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Logopädie, Pflanzen, Probiotika

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Wissenschaft

Suizidale Krisen

Anna-Lena Bröcker, M. Sc. (Psych.)

Zahnärzt*innen sehen Ihre Patient*innen regelmäßig, häufig schon viele Jahre lang.

Eine Sensibilisierung für Anzeichen der Suizidalität können hilfreich sein, um ggf. mit

Patient*innen ins Gespräch zu kommen. Zahnärzt*innen gehören darüber hinaus zu

den Berufsgruppen mit erhöhten Risiko, denn sie gelten als Mediziner*innen besonders

gefährdet. Darüber hinaus: Die Selbstmordrate wird mit einem 50 % höheren Risiko

gegenüber anderen Berufsgruppen beziffert, wobei bei Ärztinnen die Suizidrate zu den

Frauen der Allgemeinbevölkerung sogar viermal höher liegt. Pro Jahr verüben bis zu 200

Mediziner*innen in Deutschland Selbstmord, wobei die Dunkelziffer höher liegen dürfte.

Viele Suizide werden als Unfälle oder Vergiftungen deklariert.

Anna-Lena Bröcker ist Stationspsychologin und Wissenschaftliche Mitarbeiterin der psychiatrischen

Universitätsklinik der Charité im St. Hedwig Krankenhaus in Berlin und stellt

im Folgenden das Wesen der suizidalen Krisen vor.

Zusammenfassung

Suizidale Krisen können uns in allen Bereichen des medizinischen und psychosozialen Helfersystems begegnen. So suchen

Menschen in akuten Belastungssituationen nicht selten zunächst den Weg zu ihrem/Ihrer Hausärzt*in. Erst schrittweise

kommt mehr Wissen und ein offener Umgang mit der Thematik in der Gesellschaft an. Welche Irrtümer halten sich hartnäckig

in der Gesellschaft? Wie kann ich Suizidalität erfragen? Wer gehört zu den Hoch-Risikogruppen einerseits und wie

individuell kann andererseits die zugrunde liegende Dynamik sein?

Schlüsselwörter: Suizidale Krise, Irrtümer über Suizidalität, Hochrisikogruppen für Suizidalität

Abstract

We can encounter suicidal crises in all areas of the medical and psychoso-cial helper system. In acute stressful situations, it

is not uncommon for peo-ple to first seek the way to their family doctor. Only gradually does more knowledge and an open

approach to the topic reach society. What errors persist in society? How can I inquire about suicidality? Who belongs to the

high-risk groups on the one hand and how individual can the underlying dynamics be on the other?

Keywords: Suicidal crisis, misconceptions about suicidality, high risk groups for suicidality

Den Raum betritt ein großer, schlanker

Mann Anfang 60, den Blick

leicht gesenkt. Er spricht zunächst

kaum, erst auf Nachfrage sagt er

nickend: „Ja, manchmal möchte ich gerade

einfach nicht mehr leben.“

In einer späteren Stunde, wir haben uns

inzwischen nonverbal aufeinander eingespielt,

was sich in einer synchronen Änderung

der Sitzposition oder dem gleichzeitigen

Ergreifen des Worts ausdrückt,

beginnt Herr A. plötzlich von seinen

Großeltern zu erzählen, bei denen er aufgewachsen

sei: von dem Haus in einem

nördlichen Dorf der Türkei, seinem stillen

Großvater und seiner nicht zur Ruhe

kommenden Großmutter und hat Tränen

in den Augen. So bewegt hatte ich ihn bis

dato noch nicht erlebt. Ich verstehe nun

besser, wo sein zunehmend aufflackerndes

schelmisches Grinsen oder seine warme

Art im Kontakt mit Mitpatienten herrührt.

Herr A. berichtet, wie seine Eltern ihn als

Jugendlichen unfreiwillig nach Deutschland

geholt hätten und wie schwierig das

für ihn gewesen sei. Seine Großeltern habe

er nie mehr wiedergesehen.

16 Systemische Orale Medizin · 10. Jahrgang 4/2021

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