24.08.2021 Aufrufe

UKJ-Klinikmagazin 2/2021

Ganz intensiv - Was moderne Intensivmedizin ausmacht.

Ganz intensiv - Was moderne Intensivmedizin ausmacht.

MEHR ANZEIGEN
WENIGER ANZEIGEN

Erfolgreiche ePaper selbst erstellen

Machen Sie aus Ihren PDF Publikationen ein blätterbares Flipbook mit unserer einzigartigen Google optimierten e-Paper Software.

Intensivmedizin ist Teamarbeit:<br />

Prof. Michael Bauer im Austausch mit<br />

einer Kollegin. Fotos: Rodigast<br />

Wie definieren Sie die Kernaufgaben<br />

der Intensivmedizin?<br />

Prof. Bauer: Wir haben zwei Gruppen von<br />

Patienten: die einen sind die geplanten<br />

Aufnahmen, bei denen tatsächlich die<br />

Überwachung im Vordergrund steht,<br />

um schwerwiegende Komplikationen<br />

zu verhindern. Das sind Patienten nach<br />

der sogenannten großen Chirurgie oder<br />

bei Gefäßinterventionen, die postinterventionell<br />

überwacht werden, bis<br />

sie wieder so stabil sind, dass sie auf<br />

Normalstation verlegt werden können.<br />

Deshalb haben wir am <strong>UKJ</strong> eine sehr<br />

breite Infrastruktur geschaffen. Dazu<br />

zählt unter anderem auch, die besondere<br />

Form der Betreuung durch eigene<br />

Psychologinnen sicherzustellen. Das<br />

hat uns besonders in der Pandemie<br />

sehr geholfen. Und viel verdeutlicht.<br />

Allein der Umstand, dass Angehörige<br />

über Wochen ihre Lieben nicht besuchen<br />

konnten. Wenn das plötzlich nicht<br />

mehr geht, dann wird uns die gesamte<br />

psychosoziale Belastung für Familie<br />

und Patient offenbart. In diesen Augenblicken<br />

waren wir die „Brücke“ oder<br />

Verbindung zwischen beiden.<br />

Intensivmedizin gab es ja schon<br />

weit vor Corona. Richtig verstanden<br />

behandeln Intensivmediziner Krankheiten<br />

aller Fachbereiche und davon<br />

die schwersten Verläufe? Ist das der<br />

Reiz oder gar Anspruch?<br />

Prof. Bauer: Es ist tatsächlich so, dass<br />

wir sehr häufig in der Schnittmenge<br />

verschiedener Disziplinen aktiv werden.<br />

Wir haben immer wieder Patienten,<br />

bei denen ein Zusammenspiel von<br />

verschiedenen Disziplinen im „Konzert“<br />

auf der Intensivstation erforderlich<br />

wird. Und das ist auch der besondere<br />

Charme der Intensivmedizin: ob zentrales<br />

Nervensystem, Lunge, Niere oder<br />

ein anderes lebenswichtiges Organ.<br />

Wir müssen stets die Interaktion<br />

der verschiedenen Organsysteme<br />

betrachten. Aus diesem Blickwinkel<br />

heraus gelangen wir sehr schnell zu<br />

einem interdisziplinären Zusammenarbeiten.<br />

Eine Uniklinik bietet dafür<br />

hervorragende Strukturen. Und die<br />

Patienten profitieren extrem davon,<br />

dass nicht nur ein Spezialist für ein<br />

Organ da ist, sondern dass jemand die<br />

Gesamtschau im Auge behält für das<br />

Zusammenspiel der verschiedenen<br />

Organe.<br />

Das Kernproblem der modernen<br />

Intensivmedizin seit den 70er Jahren<br />

ist das Multiorganversagen. Das<br />

bedeutet, ein Organ arbeitet initial<br />

schlecht und wie ein Dominoeffekt<br />

fallen die anderen Organe der Reihe<br />

nach um beziehungsweise aus.<br />

Ein Beispiel mal ganz einfach erklärt:<br />

Wenn das Herz versagt, kommt es<br />

zu Flüssigkeitsansammlungen in der<br />

Lunge. Diese versagt in der Folge.<br />

Was passiert? Die Niere wird nicht<br />

mehr ausreichend durchblutet. Es<br />

kommt zum Nierenversagen. Naja,<br />

und danach wird die Prognose immer<br />

schlechter. Diesen Teufelskreis zu<br />

durchbrechen – das ist die Kernkompetenz<br />

der Intensivmedizin.<br />

Eine intensivmedizinische Therapie<br />

zielt auf die Unterstützung bereits ausgefallener<br />

Organe. Das heißt, neben<br />

der Überwachung der Vitalfunktionen<br />

oder auch lebenswichtiger Funktionen<br />

ist die Aufrechterhaltung oder Wiederherstellung<br />

von reversibel ausgefallenen<br />

Organfunktionen eine weitere<br />

sehr wichtige Aufgabe. Zwei Beispiele:<br />

Beim Lungenversagen kommt die<br />

Beatmungstherapie zur Anwendung<br />

und ein Entgiftungsversagen braucht<br />

unter Umständen die Dialysetherapie.<br />

Wir unterstützen den Kreislauf zudem<br />

mit Medikamenten, damit die Sauerstoffversorgung<br />

aller lebenswichtigen<br />

Organe aufrechterhalten werden kann.<br />

Das sind die Kernaufgaben: überwachen<br />

und verhindern, dass Schlimmeres<br />

passiert, wie das beschriebene<br />

Organversagen. Wenn dieser Fall aber<br />

dennoch eintritt, dann gilt es, die Zeit<br />

zu überbrücken. Wir können hier wenig<br />

kausal behandeln. Wir können aber dem<br />

Körper die Zeit „kaufen“, die er braucht,<br />

um seine Vitalfunktionen selbst wieder<br />

herstellen zu können.<br />

Ihre Klinik für Anästhesiologie und Intensivmedizin<br />

ist eine der größten Kliniken<br />

am <strong>UKJ</strong>. Was unterscheidet Intensivmedizin<br />

an einer Uniklinik beispielsweise<br />

von der an einem kleinen Krankenhaus?<br />

6 02 | 21

Hurra! Ihre Datei wurde hochgeladen und ist bereit für die Veröffentlichung.

Erfolgreich gespeichert!

Leider ist etwas schief gelaufen!