Traumarbeit Psychodynamik Psychotherapieforschung GLE-Akademie
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In Zusammenhang mit dieser Arbeit soll ein erster<br />
Überblick über die Gefühlsketten gegeben werden, die einen<br />
Einblick in die Verbindung der Grundmotivationen mit<br />
der <strong>Psychodynamik</strong> vermitteln (siehe Tabelle 1, Seite 23).<br />
Die <strong>Psychodynamik</strong> der Copingreaktionen<br />
Die Psyche als Wächterin des vitalen Grundgefühls und<br />
Wohlbefindens ist nicht auf die Ausbildung von Gefühlen<br />
und damit auf die Repräsentanz der vitalen Lage des Menschen<br />
beschränkt, sondern stellt Schutzreaktionen bereit,<br />
um das Leiden an der Frustration der Voraussetzungen<br />
personaler Existenz zu mildern und aufzufangen. Diese<br />
automatischen, psychogenen Schutzreaktionen nennen wir<br />
in der Existenzanalyse zunehmend öfter “Copingreaktionen”<br />
(zur Verwendung des Begriffs siehe Blankenburg<br />
1989, 4). Bei diesen reflexartigen, automatisch ablaufenden<br />
Schutz- und situativen Bewältigungsreaktionen werden<br />
vier Grundformen unterschieden: die Grundbewegung<br />
(Vermeidungsverhalten), Bewältigungsversuche, Abwehrdynamik<br />
im nicht Entkommen und ein letztes Schutzverhalten<br />
gegenüber dem Gefühl des Überwältigtseins, eine<br />
Analogie zum Totstellreflex. Durch die Copings können die<br />
negativen Gefühle aufgefangen oder abgeschwächt werden.<br />
Versagen die Copings, dann brechen die pathologischen<br />
Gefühle durch.<br />
Die Schutzreaktionen haben alle zum Ziel, der situativen<br />
Belastung oder Gefahr möglichst rasch zu entkommen<br />
und damit das psychische (manchmal sogar physische)<br />
Überleben zu gewährleisten. Die Schutzreaktionen haben<br />
je nach Grundmotivation unterschiedliche Bewegungsmuster.<br />
Kennt man die Bewegungsrichtung bzw. den thematischen<br />
Inhalt der Schutzreaktion, erhält man einen deutlichen<br />
Hinweis auf die Grundmotivation, die bedroht ist.<br />
Tabelle 2 zeigt die Copingreaktionen im Überblick (Tabelle<br />
2 siehe Seite 23).<br />
In der vorliegenden Tabelle sind die Copingreaktionen gegliedert<br />
nach dem subjektiv empfundenen Grad der Bedrohung:<br />
die Grundbewegung ist in der Regel das erste Verhaltensmuster,<br />
auf das Bezug genommen wird. Hat die Situation<br />
den Charakter der Ausweglosigkeit (z.B. weil es<br />
überall Bakterien gibt, kann der Zwängliche ihnen nicht<br />
24 EXISTENZANALYSE 1/98<br />
ORIGINALARBEIT<br />
entkommen - er beginnt sich gegen sie zu verteidigen), so<br />
entstehen paradoxe Bewegungen. Die vitale Empfindung<br />
schlägt sich gefühlsmäßig als Angst nieder, in die natürlich<br />
auch die persönlichkeitsbedingte (und nicht nur von der<br />
Situation ausgelöste) Aggressionsbereitschaft einfließt. Ist<br />
die Bedrohung massiv und versagen alle Reaktionen,<br />
kommt es zu einer Art von “Totstellreflex”. Diese letzte<br />
Schutzreaktion ist bereits geprägt von der Überwältigung.<br />
Sie gehört daher nicht zum Verhaltensrepertoire der gesunden<br />
Psyche und ist daher von den anderen Copingreaktionen<br />
abgesetzt (Man kann den Totstellreflex mit einer “Notbremse”<br />
oder einer “letzten Sicherung” vergleichen).<br />
Forschungen der nächsten Jahre könnten eine Differenzierung<br />
der Copingreaktionen insbesondere im Hinblick auf<br />
ihren Reifegrad ergeben. Eine weitere interessante Studie<br />
wird der Vergleich der Copingreaktionen mit den psychoanalytischen<br />
Abwehrmechanismen ergeben. Wir erwarten,<br />
daß unsere Studien dadurch wertvolle Anregungen erhalten.<br />
Für die Psychotherapie von besonderem Interesse sind<br />
die starren Copingmuster, die sich in gleicher Art in unterschiedlichen<br />
Situationen wiederholen. Jemand verhält<br />
sich psychisch gesund, wenn er z.B. auf eine bedrohliche<br />
Situation mit Vermeidung reagiert, ein andermal aggressiv<br />
wird und Haßgefühle bekommt, sich aber dann, wenn es<br />
ihm wichtig ist, der Situation stellen kann und sie aushält.<br />
Er ist flexibel in den Copingreaktionen. Diese haben eine<br />
gewisse Affinität zu den äußeren Umständen und können<br />
durch spezifische Verarbeitungsformen abgelöst werden,<br />
wenn es der Person sinnvoll und geboten erscheint. Dadurch<br />
ist psychische Gesundheit charakterisiert (vgl. Längle<br />
1992).<br />
Im Falle psychischer Krankheit führt das Erleben äußerer<br />
Umstände zu einer gleichförmigen psychischen Reaktion,<br />
die auch von unterschiedlichen äußeren Situationen<br />
immer in gleicher weise “getriggert” (ausgelöst) wird. Das<br />
ängstliche Subjekt, um bei dem Beispiel zu bleiben, reagiert<br />
gleichförmig mit Angst auf reale Gefahren, aber auch<br />
auf Herausforderungen, Aufgaben, Gedanken, auf Veränderungen,<br />
auf Neues - kurzum auf alles, was es fühlen läßt,<br />
daß es nicht wirklich Halt hat in seiner Existenz. Entsprechend<br />
ihrem Erleben ist die Dynamik der Psyche die, die<br />
nach sofortiger Absicherung strebt und jene Coping-<br />
GM Prozeß spezifisches Können Ergebnis<br />
1.GM sich stellen (da-sein), sich konfrontieren, aus-halten<br />
den Raum ein-nehmen, Ruhe suchen Allgemeiner: annehmen, lassen sein-lassen<br />
2.GM Beziehung aufnehmen, den Verlust trauern<br />
anfühlen, innere (gefühlsmäßige) Nähe Allgemeiner: Zuwendung geben,<br />
suchen, sich Zeit nehmen Nähe halten, sich berühren lassen. ein-lassen<br />
3.GM Schmerz an-sehen, es sich leid tun lassen, bereuen (anerkennen)<br />
auf Distanz gehen, eigene Intimität Allgemeiner: gegenübertreten, an-sehen, los-lösen<br />
aufsuchen Stellungnahme, abgrenzen, aussöhnen<br />
4.GM sich anfragen lassen, sich in Übereinstim- Tätigwerden (realisieren der neuen Haltung).<br />
mung bringen, Sinn suchen Allgemeiner: Hingabe, Sinn leben; auf-geben<br />
religiöse Verbundenheit<br />
Tab.3: Die personal-existentiellen Verarbeitungsformen existentieller Probleme, den vier Grundmotivationen zugeordnet.