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UKJ-Klinikmagazin 2/2021

Ganz intensiv - Was moderne Intensivmedizin ausmacht.

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TITELTHEMA<br />

„Studien eröffnen bessere<br />

Therapiemöglichkeiten“<br />

Klinische Forschung in der Intensivmedizin<br />

Foto: Szabó<br />

Um herauszufinden, wie eine Erkrankung<br />

sicher diagnostiziert, wirksam<br />

behandelt und der Verlauf zuverlässig<br />

prognostiziert werden kann, sind klinische<br />

Studien notwendig. Dabei stellen<br />

kontrollierte und randomisierte Multicenterstudien<br />

den Goldstandard dar<br />

– diese Studien werden an möglichst<br />

vielen Kliniken durchgeführt, sie testen<br />

neue Therapien oder Methoden im Vergleich<br />

zu den bislang etablierten, und<br />

die teilnehmenden Patienten werden<br />

per Zufall einer dieser Gruppen, den<br />

Studienarmen, zugeordnet. Vor dem<br />

Start jeder Studie prüft eine Ethikkommission<br />

unter anderem, ob das Konzept<br />

den angestrebten Wissenszuwachs<br />

bringen kann und Nutzen und Risiken<br />

für die Teilnehmer in einem angemessenen<br />

Verhältnis stehen. Erst nach einem<br />

ausführlichen Aufklärungsgespräch mit<br />

dem Studienarzt entscheidet ein Patient<br />

über die Teilnahme.<br />

In der Intensivmedizin sind wissenschaftlich<br />

geprüfte neue Behandlungsmethoden<br />

besonders notwendig, denn<br />

die schwerst erkrankten Patienten<br />

sollen schnell die nachweislich wirksamste<br />

Therapie erhalten. Doch wie<br />

können prospektive Studien auf einer<br />

Intensivstation durchgeführt werden,<br />

um Therapien auf ihre Wirksamkeit zu<br />

überprüfen? „Das ist eine gewaltige<br />

Herausforderung an das Studienteam,<br />

denn die Intensivpatienten sind in aller<br />

Regel nicht einwilligungsfähig und sie<br />

benötigen in der Regel immer zeitnah<br />

die Behandlung. Es muss also sehr<br />

schnell entschieden werden, ob sie<br />

eingeschlossen und nach dem Studienschema<br />

behandelt werden können oder<br />

nicht“, beschreibt Prof. Dr. Frank Brunkhorst,<br />

Intensivmediziner und Leiter<br />

des Zentrums für Klinische Studien am<br />

<strong>UKJ</strong>, das Problem. Als Motor der Jenaer<br />

Sepsisforschung verfügt die Intensivmedizin<br />

am <strong>UKJ</strong> über große Erfahrung<br />

und gute infrastrukturelle Voraussetzungen<br />

für klinische Studien. Wird ein<br />

geeigneter Patient, der für eine Studie<br />

in Frage kommt, identifiziert, nehmen<br />

die Mitarbeiter der direkt an die Intensivstation<br />

angebundenen On-site-Units<br />

Kontakt zu den Angehörigen auf, um die<br />

Einwilligung zu erfragen. Da nur offiziell<br />

als gesetzliche Vertreter ernannte Personen<br />

eine solche Entscheidung treffen<br />

dürfen, muss oft auch das zuständige<br />

Amtsgericht kontaktiert werden. Brunkhorst:<br />

„Meist ist das in den 6, 12 oder<br />

24 Stunden, in denen der Einschluss in<br />

die Studie nach der Aufnahme auf ITS<br />

erfolgen soll, nicht zu schaffen. Deshalb<br />

haben wir am <strong>UKJ</strong> ein Konsiliararztverfahren<br />

eingeführt, welches von anderen<br />

Ethikkommissionen in Deutschland<br />

akzeptiert wird.“ Dabei kann ein unabhängiger<br />

Arzt, der weder an der Behandlung<br />

des Patienten noch an der Studie<br />

beteiligt ist, seine vorläufige Einwilligung<br />

geben. Das gibt dem Studienteam<br />

48 Stunden Zeit für die Zustimmung der<br />

gesetzlichen Vertretung. „Die Angehörigen<br />

stehen einer Studienteilnahme oft<br />

aufgeschlossen gegenüber, weil sie keinesfalls<br />

eine schlechtere Behandlung<br />

darstellt, sondern meist potentiell bessere<br />

Therapiemöglichkeiten eröffnet“,<br />

so Prof. Brunkhorst.<br />

Wie aufwändig die klinische Forschung<br />

ist, wird schnell klar, wenn man in<br />

Betracht zieht, dass jeder Patient nur<br />

in eine Studie eingeschlossen werden<br />

kann. Für eine statistisch valide Datengrundlage<br />

in einer Therapiezulassungsbzw.<br />

-optimierungsstudie sind aber<br />

mehrere Hundert Patienten notwendig<br />

– in jedem Studienarm. Schon Prüfungen<br />

früher Phasen können dreistellige<br />

Teilnehmerzahlen umfassen. Dazu<br />

kommt, dass Patienten auch im Verlauf<br />

noch ausscheiden können, weil sie zum<br />

Beispiel die Einschlusskriterien nicht<br />

erfüllen, sog. drop-outs. „Diese Studien<br />

sind nur gemeinsam mit vielen Studienzentren<br />

zu realisieren, möglichst in<br />

internationalen Netzwerken“, sagt Prof.<br />

Brunkhorst. „Das hat auch den Vorteil,<br />

dass sich standortspezifische Effekte,<br />

zum Beispiel durch bestimmte Abläufe<br />

in einer Klinik, weniger auswirken können<br />

und die Studienergebnisse auf<br />

andere Settings eher übertragbar sind.<br />

Wir nennen das externe Validität.“<br />

Uta von der Gönna<br />

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