Nachbarstadten Kallenhardt<br />
und Belecke jahriich nur 1 Mark ein-<br />
trug. Das Interesse am Richteramt<br />
fuhrte in den folgenden Jahrhunderten<br />
immer wieder Angehorige <strong>des</strong> erz-<br />
bischoflichen Dienstadels aus dem<br />
Sauerlande nach Warstein, deren<br />
Nachkommen nach ein oder zwei Ge-<br />
nerationen verburgerten oder ver-<br />
bauerten. So finden wir als Richter in<br />
Warstein die Namen von Pilichem (von<br />
Pelkum), von Bruchhausen, von OIpe,<br />
von Kalle, von Stockhausen, von Be-<br />
ringhausen u.a.<br />
Die StadtgriJndung trug Warstein auch<br />
einige Privilegien ein, die ihm, ware<br />
es plattes Land geblieben, nicht<br />
zuteil geworden waren. Es erhielt Sitz<br />
und Stimme in der Stadtekurie <strong>des</strong><br />
Landtages, der sich jahrlich wenig-<br />
stens einmal in Arnsberg versammel-<br />
te, urn dem Lan<strong>des</strong>herrn die erbetenen<br />
Steuern zu bewilligen. Ein verbind-<br />
licher LandtagsbeschluB kam nur zu-<br />
stande, wenn Ritterkurie und Stadte-<br />
kurie einen ubereinstimmenden Be-<br />
schluB faBten. Sehr oft werden die<br />
Vertreter von Warstein dort nicht das<br />
32<br />
SHB Meschede Sauerlaender Heimatbund<br />
Wort erbeten haben, sie werden sich<br />
wie die Reprasentanten der meisten<br />
kleinen Stadte damit begnugt haben,<br />
dem zuzu'Stimmen, was Brilon als<br />
groBte Stadt und Vorort der Stadte-<br />
kurie vorschlug. Die stereotype Formel<br />
dafur lautete: „Vui stimmet arre Brui-<br />
len" — (Wir stimmen wie Brilon).<br />
Die wirtschaftliche Existenz der Burger<br />
war durch die groBe Feldflur und den<br />
groBen Wald gesichert, die durch die<br />
Stadtgriindung in einen ProzeB lang-<br />
anhaltender Umformung gerieten. An<br />
die Stelle der relativ kleinen Acker-<br />
fluren, die um die zerstreut liegenden<br />
Siedlungen durch Waldrodung ent-<br />
slande waren, trat nun nach und nach<br />
eine einheitliche, in sich zusammen-<br />
hangende Stadtfeldflur. Zwischen den<br />
alten Teilfeldfluren noch stehengeblie-<br />
bene WaldstiJcke wurden gerodet, von<br />
der neuen Stadt zu welt abliegende<br />
Ackerfluren fielon an den Wald zuruck.<br />
Die Feldflur, die noch nach dem letz-<br />
ten Weltkriege etwa 4.000 Morgen<br />
umfaBte, weist im Durchschnitt gute,<br />
wenn auch unterschiedliche Boden-<br />
qualitaten auf. Die Massenkalkboden<br />
liefern gute Ertrage an Weizen und<br />
Gerste, die Schieferboden solche an<br />
Roggen, Hafer und Kartoffeln. Die rei-<br />
chen Niederschlage bewirken auch ein<br />
intensives Wachstum der Wiesen und<br />
Weiden, so daB Ackerbau und Vieh-<br />
zucht in ihren naturlichen Vorausset-<br />
zungen harmonisch ausbalanciert sind,<br />
wodurch sich den Landwirten heute<br />
die verschiedensten MogHchkeiten der<br />
Spezialisierung oder Schwerpunktbil-<br />
dung in ihren Betrieben biSten.<br />
Schon frCJh hat die Warsteiner Land-<br />
wirtschaft einen hohen Grad von In-<br />
tensitat erreicht. Um 1500 herum voll-<br />
zog sie den Gbergang von der Vier-<br />
zur FiJnffelderwirtschaft. <strong>Der</strong> Frucht-<br />
wechsel spielte sich in genau umgrenz-<br />
