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Traumarbeit Psychodynamik Psychotherapieforschung GLE-Akademie

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Schutzfunktion (Copingreaktionen) sowie die Erkennbarkeit<br />

der jeweils involvierten <strong>Psychodynamik</strong> anhand der sie begleitenden<br />

Affekte. Die Affekte (bzw. zuständlichen Gefühle<br />

wie beispielsweise Kränkung, Unruhe, die verschiedenen<br />

Formen von Ängstlichkeit) legen die Schiene frei zur Diagnose<br />

der jeweils aktivierten <strong>Psychodynamik</strong>, die im Hinblick<br />

auf ihren Zusammenhang mit den personal-existentiellen<br />

Grundmotivationen ein vertieftes existentielles Verständnis<br />

der Lebenssituation des betreffenden Menschen<br />

erlauben. Diesbezüglich ergaben sich spannende Diskussionen<br />

und wertvolle Beiträge vor allem von L. Tutsch sowie<br />

G. Funke, Ch. Kolbe, S. Längle, Ch. Probst im Sommer<br />

1997, als wir im Ausbildner-Team diese Inhalte diskutierten.<br />

Mit dieser Arbeit fassen wir den eigenständigen, rein<br />

existenzanalytischen Zugang zu Verständnis und Behandlung<br />

der <strong>Psychodynamik</strong> zusammen. Es ist uns bewußt, daß<br />

es sich dabei erst um einen Anfang handelt, der aber schon<br />

jetzt eine spannende Entwicklung verspricht.<br />

Die Aufgabe der Psyche für die Existenz<br />

des Menschen<br />

Die Psyche bringt die vitalen Voraussetzungen der Existenz<br />

in eine erlebnismäßige Repräsentanz. Darum hat sie<br />

- ganz im Gegensatz zum einseitigen Frankl-Schelerschen<br />

Verständnis - auch die Funktion eines Bindegliedes zwischen<br />

der noetischen und der physischen Dimension. Ohne<br />

Psyche käme es zu einer Art “Nebeneinanderleben” von<br />

Geist und Körper, ohne daß ein erlebbarer Bezug zwischen<br />

beiden vorhanden wäre. Damit würde die “Ganzheit<br />

Mensch” ebenso zerfallen, wie sie ohne Leib und ohne<br />

Geist nicht mehr gegeben ist.<br />

Diese Auffassung weist im übrigen eine formale Ähnlichkeit<br />

zum Freudschen Strukturmodell des Menschen auf,<br />

der an ihm ein Es, ein Ich und ein Über-Ich beschreibt. Obwohl<br />

die Inhalte der einzelnen Schichten verschieden sind<br />

- das Freudsche Es entspräche weitgehend unserer psychischen<br />

Dimension, das Ich der noetischen und das Über-Ich<br />

der psychischen und noetischen Dimension - ist doch bemerkenswert,<br />

daß eine psychodynamische Betrachtung auch<br />

in der Existenzanalyse zu einem ähnlichen Formalismus<br />

führt, wie sie schon Freud gefunden hatte.<br />

Nous<br />

Psyche<br />

Soma<br />

Welt (Andersheit)<br />

Abb. 1: Das dreidimensionale Menschenbild in einer geschichteten<br />

Darstellung, durch die der Stellenwert<br />

der Psyche innerhalb der Anthropologie verdeutlicht<br />

werden soll: die Psyche als Bindeglied zwischen<br />

dem Noetischen und dem Somatischen bzw.<br />

dem physischen In-der-Welt-Sein.<br />

18 EXISTENZANALYSE 1/98<br />

ORIGINALARBEIT<br />

Durch diese Aufgabe kommt der Psyche eine wesentlich<br />

schützende und bewahrende Funktion innerhalb des leiblichen<br />

Menschseins zu. Sie kann damit als Repräsentantin<br />

bzw. Wächterin der vitalen Lage des Menschen angesehen<br />

