Traumarbeit Psychodynamik Psychotherapieforschung GLE-Akademie
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überliefert. Drei Traumtheorien, die<br />
die Geschichte der Traumdeutung wesentlich<br />
beeinflußt haben, sind die von<br />
Sigmund Freud, Carl Gustav Jung und<br />
Medard Boss.<br />
Heute kommt in allen psychotherapeutischen<br />
Schulen dem Traum<br />
eine wichtige Bedeutung zu. Die Aspekte<br />
und Ansätze, die gewählt werden,<br />
sind demgemäß verschieden, doch<br />
haben alle gemeinsam, daß durch die<br />
Bearbeitung von Träumen bedeutsame<br />
Inhalte für den therapeutischen Prozeß<br />
aufgegriffen werden.<br />
Existenzanalyse und<br />
phänomenologisches<br />
Traumverständnis<br />
Im Traum ist die Person ganz sich<br />
selbst überlassen. Im Traum kommt der<br />
Träumer sich nahe, ist ganz er selbst,<br />
kommt aber nicht der Welt nahe. Der<br />
Traum ist Offenbarung der Seele in<br />
ihrer Innerlichkeit. Im Traum ist das<br />
Erleben unmittelbar, der Träumer ist<br />
“innen”, im Inneren seiner selbst. “Die<br />
Seele birgt in sich das Vermögen, Welt<br />
in allen der Welterfahrung zukommenden<br />
Erlebnisqualitäten zu entwerfen,<br />
zu bildern und wieder aufzuheben”<br />
(Wyss 1988, 289). In den Träumen<br />
ist der Schläfer seiner Seele<br />
pathisch hingegeben. Der Traum gibt<br />
den Blick auf die Person frei. “Durch<br />
das tiefe Eingetaucht-Sein im Unbewußten<br />
partizipiert die Seele - mehr<br />
als in ihrem freien bewußten Zustande<br />
- an jenem Miteingeflochtensein<br />
im allgemeinen und an dem Durchdrungensein<br />
von allem Räumlichen und<br />
Zeitlichen, wie es dem Unbewußten<br />
überhaupt zukommt” (Foucault 1992,<br />
42).<br />
Im Traum ist der Mensch absolut<br />
allein, auf sich selbst gestellt, wohingegen<br />
er wach im Bewußtsein der Welt<br />
ist. Schon der griechische Philosoph<br />
Heraklit von Ephesos stellte fest, daß<br />
die Wachenden eine gemeinsame Welt<br />
haben, während sich die Schlafenden<br />
jeweils der eigenen Welt zuwenden.<br />
Träume erscheinen nur im Lichte des<br />
Wachbewußtseins als unverständlich.<br />
Während des Traumes lebt der Träu-<br />
FORUM<br />
mer in einer für ihn selbstverständlichen<br />
Welt wie im Wachen. “Der<br />
Mensch lebt permanent auf zwei Ebenen:<br />
der des Traumes und der des Wachens”<br />
(Wyss 1988, 248). Solange wir<br />
träumen merken wir nicht, in welcher<br />
der beiden Welten wir uns befinden,<br />
denn im Traum gibt es kein Kriterium,<br />
das uns zeigt, ob wir wach sind oder<br />
nicht. Im Schlaf wendet der Mensch<br />
sich ausschließlich sich selbst zu und<br />
nimmt dies als Bilderfolge wahr. Der<br />
Traum wie der Träumer schöpfen aus<br />
einem “Weltgehalt” die Möglichkeiten<br />
aller Möglichkeiten. Die Welt im<br />
Traum ist subjektiv, sie ist die subjektive<br />
Wirklichkeit der Person.<br />
Wenn der Mensch träumt, wendet<br />
er sich von seiner Außenwelt ab und<br />
seiner inneren Welt zu. Er schließt die<br />
Augen. Die Welt des Wachens verschwindet<br />
mit dem Einschlafen und<br />
wird mit dem Erwachen wiedergewonnen.<br />
Im Schlaf erfährt das Bewußtsein<br />
eine regelmäßige tiefe Unterbrechung<br />
durch das Traumbewußtsein. Der<br />
Mensch kann sich träumend nicht von<br />
sich abwenden. Es erschließt sich damit<br />
sein innerer Raum. Die Person ist<br />
befreit zu sich selbst. Im Traum ist die<br />