ten Blocken ab, so daB der einzelne<br />
Landwirt kaum anders entscheiden<br />
konnte, als es der allgemeine Frucht-<br />
wechsel vorsah, der von dem frisch<br />
gedijngten Brachland uber den Anbau<br />
von Roggen, Gerste, Wicken und Ha-<br />
fer wieder zur Brache fijhrt.<br />
Das gewerbliche Leben zeigte zu-<br />
nachst auch nicht in etwa eine so man-<br />
nigfaltige und kraftige Entwicklung wie<br />
in den aiteren Nachbarstadten Ruthen,<br />
Geseke und Brilon. Es kam bis an die<br />
Schwelle <strong>des</strong> vorigen Jahrhunderts nur<br />
zur Bildung von zwei Zunften, einer<br />
© Copyright Sauerlander Heimatbund<br />
der Schuhmacher und Schneider und<br />
einer der Schmiede und Zimmerer. Sie<br />
haben nie den Versuch gemacht, Ein-<br />
fluB auf die Verwaltung der Stadt zu<br />
nehmen, obwohl gerade das Schmie-<br />
dehandwerk spater einen starken Auf-<br />
schwung nahm, fur den alle natur-<br />
lichen Voraussetzungen gegeben wa-<br />
ren, insbesondere Hiitten und Ham-<br />
mer, die das im heimischen Massen-<br />
kalk lagernde Eisenerz gewannen und<br />
aufbereiteten, wobei sie sich auf die<br />
reichlich vorhandene Wasserkraft und<br />
die in dem groBen Stadtwald anfallen-<br />
de Buchenholzkohle stutzen konnten.<br />
Die Mehrzahl der Schmiede speziali'<br />
sierte sich nach und nach auf die Fa-<br />
brikation von Nageln. Solche Nagel-<br />
schmieden gab es um die Mitte <strong>des</strong><br />
17. Jahrhunderts fast zwei Dutzend.<br />
Sie verkauften ihre Nagel in die na-<br />
here und weitere Umgebung und be-<br />
lieferten iiber die alten Handelsplatze<br />
Soest und Lippstadt auch den Fern-<br />
handel.<br />
Eine solche im 30-jahrigen Kriege ver-<br />
fallene Nagelschmiede war dazu be-<br />
stimmt, zum Ausgangspunkt der mo-<br />
dernen industriellen Entwicklung in<br />
Warstein zu werden. <strong>Der</strong> aus Holland<br />
stammende Jakob Forkenbeck erwai^b<br />
diese Schmiede und machte daraus<br />
einen Messinghammer, der vom kur-<br />
fijrstlichen Lan<strong>des</strong>herrn ein Privileg fiir<br />
die Herstellung von Brau- und Brenn-<br />
kesseln fiir das ganze Herzogtum<br />
<strong>Westfalen</strong> erhielt, das solche Kessel<br />
bis dahin aus den Raumen Aachen und<br />
Kassel bezog. Zu Beginn <strong>des</strong> 18. Jahr-<br />
hunderts kam der Messinghammer in<br />
den Besitz <strong>des</strong> Johann Theodor Moller,<br />
welcher aus dem Messinghammer<br />
einen Kupferhammer machte, der dann<br />
durch drei Generationen der Familie<br />
Moller hindurch in hochster Bliite<br />
stand und um 1750 herum das Zen-<br />
trum <strong>des</strong> Moller'schen Kupferimperi-<br />
ums war, in dem damals an die 250<br />
Menschen Brot und Arbeit fanden.<br />
Als Kurfijrst Clemens August seinem<br />
Freunde Gerhard Matthias von Hoesch<br />
1739 das Privileg zur Grundung einer<br />
Eisenhutte am FuBe <strong>des</strong> Oberhagens<br />
erteilte, war der nachste Schritt auf<br />
dem Wege zur Industrialisierung War-<br />
steins getan. Schon 1756 erbaute von<br />
Hoesch in Warstein ein zweites Werk,<br />
den Eisenhammer. Im 19. Jahrhundert<br />
war es vor allem der in Warstein<br />
selbst geborene WJIhelm Bergenthal,