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Ausgabe 11/2021

Das Magazin für Herisau und Umgebung. Erscheinungsdatum: 3. November 2021

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30 · Hintergrund <strong>11</strong>/<strong>2021</strong><br />

BORDERLINE: WENN GEFÜHLE<br />

AUSSER KONTROLLE GERATEN<br />

Im letzten Teil der Serie «psychische Erkrankungen» richtet sich der Fokus auf die Borderline-<br />

Persönlichkeitsstörung – eine Erkrankung, die in ihrer Komplexität für Aussenstehende meist schwer<br />

nachzuvollziehen ist. Es ist ein Versuch zumindest oberflächlich die Erkrankung zu enttabuisieren.<br />

Die Bezeichnung Borderline-Persönlichkeitsstörung<br />

kommt aus dem Englischen und bedeutet<br />

Grenzlinie. Der Begriff wurde ursprünglich für diese<br />

Persönlichkeitsstörung gewählt, weil von einem<br />

«Grenzfall» zwischen Neurose und Psychose ausgegangen<br />

wurde. Laut Paula Kunze, Oberpsychologin<br />

im Psychiatrischen Zentrum Appenzell Ausserrhoden<br />

(PZA), sind rund drei bis fünf Prozent<br />

der Bevölkerung im Laufe ihres Lebens von einer<br />

Borderline-Persönlichkeitsstörung betroffen. Deren<br />

Leben ist oft von einer starken Impulsivität<br />

und emotionalen Instabilität geprägt. Für die Aussenwelt<br />

sind dabei oft nur die Selbstverletzungen<br />

Psychische Gesundheit nach WHO<br />

Psychische Gesundheit ist ein Zustand des<br />

Wohlbefindens, in dem eine Person ihre Fähigkeiten<br />

ausschöpfen, die normalen Lebensbelastungen<br />

bewältigen, produktiv arbeiten<br />

und einen Beitrag zu ihrer Gemeinschaft<br />

leisten kann. Psychische Störungen stellen<br />

Störungen der psychischen Gesundheit einer<br />

Person dar, die oft durch eine Kombination<br />

von belastenden Gedanken, Emotionen, Verhaltensweisen<br />

und Beziehungen zu anderen<br />

gekennzeichnet sind. Beispiele für psychische<br />

Störungen sind Depressionen, Angststörungen.<br />

Verhaltensstörungen, bipolare Störungen<br />

und Psychosen.<br />

der Erkrankten sichtbar – diese können ein Teil der<br />

Borderline-Störung sein, müssen aber nicht. Dies<br />

führt zu mehreren Vorurteilen gegenüber dieser<br />

psychischen Erkrankung, sodass sich viele Betroffene<br />

oft schämen über ihr Leiden zu sprechen. Auch<br />

Daniela* thematisiert ihre Erkrankung meist nicht<br />

in ihrem Umfeld – obwohl sie es wichtig fände,<br />

dass die Öffentlichkeit mehr über die Borderline-<br />

Persönlichkeitsstörung aufgeklärt würde. Deshalb<br />

erklärt sie sich bereit, für diesen Artikel darüber zu<br />

sprechen.<br />

Daniela ist Mitte 20, sehr gepflegt und scheint<br />

sehr aufgestellt zu sein. Bereits während ihrer<br />

Kindheit fallen ihr ihre sehr stark ausgeprägten<br />

Gefühlsregungen auf – unabhängig davon ob sie<br />

positiv oder negativ sind. Mit 16 Jahren bemerkt<br />

sie erstmals bewusst, dass ihre Reaktionen stärker<br />

ausgeprägt sind, als bei anderen. «Ich pflanzte<br />

einen Pflanzensamen ein, welcher rund zwei Zentimeter<br />

gross wurde und dann einging. Mit dem<br />

Tod der Pflanze konnte ich nicht umgehen.» Nach<br />

diesem Vorfall weint Daniela drei Stunden und verletzt<br />

sich zum ersten Mal selber.<br />

Laut Paula Kunze sei es bei einer Borderline-<br />

Persönlichkeitsstörung typisch, dass die ersten<br />

Anzeichen während der Jugend auftreten würden.<br />

Männer und Frauen seien etwa gleich häufig von<br />

der Erkrankung betroffen, dennoch bestünde in<br />

der Gesellschaft das Vorurteil, dass es sich um eine<br />

weibliche Krankheit handle. Es stimme zwar, dass<br />

sie tendenziell öfter bei Frauen diagnostiziert werde.<br />

Dies habe jedoch zwei Gründe. Einerseits begäben<br />

sich Männer nicht gleich schnell in Behandlung<br />

wie Frauen, andererseits würden Männer mit dieser<br />

Temperamentsausstattung ihre Aggressionen<br />

oft nicht nach innen, sondern eher nach aussen<br />

richten. «Dies führt dazu, dass bei Männern eher<br />

eine Impulsive Persönlichkeitsstörung diagnostiziert<br />

wird, während Frauen eine Borderline-Persönlichkeitsstörung<br />

zugeschrieben wird.»<br />

«Es ist wie ein Ritt<br />

auf einem<br />

wilden Hengst.»<br />

Veranlagung begünstigt Borderline<br />

Das Borderline-Syndrom ist eine Persönlichkeitsstörung,<br />

welche mittels der ICD-Kriterien (Internationale<br />

Klassifikation der Krankheiten) festgestellt<br />

wird. Von den insgesamt neun Borderline-Kriterien<br />

müssen mindestens fünf erfüllt werden. Zu ihnen<br />

gehören die starke Angst vor dem Verlassenwerden,<br />

ein chronisches Gefühl der inneren Leere,<br />

starke Stimmungsschwankungen, bei denen die<br />

Hochs oder Tiefs zwischen wenigen Stunden bis<br />

zu mehreren Tagen dauern können, mangelnde<br />

Kontrolle über diese Schwankungen, unbeständige<br />

zwischenmenschliche Beziehungen, also ein extremer<br />

Wechsel von Idealisierung und Abwertung der<br />

Personen, ein instabiles Selbstbild mit teilweise<br />

exzessiver Selbstkritik, selbstverletzendes Verhalten<br />

sowie Suizidandrohungen oder -versuche, impulsive<br />

Verhaltensweisen wie beispielsweise ein<br />

riskantes Sexualverhalten, Drogenkonsum oder<br />

Essanfälle und kurzfristige Veränderungen in der<br />

Wahrnehmung der Realität, welche durch Belastungen<br />

ausgelöst werden. Borderline wird zudem<br />

Symbolbild: Borderline-Patient*innen haben Mühe ihre rasch wechselnden Emotionen wie Angst, Leere, Einsamkeit oder Wut zu kontrollieren.<br />

(Bild: BigStock)

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