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UKJ-Klinikmagazin 2/2021

Ganz intensiv - Was moderne Intensivmedizin ausmacht.

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Für eine bessere Atmung und stärkere Muskeln<br />

Wie Physiotherapie Intensiv-Patienten wieder mobil macht<br />

Unterschiedliche Piepsignale ertönen<br />

von den medizinischen Geräten auf<br />

der Intensivstation I am <strong>UKJ</strong>, die aktuell<br />

Patienten für COVID-19 vorbehalten ist.<br />

Pfleger und Ärzte in Schutzkitteln, mit<br />

Brillen und Handschuhen tauschen sich<br />

ruhig über die Patienten aus. Mittendrin:<br />

Chris Lüneburg und Ulrike Mohring vom<br />

Institut für Physiotherapie. Sie sind zwei<br />

Physiotherapeuten des vierköpfigen,<br />

physiotherapeutischen COVID-Teams,<br />

das seit Oktober 2020 besteht. Gemeinsam<br />

mit einem weiteren Physio- und<br />

einem Ergotherapeuten betreuen sie<br />

seitdem die Corona-Patienten des <strong>UKJ</strong> –<br />

mittlerweile an sieben Tagen die Woche.<br />

Zu Beginn jedes Arbeitstages besprechen<br />

die beiden zunächst mit den Pflegern<br />

und Ärzten auf Station den aktuellen<br />

Zustand der Patienten. Denn allein<br />

dieser entscheidet, welche Therapie sie<br />

an diesem Tag anwenden. „Gerade hier<br />

auf Intensivstation müssen wir unsere<br />

Pläne immer spontan anpassen können.<br />

Geht es dem Patienten an einem Tag gut<br />

und er kann ein paar Schritte gehen,<br />

kann das am nächsten Tag schon wieder<br />

ganz anders aussehen“, weiß Chris Lüneburg.<br />

„Deshalb sind enge Abstimmungen<br />

im interdisziplinären Team sehr wichtig.“<br />

Der Blick im Patientenzimmer ist dann<br />

nicht nur auf den Patienten gerichtet,<br />

sondern auch auf die technischen<br />

Geräte. Sind die Werte auf dem Überwachungsmonitor<br />

in Ordnung? Wird<br />

der Patient künstlich ernährt? Ist<br />

der Beatmungsschlauch lang genug,<br />

damit sich der Patient setzen kann?<br />

„Erfahrung ist hier das A und O“, sagt<br />

Ulrike Mohring, die bereits seit mehr<br />

als zehn Jahren ausschließlich auf der<br />

Intensivstation als Physiotherapeutin<br />

arbeitet. „Eine gezielte Einarbeitung<br />

und gute Teamarbeit geben zusätzliche<br />

Sicherheit.“ Prinzipiell arbeiten die Physiotherapeuten<br />

daher im Zweierteam.<br />

Beispielsweise wenn sie die Gelenke<br />

von Patienten durchbewegen, die länger<br />

ohne Bewusstsein sind. Oder wenn sie<br />

mithilfe gezielter Grifftechniken Sekret in<br />

der Lunge des Patienten lösen, um die<br />

Atmung zu vertiefen. Je nach Therapie<br />

unterstützen Pfleger, Ärzte und auch<br />

Kardiotechniker sie beispielsweise bei<br />

der Lagerung der Patienten oder beim<br />

Aufstellen mithilfe eines sogenannten<br />

Stehbretts. „Auch, wenn wir einen Patienten,<br />

der durch eine ECMO-Therapie<br />

unterstützt wird, im Bett aufsetzen<br />

wollen, müssen viele mit anpacken. Ein<br />

Pfleger hält den Beatmungsschlauch,<br />

ein Techniker die verschiedenen Kabel,<br />

ein Therapeut setzt den Patienten auf<br />

und ein weiterer stützt ihn von hinten“,<br />

beschreibt Lüneburg. „Das klingt nicht<br />

nur aufwendig. Das ist es auch. Und<br />

benötigt viel Zeit.“ Bis zu einer Stunde<br />

kann eine solche Therapie dauern.<br />

Während die Physiotherapeuten bei Intensiv-Patienten<br />

nach Herzinfarkt, Schlaganfall<br />

oder Herztransplantation vor allem<br />

die Kondition wieder trainieren müssen,<br />

ist der Schwerpunkt bei Corona-Patienten<br />

ein anderer. „Patienten mit COVID-19 sind<br />

oft überfordert mit ihrer Situation. Sie<br />

waren körperlich fit und befinden sich<br />

nun ganz plötzlich mit Atemproblemen<br />

auf einer Intensivstation“, beschreibt<br />

Mohring. „Deshalb können wir nicht gleich<br />

mit der eigentlichen Therapie beginnen. In<br />

vielen Gesprächen versuchen wir, ihnen<br />

ihre Ängste zu nehmen. Das beruhigt<br />

die Atmung und die Psyche gleichzeitig.“<br />

Unterstützt werden sie dabei durch Psychologin<br />

Dr. Teresa Deffner. Sie lässt dank<br />

Telefon und Video auch die Angehörigen<br />

der Patienten an den Therapieerfolgen<br />

teilhaben. „Das motiviert sie dann gleich<br />

noch mehr“, weiß Mohring.<br />

Die Arbeit auf einer Intensivstation ist<br />

anstrengend – nicht nur körperlich, sondern<br />

auch psychisch. „Wir müssen auch<br />

im Notfall schnell reagieren, wenn sich<br />

der Gesundheitszustand des Patienten<br />

ändert“, so Lüneburg. „Kein Job für jedermann.“<br />

Die beiden Physiotherapeuten<br />

arbeiten dennoch sehr gern genau in<br />

diesem Bereich. „Denn die Bindung zu<br />

den Intensiv-Patienten ist viel stärker<br />

als beispielsweise auf der Normalstation“,<br />

berichtet Mohring aus Erfahrung.<br />

„Man kämpft gemeinsam für jeden Therapieerfolg,<br />

egal wie klein oder groß.“<br />

Und wenn ein Patient nach Wochen<br />

das erste Mal mit einem Sprachaufsatz<br />

wieder sprechen kann, dann kullern<br />

bei Patienten und Therapeuten auch<br />

schon zusammen die Freudentränen.<br />

Anne Curth<br />

24 02 | 21

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