Traumarbeit Psychodynamik Psychotherapieforschung GLE-Akademie
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Als Psychotherapiemethode, die den ganzen<br />
Menschen behandeln will, hat die Existenzanalyse<br />
ihre Position der Psyche gegenüber<br />
auf dem Hintergrund ihrer praktischen<br />
Erfahrungen mit neuen Methoden<br />
immer wieder zu bedenken. Durch die methodische<br />
Weiterentwicklung in der Existenzanalyse<br />
ergeben sich zusätzliche<br />
Verstehenszusammenhänge und Zugänge<br />
zur <strong>Psychodynamik</strong>. Diese werden hier zusammengefaßt<br />
(siehe auch lexikalische Zusammenfassung<br />
S. 20) und anthropologisch<br />
reflektiert. Die <strong>Psychodynamik</strong> wird in ihrer<br />
Erscheinungsweise als Affekt, Impuls, psychische<br />
Schutzreaktion und pathologische<br />
Entwicklung systematisiert. Eine Fallstudie<br />
erläutert die Theorie.<br />
Der anthropologische Hintergrund<br />
Die existenzanalytische Anthropologie nach Frankl (1959,<br />
665 ff.) versteht das Menschsein als eine Einheit von drei<br />
Dimensionen (“Seinsweisen”), die in ihrem Wesen und hinsichtlich<br />
ihrer Aufgaben von einander zu unterscheiden<br />
wären: der somatischen, der psychischen und der noetischen.<br />
Der Psyche kommt in diesem Modell die Funktion<br />
zu, gemeinsam mit dem Somatischen ein antagonistisches<br />
Kräftespiel mit dem Geistigen aufzubauen. Anders gesagt:<br />
durch das Psychische, das ja nach Frankl das Somatische<br />
gefühlsmäßig vertritt (psychophysischer Parallelismus),<br />
erhält das Menschsein einen Vektor, der dem Geistigen<br />
entgegenstehen und somit im Menschen ein Spannungsfeld<br />
erzeugen kann. Dieses Menschenbild gehört somit in eine<br />
abendländische Tradition, in der auch Ludwig Klages steht,<br />
der den Geist des Menschen explizit als den “Widersacher<br />
der Seele” (1929) definierte.<br />
Die Anthropologie Frankls fußt unmittelbar auf jener<br />
von Max Scheler und ist von dessen Verständnis des Menschen<br />
geprägt (Wicki 1991, 39 ff., 123 ff.). In Schelers<br />
(und damit auch in Frankls) Anthropologie wird besonders<br />
ein Umstand herausgestrichen, daß nämlich im Menschen<br />
16 EXISTENZANALYSE 1/98<br />
ORIGINALARBEIT<br />
Verständnis und Therapie der<br />
<strong>Psychodynamik</strong> in der Existenzanalyse<br />
Alfried Längle<br />
eine (intrinsische) Fähigkeit zur Opposition gegen sich<br />
selbst verankert ist. Frankl faßte diese Sichtweise des<br />
Menschen im Konzept des “psycho-noetischen Antagonismus”<br />
(Frankl 1975, 219-221, 227 f.). Ihm zufolge besteht<br />
zwischen dem Noetischen und dem Psychischen ein Hiatus,<br />
der nicht streng genug gezogen werden kann (Frankl<br />
1988, 18). Nur an zwei Stellen (s.u.) schreibt Frankl der<br />
antagonistischen Position des Noetischen zum Psychischen<br />
keine aversive, sondern eine subsidiäre Funktion zu. Da<br />
eine sich wechselseitig unterstützende Funktionsweise zu<br />
keinen Problemen führt, ist der psychophysische Synergismus<br />
für die Psychopathologie vordergründig zu vernachlässigen.<br />
Er ist klinisch nicht relevant. Für die Behandlung<br />
seelischer Störungen und für eine anthropologische Bestimmung<br />
des Menschen hingegen ist das Gewahrwerden des<br />
Synergismus aber umso wichtiger, wie wir sehen werden.<br />
Hier nun zunächst die beiden Frankl-Zitate:<br />
“Der psychonoetische Antagonismus ist, im Gegensatz<br />
zum obligaten psychophysischen Parallelismus, ein fakultativer.<br />
Demgemäß ist die Trotzmacht des Geistes eine bloße<br />
Möglichkeit, aber keine Notwendigkeit. Zu trotzen ist<br />
zwar immer möglich, aber der Mensch hat es nicht immer<br />
nötig. Der Mensch kann immer trotzen, aber er muß es<br />
nicht immer. Der Mensch muß von der Trotzmacht des<br />
Geistes keineswegs immer Gebrauch machen. Er braucht<br />
sie nicht immer zu bemühen. Seinen Trieben, seinem Erbe<br />
und seiner Umwelt braucht er einfach schon deshalb nicht<br />
immer zu trotzen, weil er sie braucht; denn mindestens<br />
ebensooft wie trotz seiner Triebe, trotz seines Erbes und<br />
trotz seiner Umwelt behauptet sich der Mensch auch kraft<br />
seiner Triebe, dank seinem Erbe und dank seiner Umwelt.”<br />
(Frankl 1959, 663)<br />
“..., daß die Bedürfnisse dazu da sind, das Subjekt auszurichten<br />
und hinzuordnen auf einen Gegenstandsbereich,<br />
auf einen Bereich von Objekten.” (ebd. 690).<br />
Die historische Aufgabe der Logotherapie<br />
Die Aufgabe der Logotherapie sieht Frankl (vgl.<br />
1982, 18, 25 ff.) darin, die Position des Geistigen gegenüber<br />
dem Psychischen zu stärken. Die psychische Dimension,<br />
die zwar eine elementare Wirklichkeit des Menschen<br />
darstellt und der prinzipiell derselbe Stellenwert in der Anthropologie<br />
eingeräumt wird wie der geistigen, kommt<br />
durch diese Aufgabenstellung in ein Schattendasein in der<br />
Logotherapie. Sie wird deshalb einzig hinsichtlich ihrer