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hinnerk Juni / Juli 2021

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20 SZENE<br />

Eine*e Femminiello in Italien<br />

FOTO: PUBLIC DOMAIN COMMONS.WIKIMEDIA.ORG<br />

Geschlechtsdiverse Menschen um 1865 in damaligen Britisch-Indien<br />

ALLER GUTEN DINGE<br />

Geschlechtersysteme, die rein<br />

zweigeschlechtlich denken, sind die<br />

Ausnahme, nicht die Regel.<br />

SIND VIELE<br />

Trans*geschlechtlichkeit ist ein westliches<br />

Konzept, Menschen und ihre Geschlechtsidentität<br />

zu verstehen. Trans* zu sein<br />

bedeutet in der weitesten Definition,<br />

dass das bei der Geburt zugewiesene<br />

Geschlecht nicht (mehr) mit der eigenen<br />

Geschlechtsidentität übereinstimmt. Cis<br />

zeigt an, dass das Geschlecht mit dem<br />

zugeteilten Geschlecht übereinstimmt.<br />

Das heißt, dass Trans*- und Cisgeschlechtlichkeit<br />

nur etwas darüber aussagen, wie<br />

man zu seinem Geschlecht gekommen ist,<br />

aber nichts darüber, welches Geschlecht<br />

man hat. Das heißt, wenn einer Person<br />

kein Geschlecht zugewiesen worden ist,<br />

kann es auch nicht trans* oder cis sein. In<br />

verschiedenen Kulturen und Religionen<br />

der Welt werden Geschlechter anders<br />

verstanden als in der westlichen Welt,<br />

sodass diese theoretisch anmutende<br />

Spielerei Realität ist.<br />

Zweigeschlechtlichkeit, also die Idee, dass<br />

es nur Männer oder Frauen gibt, ist ein<br />

westliches und vergleichsweise junges<br />

Konzept, Menschen mit ihren Körpern<br />

und Geschlechtern zu verstehen. Erst<br />

während der letzten Jahrhunderte wurde<br />

das binäre Geschlechtersystem durch<br />

die europäische Kolonisation gewaltvoll<br />

anderen Bevölkerungen übergestülpt.<br />

Jeder Lebensbereich wurde kolonisiert,<br />

so auch das Verständnis und Ausleben<br />

des eigenen Geschlechts. Die damalige<br />

Inca-Bevölkerung im heutigen Peru<br />

kannte beispielsweise das Geschlecht<br />

der Quariwarmi, die eine wichtige Rolle im<br />

spirituellen Leben des Volkes übernahmen.<br />

Ab dem 16. Jahrhundert wurden sie von<br />

spanischen Kolonisatoren als homosexuelle<br />

Männer verfolgt. Im britischen Indien<br />

wurden geschlechtsdiverse Menschen,<br />

die bis dato gesellschaftlich respektiert<br />

waren, 1871 durch den Criminal Tribes Act<br />

(dt. Gesetz der kriminellen Stämme) als<br />

Kriminelle klassifiziert: Sie wurden unter<br />

anderem in einem polizeilichen Register<br />

geführt und ihr Bewegungsfreiraum wurde<br />

eingeschränkt.<br />

Kultur- und religionsspezifische<br />

Geschlechter sind an eine bestimmte<br />

Kultur oder Religion gebunden und ergeben<br />

nur in diesem Kontext Sinn. Aus den mehr<br />

als 50 Geschlechtern, die wir gefunden<br />

haben, werden wir sechs von ihnen näher<br />

vorstellen.<br />

RELIGION<br />

Im Judentum gibt es sechs Geschlechter,<br />

obwohl sie vielen Jüd*innen selbst nicht<br />

mehr bekannt sind. Sie nennen sich<br />

Zachar, Nekeivah, Androgynos, Tumtum,<br />

Ay’lonit und Saris. In einer westlichchristlichen<br />

Lesart könnten sie als Mann,<br />

Frau, zwei inter Geschlechter und zwei<br />

trans* Geschlechter verstanden werden.<br />

Aus diesem Grund nannte die jüdische<br />

Kolumnistin Debora Antmann das System<br />

binär, ohne zweigeschlechtlich zu sein.<br />

EUROPA<br />

In und um Neapel herum existieren<br />

Femminielli, die Menschen mit einer

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