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Logopädie, Pflanzen, Probiotika

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Wissenschaft

Der größte „Fehler“ im

Umgang mit Suizidalität

ist es, nicht darüber zu

sprechen!

Abb. 1: Präsuizidaler Verlauf nach Pöldinger [zit. nach 2, S. 67]

▶ einem Erwägungsstadium

▶ einem Ambivalenzstadium

▶ einem Entschlussstadium, mit je abnehmender

Fähigkeit zur Distanzierung

und abnehmendem appellativen,

mehr resignativem Charakter (Abb. 1).

So weist das Modell auch darauf hin, dass

ein zum Suizid entschlossener Mensch

häufig einen Abfall der inneren Spannung

(„trügerische Ruhe“) erlebt, die im Klinikalltag

als vermeintliche Symptomverbesserung

verkannt werden kann.

Achtung: Die zu rasch gelöste Stimmung

depressiver Patienten*innen kann unter

Umständen darauf hinweisen, dass er oder

sie durch die Entscheidung, den Suizid zu

vollenden, gewissermaßen gelöster wirkt.

Einblick in Risikogruppen

und -faktoren

Etwa 90 % der Menschen, die Suizid

begehen, leiden an einer psychischen

Erkrankung, v. a. affektive, aber auch

Abhängigkeitssyndrome, psychotische

Erkrankungen, Persönlichkeits-, Anpassungs-,

Angst- und somatoforme Störungen

[2]. Die höchste Risikogruppe stellen

die depressiv Erkrankten dar, hierunter

vor allem ältere Männer (>70 Jahre), mit

anhaltenden Gefühlen von Insuffizienz,

Schuld, Hoffnungs- und Perspektivlosigkeit

oder aber mit (pseudo-)altruistischen

Ideen, i. S. v. die Welt sei besser

ohne den Betroffenen. Zu den Risikofaktoren

zählen ferner [nach 3, 8]:

▶ vorangegangene Suizidversuche (auch

im Familien- oder engeren Bekanntenkreis!)

▶ Suizidideen mit ausgeprägtem Handlungsdruck

und geringer Fähigkeit zur

Distanzierung

▶ Verlust äußerer Ressourcen (z. B.

sozialer Rückzug) oder Einbeziehung

Angehöriger i. S. der Idee eines erweiterten

Suizids

▶ Verlust innerer Ressourcen (z. B.

Glaubenssystem)

▶ direktes Suizidarrangement oder implizite

Vorkehrungen wie Testamentschreibung

▶ eine komorbide Substanzabhängigkeit,

komorbide Angst- oder Persönlichkeitsstörung,

psychotische

depressive Symptome

▶ körperliche und kognitive Symptome

wie anhaltende Schlaflosigkeit, Konzentrationsschwierigkeiten

▶ aggressiv-impulsive Persönlichkeitsmerkmale

Wichtig zu beachten:

▶ offen Suizidgedanken/-pläne/-handlungen

erfragen

▶ akute Belastungssituation erfragen

▶ subjektive Erlebnisweise ernst nehmen

▶ Ressourcen erfragen (z. B. Partnerschaft)

▶ Distanzierungsfähigkeit einschätzen

Und dann?

▶ Zeit gewinnen

▶ empathisch, jedoch nicht panisch

reagieren

▶ Beziehungsangebot machen (neuer

Termin)

▶ Abwägen einer psychiatrischen Überweisung

▶ Austausch mit Kollegen (Inter- bzw.

Supervision)

▶ zu einem gewissen Grad immer auch

… Unsicherheit aushalten

Einschätzung der Akuität

Präsuizidale Verläufe liegen bei Depressionen

phänotypisch häufig nah an den

hier genannten Modellen. Aber auch

während einer floriden psychotischen

Episode kann sich ein Suizidgedanke

beispielsweise in Form von Phonemen

(„Stimmen hören“) ausdrücken,

die zum Suizid auffordern. Wichtig bei

der Einschätzung der Akuität ist, über

die Grunderkrankung hinweg, einerseits

die Distanzierungsfähigkeit und

andererseits bestehende Freiheitsgrade

i. S. v. intrapsychischer Flexibilität und

äußerer Ressourcen (v. a. Beziehungsgefüge).

Hiervon abhängig ist schließlich

die Indikation einer stationären Krisenintervention

und Notfallbehandlung.

Bei schizophrenen Erkrankungen wird

das Risikopotenzial postpsychotisch ins-

18 Systemische Orale Medizin · 10. Jahrgang 4/2021

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