werden, deren Aufgabe es ist, auf das Überleben und das<br />

Wohlbefinden des Menschen zu achten. Diese Funktion<br />

erfüllt die Psyche in erster Linie durch die stetige “Bewertung”<br />

des Erlebens in Form angenehmer oder unangenehmer<br />

Gefühle.<br />

Am einfachsten kann diese Funktion des Psychischen<br />

im Zusammenhang mit körperlichen Mangelzuständen verdeutlicht<br />

werden. Wenn diese nicht gestillt werden, entstehen<br />

psychische Spannungen, die sich als Unlustgefühle bemerkbar<br />

machen. Ein anfängliches Hungergefühl steigert<br />

sich zu einem quälenden Empfinden und mobilisiert den<br />

ganzen Menschen, der auf die vitale Not aufmerksam gemacht<br />

wird.<br />

Die zuständlichen Gefühle der psychischen Dimension<br />

beziehen sich auf zwei Erlebnisbereiche. Zum einen bilden<br />

sie die körperliche Verfassung (Befindlichkeit), d.h. ihre<br />

Kräfte, Bedürfnisse und die der Erhaltung des Lebens dienende<br />

Trieblage ab, die nach ihrem vitalen Recht verlangen:<br />

Spieltrieb, Funktionslust, Sexualtrieb, Schutztrieb.<br />

Darüber hinaus sind die zuständlichen Gefühle aber<br />

auch erlebnismäßige Repräsentanzen des In-der-Welt-<br />

Seins. Bedrohende Lebenssituationen, belastende Ereignisse,<br />

glückliche und erfolgreiche Umstände werden auch psychisch<br />

mitempfunden und in ihrer Bedeutung für die vitale<br />

Lage bemessen. Man könnte von psychischen Begleitgefühlen<br />

sprechen, die als Gestimmtheit (Heidegger 1979,<br />

134 ff.) das reale Dasein des Menschen durchziehen, mitgestalten<br />

und auch prägend beeinflussen. So können Erfahrungen<br />

mit sich selbst und der Welt, die traumatisierend<br />

oder sich oft wiederholend bzw. lange anhaltend waren,<br />

sich tief im Erleben einprägen und zu bedeutsamen emotionalen<br />

Erinnerungsfurchen heranwachsen. Sich wiederholende<br />

Beziehungsmuster, erforderliche Strategien zur Erreichung<br />

von Bedürfnisbefriedigungen, rezidivierende Mißachtung,<br />

Bedrohung, Lieblosigkeit oder Mißbrauch können<br />

zu Erlebnismustern führen, die den größten Teil des bisherigen<br />

“In-der-Welt-Seins” (Heidegger) abbilden und daher<br />

beständigen Charakter haben. Die Psyche kann somit als<br />

“Speicher” typischer Erfahrungen des “In-der-Welt-Seins”<br />

angesehen werden (Tutsch, Diskussion). Als solche beeinflussen<br />

die “Ein-drücke” bzw. “Ein-prägungen” hemmend<br />

oder fördernd, jedenfalls “mitlaufend” die Akte der Person<br />

(Tutsch). Es können ängstliche, depressive oder sich selbst<br />

entfremdete (hysterische) psychische Reaktionslagen<br />

(Gestimmtheiten) entstehen.<br />

Das geschilderte Verständnis der Funktion der Psyche<br />

schließt die Franklsche Sicht der Psyche als Antagonistin<br />

bzw. Widersacherin des Geistigen nicht aus. Denn der<br />

Mensch in seiner “Welt als Wille und Vorstellung” (Schopenhauer)<br />

kann sich durchaus auf Ziele beziehen, die der<br />

Psyche beispielsweise als bedrohlich erscheinen. Wer sich<br />

etwa einer konflikthaften Situation psychisch nicht gewachsen<br />

fühlt, geschwächt durch traumatische Vorerfahrungen

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