08.11.2021 Aufrufe

Magazin 365 Tage fürs Leben Bundesverband-Kinderhospiz e.V. - No.8

Dieses Magazin handelt von Vielfalt. Denn Vielfalt macht das Leben bunt – und ein buntes Leben wünschen sich auch all unsere betroffenen Familien mit lebensverkürzend erkranktem Kind. Beinahe 50.000 davon gibt es in Deutschland; eine unglaubliche Zahl, die bestürzt, aber auch auf positive Weise neugierig machen sollte: Wie leben diese Familien, was sind die Hürden Ihres Alltags, wie sehen ihre Wünsche aus und wo genau könnten Politik und Gesellschaft mehr Unterstützung leisten? Genau da setzt die Kinderhospizarbeit an und hat in den letzten Jahrzehnten schon eine Menge bewegt. Wir berichten in unserem Jahresmagazin mit einem liebevollen und wohlwollenden Blick aus dieser Welt, die wir so gern mit der Lebensrealität von Familien mit gesunden Kindern in Überschneidung bringen möchten. Denn an der Vielfalt wächst unsere Gesellschaft! Sandra Maischberger hat dazu ein Grußwort geschrieben, auch der Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier äußert sich zu der sehr wichtigen Arbeit der Ehrenamtlichen, der Künstler Dada Peng führt uns seine coole Vision einer neuen Palliativversorgung vor Augen und die junge Chefin unserer Jugendorganisation „Grüne Bande“ erzählt von ihrer unglaublichen Nominierung zur „Goldenen Bild der Frau“ (die sie am Ende sogar gewonnen hat!). Dazu unsere spannende Titelgeschichte zum Thema Spielen und das umfangreiche Dossier mit dem Schwerpunkt Körpersprache. Große und kleine Geschichten, die heiter und nachdenklich stimmen, die informieren und berühren, die Mut machen und Hoffnung, finden Sie hier.

Dieses Magazin handelt von Vielfalt. Denn Vielfalt macht das Leben bunt – und ein buntes Leben wünschen sich auch all unsere betroffenen Familien mit lebensverkürzend erkranktem Kind.
Beinahe 50.000 davon gibt es in Deutschland; eine unglaubliche Zahl, die bestürzt, aber auch auf positive Weise neugierig machen sollte: Wie leben diese Familien, was sind die Hürden Ihres Alltags, wie sehen ihre Wünsche aus und wo genau könnten Politik und Gesellschaft mehr Unterstützung leisten? Genau da setzt die Kinderhospizarbeit an und hat in den letzten Jahrzehnten schon eine Menge bewegt.
Wir berichten in unserem Jahresmagazin mit einem liebevollen und wohlwollenden Blick aus dieser Welt, die wir so gern mit der Lebensrealität von Familien mit gesunden Kindern in Überschneidung bringen möchten. Denn an der Vielfalt wächst unsere Gesellschaft!
Sandra Maischberger hat dazu ein Grußwort geschrieben, auch der Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier äußert sich zu der sehr wichtigen Arbeit der Ehrenamtlichen, der Künstler Dada Peng führt uns seine coole Vision einer neuen Palliativversorgung vor Augen und die junge Chefin unserer Jugendorganisation „Grüne Bande“ erzählt von ihrer unglaublichen Nominierung zur „Goldenen Bild der Frau“ (die sie am Ende sogar gewonnen hat!). Dazu unsere spannende Titelgeschichte zum Thema Spielen und das umfangreiche Dossier mit dem Schwerpunkt Körpersprache. Große und kleine Geschichten, die heiter und nachdenklich stimmen, die informieren und berühren, die Mut machen und Hoffnung, finden Sie hier.

MEHR ANZEIGEN
WENIGER ANZEIGEN

Erfolgreiche ePaper selbst erstellen

Machen Sie aus Ihren PDF Publikationen ein blätterbares Flipbook mit unserer einzigartigen Google optimierten e-Paper Software.

Kinderhospizarbeit

68–69

kreativen Aufgabe. Ihnen Zeit und

Raum zu geben, sagt Gert Bufe, ist

wichtig. Dazu gehört auch gemeinsame

Zeit mit dem verstorbenen

Kind. Es noch einmal streicheln, ihm

etwas vortragen, vorsingen.

Auch am Tag der Bestattung können

Rituale Halt geben, und sei es

nur, um diesen Tag irgendwie zu

überstehen. „Für manche ist das bei

der Beerdigung überlebenswichtig“,

sagt Gert Bufe. Die Bestattung ist der

Tag des finalen Abschieds, der endgültigen

Trennung. Das Versenken

des Sarges oder der Urne in der Erde.