Person frei von allen Bedingungen und<br />
Verpflichtungen. Es gibt keine Form<br />
der Zensur. Auch schlafend bleibt die<br />
Person Person, die sich im Traum ausdrückt.<br />
Sie kann damit aus der Begrenzung<br />
der Wachwelt aussteigen und in<br />
ihre eigene Welt eintauchen (Funke<br />
1994). Im Traum konstituiert sich die<br />
ganz subjektive Welt des Träumers.<br />
“Die Bedeutung der <strong>Traumarbeit</strong><br />
im Rahmen einer existenzanalytischen<br />
Therapie liegt in dem durch sie möglichen<br />
Zugang zur personalen Tiefe,<br />
zur ‘Tiefenperson’ des Träumers”<br />
(Kunert 1993, 202).<br />
Im Dialog mit dem Träumer kann<br />
die Tiefenperson erreicht werden. Diese<br />
geistige Tiefenperson ist obligat unbewußt<br />
(Frankl 1988, 20 ff.).<br />
Auch im Schlaf bleibt der Mensch<br />
Person und das Unbewußte fließt in<br />
das Traumgeschehen mit ein. Frankl<br />
(1992, 30) schreibt dazu, daß in die<br />
“Träume, diese echten Produktionen<br />
des Unbewußten, nicht nur Elemente<br />
des triebhaft Unbewußten eingehen,<br />
sondern auch solche des geistig Un-<br />
bewußten.”<br />
“Halten wir fest”, schreibt Frankl,<br />
“der Existenzanalyse zufolge gibt es<br />
nicht nur unbewußte Triebhaftigkeit,<br />
sondern auch unbewußte Geistigkeit;<br />
mit anderen Worten: wir kennen und<br />
anerkennen nicht nur ein triebhaft Unbewußtes,<br />
sondern auch ein geistig Unbewußtes,<br />
und in dem sehen wir den<br />
tragenden Grund aller bewußten Geistigkeit.<br />
Im Gegensatz zur Psychoanalyse<br />
- die den Menschen für ein Wesen<br />
hält, das vom Es, von unbewußter<br />
Triebhaftigkeit beherrscht wird... -<br />
zeichnet sich der Mensch im Rahmen<br />
des existenzanalytischen Menschenbildes<br />
als ein Wesen ab, das vom Unbewußten<br />
getragen wird, und nicht zuletzt<br />
von unbewußter Geistigkeit. Der<br />
Logos... wurzelt im Unbewußten”<br />
(Frankl 1955, zit. nach Kunert 1993,<br />
203)<br />
Demzufolge wendet sich die existenzanalytische<br />
<strong>Traumarbeit</strong> den bewußten<br />
und unbewußten Erfahrungen<br />
zu. Durch den Versuch, Elemente des<br />
geistig Unbewußten mittels der Traumerfahrung<br />
in die Bewußtheit zu heben,<br />
kann ein tieferes Verständnis für die<br />
eigene Existenz ermöglicht werden.<br />
Der Traum ist eine eigene Wirklichkeit<br />
und nicht Ausdruck einer defizitären<br />
Abart des Bewußtseins. Die Beschaffenheit<br />
dieser eigenen Wirklichkeit ist<br />
Ausdruck der Person und kann Hinweis<br />
auf ihre Existenzmöglichkeiten<br />
geben. Der Traum weiß nicht um sich<br />
selbst, er ist absichtslos.<br />
“Im Thema des Traumes, das stets<br />
mit der jeweiligen Intentionalität<br />
engstens verschränkt ist, zeigt sich das<br />
Wesen des Erlebnisses oder seine<br />
Wesenhaftigkeit, die sich in dieser<br />
Wesenhaftigkeit nicht im Wachen darstellt”<br />
(Wyss 1988, 256). Der Traum<br />
macht unmittelbare Wesenszusammenhänge<br />
sichtbar, er ereignet sich als<br />
Wesensschau. Um ein Verständnis für<br />
den Trauminhalt zu erlangen, eignet<br />
sich die Phänomenologie, die das Verstehen<br />
als ein “innerliches Aneignen”<br />
(Foucault 1992, 29) bezeichnet und die<br />
Bedeutung im Ausdrucksakt selbst findet<br />
und nicht dazuerfindet. Es ist der<br />
Versuch, beim ursprünglich Erlebten<br />
zu bleiben, nichts Neues hereinzunehmen<br />
und damit keine Entfremdung her-<br />
EXISTENZANALYSE 1/98 39