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UKJ-Klinikmagazin 2/2021

Ganz intensiv - Was moderne Intensivmedizin ausmacht.

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TITELTHEMA<br />

Prof. Bauer: Eine Universitätsklinik<br />

wird daran gemessen, Schwerstkranke<br />

behandeln zu können, aus jedem<br />

Fachgebiet. Die moderne „High-End-<br />

Therapie“, zum Beispiel Transplantationsmedizin,<br />

um das Paradebeispiel<br />

zu nennen, geht beispielsweise ohne<br />

Intensivmedizin nicht. Um das oberste<br />

Level der heutigen medizinischen<br />

Möglichkeiten und einer adäquaten<br />

Behandlung auszuschöpfen – dazu<br />

braucht es das ganze Potential einer<br />

hochspezialisierten Intensivmedizin.<br />

Genau das zeichnet, neben anderen<br />

besonderen Merkmalen wie Forschung<br />

und Lehre, Universitätsmedizin aus.<br />

Zentral ist auch die Zusammenarbeit<br />

mit der Pflege. Gerade auf der<br />

Intensivstation werden Patientinnen<br />

und Patienten nicht nur in ärztlicher<br />

Teamarbeit, sondern in multiprofessionalen<br />

Teams behandelt. So ist die<br />

Pflege sehr viel näher am Patienten<br />

dran als die ärztlichen Kolleginnen<br />

und Kollegen, so dass die gemeinsame<br />

Kommunikation immer wichtiger wird.<br />

Zurück zur Pandemie: Muss sich die<br />

Intensivmedizin für die kommenden<br />

Jahre anders aufstellen?<br />

Prof. Bauer: Ja. Es wird in diesen Tagen<br />

klar, dass wir mit der Impfung und den<br />

AHA-Regeln in einen Zustand kommen<br />

werden, der uns die akute Phase der<br />

Pandemie überstehen lässt. Aber<br />

wir müssen immer wieder mit dem<br />

Aufflackern von SARS-CoV-2, Stichwort<br />

Mutanten, rechnen. Wir werden<br />

Patienten haben, die sich nicht impfen<br />

lassen werden. Und wir müssen<br />

natürlich auch mit anderen Pandemien<br />

rechnen. Wir hatten mehrfach<br />

schon Glück: die Schweinegrippe, die<br />

Vogelgrippe … . Insgesamt gibt es eine<br />

Reihe von Krankheiten, die durchaus<br />

aus dem Ruder laufen können. Und<br />

wir haben jetzt erlebt, wie rasch das<br />

gehen kann, angefangen bei den ersten<br />

Berichten aus Wuhan bis zu den<br />

weltweit dramatischen Ereignissen.<br />

Das bedeutet: Wir müssen einfach<br />

darauf vorbereitet sein, dass wir<br />

immer wieder mit sehr schweren<br />

Verläufen konfrontiert werden. Wir<br />

haben durchaus Fortschritte gemacht<br />

in der Prophylaxe der Erkrankung,<br />

speziell mit der Impfung als dramatische<br />

Chance, die Pandemie in den<br />

Griff zu bekommen. Wenn jemand<br />

das Krankheitsbild aber dennoch<br />

entwickelt, haben wir dafür derzeit<br />

noch keine wirklich guten Therapiemöglichkeiten.<br />

Da arbeiten wir mit<br />

Hochdruck daran, auch am <strong>UKJ</strong>.<br />

Können Sie das näher beschreiben?<br />

Prof. Bauer: Wir nutzen Therapiemöglichkeiten<br />

aus anderen Fachbereichen,<br />

indem wir Medikamente<br />

umwidmen. „Repurposing“ ist hier<br />

das Schlagwort. Hier arbeiten wir<br />

ganz intensiv mit der Klinik für Innere<br />

Medizin IV von Professor Andreas<br />

Stallmach zusammen. Das bedeutet,<br />

viele der Medikamente, die wir aus<br />

den Bereichen der chronisch entzündlichen<br />

Darmerkrankungen oder<br />

auch der Rheumatologie kennen und<br />

dort erfolgreich einsetzen, nutzen wir<br />

zur Therapie bei COVID-19-Patienten.<br />

Und diese erfolgreiche Zusammenarbeit,<br />

in der es um ganz innovative<br />

Therapiemöglichkeiten geht – abgeleitet<br />

aus anderen, schon bekannten<br />

Krankheitsbildern – das zeichnet<br />

Universitätsmedizin aus: Expertisen<br />

aus den einzelnen Kliniken gezielt an<br />

einem Bett zusammenbringen. Und<br />

das erlaubt es dann auch, die Grenzen<br />

in der modernen Medizin weiter<br />

zu verschieben. Dinge, die bisher<br />

nicht behandelbar waren, machen wir<br />

damit behandelbar.<br />

Sie sind seit 30 Jahren Intensivmediziner.<br />

Was raten Sie einem<br />

angehenden Arzt, der sich für die<br />

Intensivmedizin entscheidet?<br />

Prof. Bauer: Intensivmedizin ist eine<br />

ganz faszinierende Sparte in der<br />

Medizin, hochinterdisziplinär. Man<br />

kann sich ihr aus ganz verschiedenen<br />

Fachrichtungen heraus widmen, zum<br />

Beispiel aus der Inneren Medizin, der<br />

Chirurgie heraus oder der Anästhesie.<br />

Intensivmedizin ist in Deutschland<br />

derzeit kein eigener Facharzt, sondern<br />

eine Zusatzbezeichnung.<br />

Wer das also machen will als Schwerpunkt,<br />

der braucht eine Art Mentor,<br />

jemanden, der ihn auch ein bisschen<br />

an die Hand nimmt, weil es, wie gesagt,<br />

ein hochinterdisziplinäres Feld mit<br />

schwierigen Karriereperspektiven ist.<br />

Interview: Annett Lott<br />

KONTAKT<br />

Prof. Michael Bauer<br />

Direktor der Klinik für Anästhesiologie<br />

und Intensivmedizin<br />

03641 9-32 31 01<br />

michael.bauer@med.uni-jena.de<br />

02 | 21<br />

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