12 SZENE Erleben ist, dass in der deutschsprachigen Community Intersektionalität als ein Arbeitsbegriff langsam ankommt. Häufig wird er aber ganz anders gefüllt als es damals und auch immer noch die Idee der dahinterstehenden Denker_innen des Combahee River Collective oder Patricia Hill Collins, Kimberlé Crenshaw und anderen war. Das passiert dadurch, dass weder queere Theorie noch Schwarze Theorie noch postkoloniale Theorie oder sonstige marginalisierte Theorien regelmäßig unterrichtet werden. So fehlt der Transfer bestimmter schon lange existierender Ideen, wie wir mit Essentialismus, Kategorien und Identitäten umgehen können, ohne dass es zu einem gegenseitigen Ausschluss oder Oppression-Olympics wird. Und Denkgebäude wie Intersektionalität kommen ja auch aus den Communitys, denn die Schwarzen Theoretiker_innen von vor 30 Jahren waren nicht von ihrer Community losgelöst. Und Theorie schwappt dann wieder zurück in Community. Dadurch, dass die Basisarbeit fehlt, kommen aber dann häufig nur noch Fetzen an und die werden wiederum merkwürdig umgesetzt. „Schwarzer Feminismus hat sehr viel dazu beigetragen, wie wir Mehrfachdiskriminierung verstehen und wie wir inzwischen über Intersektionalität und über Identitätspolitik sprechen können.“ Joke Janssen selbst studierte Mitte der 2000er Gender und Queer Studes in Hamburg als es den Studiengang noch gab. Wie kommst du als trans* Person im universitären Raum klar? Ich navigiere nicht – ich flaniere, kollidiere und kollabiere. (lacht) Das, was ich als studierende Person erlebt habe, war wahrscheinlich sehr privilegiert. In meinem Studiengang Gender und Queer Studies war ein großes Bewusstsein für queere und trans* Menschen da. Ich war damals auch in Gruppen politisch aktiv und war so auch von Leuten umgeben, die alle etwas mit Queer Studies zu tun hatten oder mit anderen kritischen Studien wie Disability Studies. Wir haben uns gegenseitig sehr unterstützt. Ich befand mich wie auf einer kleinen Insel, deshalb kann ich nicht für trans* Personen sprechen, die in ihrem Studiengang losgelöst von Community sind. Als studierende Person hatte ich großes Glück, weil ich, was Verwaltungsangelegenheiten angeht, wenig Stress hatte. Ich bezeichne mich als trans*, das würde heute vielleicht unter non-binary laufen. Meine Kämpfe waren woanders, mir war es meist relativ Latte, wie mich offizielle Stellen angesprochen haben, das hat mir Stress erspart. Mittlerweile promoviere ich und mache Lehre. Das ist noch mal ein anderer Schnack. Inzwischen erlebe ich Diskriminierung noch mal anders dadurch, dass ich länger uneindeutig trans* und auch länger be_hindert bin. Ich bin über vierzig. Ich muss einerseits nicht mehr mit den Institutionen über meine Identität kämpfen. Die ist für mich in ihrer ganzen Widersprüchlichkeit gefestigt. In dieser Hinsicht fassen mich Sachen nicht mehr so an, aber ich habe dafür andererseits ganz stark das Gefühl, dass ich an systemischen Ausschlüssen scheitere. Ich merke, dass das Wissen, was ich mitbringe, was ich erforschen möchte, nirgendwo wirklich in der Tiefe ankommt. Ich kann mich zum Beispiel nicht wirklich gut über mein Dissertationsthema austauschen. Meine Forschung handelt von Uneindeutigkeit und Verkörperungen von trans* Menschen. Wenn ich über meine Arbeit sprechen möchte, muss ich immer wieder mit einer Erklärung anfangen, was trans* eigentlich bedeutet. Das ist auf Dauer superfrustrierend. Ich habe durch die universitäre Vereinzelung kaum Austausch und kaum Community. Je höher ich komme, umso weniger trans* Personen, be_hinderte oder anders marginalisierte Leute gibt es. Häufig werden marginalisierte Theorien zu einem Arbeitsgegenstand, zu einer Analysekategorie, die aber mit den Leben der Lehrpersonen gar nicht mehr viel zu tun hat. Ich merke an mir und mit meinem Körper, dass die Hochschulen als Institutionen und in ihrer Ausschlussfähigkeit stabil sind. Universitäre Institutionen arbeiten aus einem bestimmten Menschenbild heraus, in dessen Wissen sie ja auch gegründet wurden. Das sind richtig krass weiße hetero cis klassistische Institutionen, die für nicht marginalisierte Menschen ausgelegt sind. Alle anderen Menschen werden subtil ausgeschlossen. Dieser Umstand hängt meist nicht an einzelnen Personen. Ich habe immer wieder von einzelnen Personen viel Unterstützung erfahren. Das ändert aber nichts daran, dass die Hochschule als System an sich Leute wie mich nicht haben möchte. Das ist spürbar, es ist in die Institution, die Gebäude, die Regeln und den Kanon eingeschrieben. Daran habe ich stark zu knabbern. Das findet sich auch in der Lehre wieder, die ich mache. Ich unterrichte in Lehraufträgen immer zu marginalisierten Themen und das ohne feste Anstellung. Das ist symptomatisch, weil viele marginalisierte Personen keine feste Stelle haben, sondern ebenso nur Semesterverträge haben. In ihrer prekären Lehre übernehmen sie dann wiederum auch prekäre, marginalisierte Lehrinhalte. Ihre Studierenden kommen häufig an und sagen: „Wow, großartig, ich habe noch nie sowas gehört. Bitte mehr davon!“ In der Lehre steckt für mich auch eine zusätzliche Care-Arbeit drin, um für die Studierenden da zu sein. Häufig bin ich die erste offen queere, trans* oder be_hinderte Person in der Lehre, die sie erleben. Da hängt ein großes Begehren an meiner Person, weil ich an der Stelle etwas verkörpere, was viele Leute bisher noch nicht erlebt hatten. Die Care-Arbeit bedeutet für mich eine große emotionale Arbeit, die in Semesterverträgen nicht aufgehoben ist. Das ist eine strukturelle Verfasstheit von Universität, dass diejenigen, die marginalisiert sind oder marginalisierte Themen anbieten, oft ungesicherte und prekäre Arbeitsverhältnisse haben. Marginalisierte Personen werden auf solchen Stellen ausgebrannt. Mein Erleben als marginalisierte Person in der Hochschullandschaft ist nicht positiv. Leider. Marginalisierten Personen, die vorhaben, in diese Institutionen reinzugehen, kann ich nur wünschen, dass sie sich vernetzen und sich guten Rückhalt holen, damit sie ein Leben außerhalb der Institutionen haben. Worauf man sich als marginalisierte Person auch gefasst machen muss: Man ist ein krasses Token. Ich bin ein Aushängeschild für Diversity und damit muss ich umgehen. Das ist nicht schön, aber damit muss man auf jeden Fall rechnen, wenn man in solche Positionen geht. *Interview: Victoria Forkel INFO Von Joke Janssen gemeinsam mit Anna Tautfest und Studierenden der Experimentellen Klasse, erscheint im Sommer/Herbst im Argument-Verlag der Sammelband KANON zu Machtverhältnissen und Care-Arbeit in der Kunst.
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