Ein letztes Mal, dass der verstorbene

Mensch so präsent ist und mit seinem

Namen angesprochen wird. „Vielen

wird an diesem Tag erst richtig

bewusst, was geschehen ist“, sagt

Bufe. Sich hier auf vorgeschriebene

religiöse oder weltliche Abläufe zu

stützen, fast automatisierte Handlungen

vornehmen zu können,

hilft enorm. Denn im Schmerz ist

kein Platz dafür, viele kleine Entscheidungen

zu treffen. Ein Ritual

nimmt einem genau das ab. Und

es erfüllt noch eine weitere

Funktion: Es gibt Außenstehenden

Sicherheit.

Eine Kerze, die nach

dem Versterben eines

Kindes angezündet wird

und so allen als Zeichen

dient. „In einigen rumänischen

Regionen etwa wird noch

heute eine schwarze Fahne ans Haus

gehängt, sodass alle wissen: Es ist

noch kein Vierteljahr her, dass die

Menschen hier ein Familienmitglied

verloren haben“, erzählt Gert Bufe.

Rituale stärken auch das Gemeinschaftsgefühl.

Indem sie ausgeübt

werden, erfahren diejenigen, die

durch den Tod eines geliebten Menschen

die Hauptlast des Schmerzes

tragen, eine wichtige Botschaft: Wir

sind da, lautet die. „Das Schreiben von

Trauerkarten, Beileidsbekundungen

am Grab – das sind alles Zeichen, mit

Bettina Volk-Kopplin

denen das Umfeld sein Mitgefühl ausdrückt

und zeigt, dass es mittrauert“,

sagt die Ethnologin Bettina Volk-Kopplin.

Das Ritual des Leichenschmauses

verfolgt einen ähnlichen Gedanken:

Es wird zusammengesessen,

über den Verstorbenen geredet, man

nimmt sich in den Arm, mit der Zeit

wird die Stimmung gelöster, die ersten

Geschichten werden erzählt. „Das

ist ein erster Schritt in der Trauerverarbeitung,

hier wird ein Stück des

Trauerweges gemeinsam mit anderen

gegangen“, sagt Bettina Volk-Kopplin.

Dem Schrecken

ins Auge sehen

Der Tod eines Kindes war viele Jahrhunderte

lang normaler, als er es

heute ist. Von 1000 Kindern, die 1870

geboren worden sind, starb gut ein

Viertel vor dem zehnten Geburtstag.

Von 1000 Kindern, die 2018 geboren

worden sind, sterben drei oder

vier. „Der Tod war damals viel wahrscheinlicher,

man ist anders mit

Trauer umgegangen, und das hat

sich natürlich auch auf die entsprechenden

Rituale ausgewirkt“,

sagt Bettina Volk-

Kopplin. Im Mittelalter

war klar: Ein getaufter

Mensch kommt nach

dem Tod in den Himmel.

Der Gedanke, ihr verstorbenes

Kind gut beschützt

in der Hand Gottes zu wissen, barg

für viele Eltern großen Trost. Diese

Tür blieb jedoch denen verschlossen,

deren Kind unmittelbar im Mutterleib

oder kurz nach der Geburt verstorben

war. Ungetaufte Kinder kamen

der kirchlichen Erzählung zufolge in

die Vorhölle, eine Vorstellung, die die

Eltern in tiefe Verzweiflung stürzte.

Deshalb trugen vor allem viele Väter

ihre toten Kinder oft tagelang bis zu

einer Mariawallfahrtskirche, um sie

dort in flackerndem Licht als „noch

lebend“ nottaufen zu lassen und so

vor der Vorhölle zu retten.

Rituale

Ein Ritual ist eine Handlung

mit hohem Symbolgehalt,

meist an geregelte

Abläufe gebunden. Viele

Rituale, die wir heute

kennen, sind kulturell oder

religiös bedingt: die Taufe

als Kind, die alljährliche

Weihnachtsfeier, die Hochzeit

oder die Bestattung.

Einige Rituale wie Fan-

Gesänge beim Fußball, der

samstägliche Filmabend

oder das gemeinsame

Pizzaessen am letzten

Urlaubstag wirken auf uns

alltäglicher, übernehmen

jedoch die gleiche Funktion:

Sie geben durch ihre

Beständigkeit und Wiederholbarkeit

Orientierung

und Halt in einer komplexen

Welt und mitunter in überfordernden

Situationen.

Das gelingt durch ihre

vorgegebene Struktur, an

die wir uns halten, egal, wie

es uns gerade geht, was

um uns herum geschieht.

Ein Ritual ist mehr als eine

Gewohnheit, ihm wohnt eine

gewisse Feierlichkeit inne.

Das macht es besonders.

Hurra! Ihre Datei wurde hochgeladen und ist bereit für die Veröffentlichung.

Erfolgreich gespeichert!

Leider ist etwas schief gelaufen!