kommen.“ Nachsatz: „Man muss da wirklich am Boden bleiben.“ Alarmismus ist auch Belinda Plattner fremd. Seit Februar 2021 ist die gebürtige Wienerin Primaria der Universitätsklinik für Kinder- und Jugendpsychiatrie der <strong>Paracelsus</strong> Universität. „Es mag sicher sein, dass sich die Situation für einige Kinder und Jugendliche sowohl schulisch als auch innerfamiliär deutlich verschlechtert hat“, konzediert sie im Gespräch mit <strong>Paracelsus</strong> <strong>Today</strong>. Vor allem gelte das für junge Menschen, die schon vor der Pandemie psychisch belastet gewesen seien und denen man bedingt durch die Einschränkungen nicht oder nur ungenügend hätte helfen können. Plattner: „Das hatte sicher Auswirkungen auf betroffene Jugendliche und gehört sicher nachbearbeitet.“ Gleichzeitig seien die in ihrer Klinik behandelten Fälle „zumeist hochkomplex“, ob sie sich ohne Pandemie anders entwickelt hätten sei hingegen „wirklich schwer zu sagen“, so die 46-jährige Primaria. Plattner: „Natürlich wird jetzt sehr viel auf die Pandemie zurückgeführt. Die Frage ist aber, ob beispielsweise eine dadurch eskalierte familiäre Dysfunktion auch ohne Pandemie bestanden hat. Also ich bin da immer sehr vorsichtig.“ Krise ja, Krankheit nein. „Mein Ansatz ist, dass der Großteil der Kinder und Jugendlichen, der psychiatrische oder psychotherapeutische Hilfe in Anspruch nimmt, unter Krisen leidet, aber eigentlich gesund ist“, brachte Belinda Plattner ihr Credo bereits anlässlich ihrer Präsentation im September 2020 auf den Punkt. Und dieser Ansatz klingt auch im Zusammenhang mit den eingangs erwähnten Studien durch: „Im Kindesund Jugendalter kommt es immer wieder zu Krisen, die sich natürlich auch in psychologischen Testverfahren niederschlagen: Körperschema-Probleme, Essstörungen, depressive Gedanken, „Jugendliche haben in ihrer Entwicklung eine wahnsinnig hohe Heilungskompetenz und ein hohes Potenzial, wieder in die Normalität zu kommen.“ WOLFGANG SPERL Sinnfragen, Entwicklungs- und Versagensängste – all das ist auch ein Teil des Heranwachsens.“ All das gelte es ernst zu nehmen, wobei die Klinik-Chefin versucht, ihren jungen Patienten nicht das Gefühl einer schweren psychischen Erkrankung zu vermitteln. Großen Nachholbedarf sieht Plattner bei der niederschwelligen Verfügbarkeit und gleichzeitigen Entstigmatisierung der kinder- und jugendpsychiatrischen Hilfe, deren Angebot zudem „dringend“ ausgebaut werden müsse. Das Unwort von der Lost Generation, der verlorenen Generation, bereitet Plattner hörbar Unbehagen: „Das ist etwas, womit ich mir sehr schwertue.“ Noch dazu, wo sogar eine erhöhte Resilienz bei Jugendlichen durch die erfolgreiche Bewältigung einer Krisensituation im Bereich des Möglichen sei. Belinda Plattner sieht ein breites Spektrum an Reaktionen: „Für manche ist es ein Resilienz-Training, manche haben einfach geschafft, für sich Ressourcen zu finden. Und manche haben dadurch leider mehr psychische Probleme bekommen.“ Wo sich die Situation durch die Pandemie verschlechtert hat, seien die in Aussicht gestellten Hilfsangebote zu begrüßen: „Aber das Gros der Jugendlichen hat einfach viel geleistet, hat die Matura bestanden oder eine Lehre abgeschlossen.“ Wie andere Generationen zuvor werde auch die aktuelle ihre Herausforderungen meistern, ist die Expertin zuversichtlich. Plattner: „Die Pandemie wird als historische Begebenheit ein Teil der Lebenserfahrung dieser Jugendlichen bleiben, ja von uns allen.“ Zuversichtliches Aber: „Ich habe großes Vertrauen in diese Generation. Wir haben wirklich gute Voraussetzungen, positiv in die Zukunft zu schauen.“ Hilfe für Studierende. Bleibt noch eine besondere Gruppe, auf die nach Ansicht vieler im Verlauf der Pandemie gesamtgesellschaftlich eher vergessen worden ist: Studentinnen und Studenten, die nicht selten in einer Gemengelage aus Leistungsdruck, Spaßverzicht und Rücksichtnahme auf andere gefangen waren. Auch Plattner hat von Studierenden immer wieder Rückmeldungen bekommen, dass diese „sehr stark unter der Situation gelitten“ hätten. Versteht sich, dass sich Rektor Wolfgang Sperl daher ganz besonders über das Comeback der Präsenz-Lehre im Geist des „speziellen PMU-Exzellenz-Settings“ freut – und natürlich über ein Mehr an „Beziehung und Bindung“. Plattner wiederum wünscht sich, dass gerade die traditionell besonders leistungsbereiten <strong>Paracelsus</strong>-Studierenden stolz auf sich und ihre unter schwierigen Verhältnissen erbrachten Leistungen sein sollten. Und die Primaria ermutigt sie, bei Problemen – auch jenseits der Pandemie – die Hilfe ihrer Klinik in Anspruch zu nehmen. Denn: „Wir von der Universitätsklinik für Kinder- und Jugendpsychiatrie fühlen uns auch für die Psyche der Studierenden verantwortlich, die Ansprechpartnerin ist Oberärztin Julia Trost-Schrems (j. trost@salk.at), sie kann von Studierenden gerne kontaktiert werden.“ Und zwar ganz ohne Scheu. Belinda Plattner: „Krisen gehören zum Leben, sie sind Teil unseres Seins.“ Ω 10 paracelsus today 1 | 22 08-10 FocusOn_Pandemiekinder.indd 10 18.03.22 13:57
SCHÜTZ DAS KLIMA. SCHLUCK FÜR SCHLUCK. Der erste klimaneutrale Saft im Kühlregal. Klimaneutral durch Einsparungen & Kompensation Unbenannt-4 11 16.03.22 17:05