Traumarbeit Psychodynamik Psychotherapieforschung GLE-Akademie
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4. Dieser Vorgang geht über ins Amplifizieren<br />
(lat.: Erweiterung), an<br />
dem die ganze Gruppe beteiligt ist.<br />
Alle Ideen, Weisheiten... aus Weltliteratur,<br />
Kunst, Bibel, Märchen und<br />
Sprichwörtern... sind hier gefragt.<br />
Damit soll ein weiteres und tieferes<br />
Erfassen des Geschauten angebahnt<br />
werden und der nächste Schritt,<br />
5. das Identifizieren eingeleitet werden.<br />
Der Schauende identifiziert<br />
sich nun mit dem von ihm als wichtig<br />
oder unverständlich Geschautem.<br />
Dies geschieht in der “Ich-Form”,<br />
z.B.: “ich bin die Treppe, ich bin<br />
alt, hölzern, abgetreten...”<br />
Im Identifizieren mit dem Eigenen,<br />
bisher oft Fremdem oder Beängstigendem,<br />
wird Bedrohliches und Unverständliches<br />
ent-fremdet, wird ein<br />
Zugang zu bisher ungelebtem Leben<br />
geschaffen. Aus dem ursprünglichen<br />
Bekämpfen und Abwehren wird ein<br />
Vertrautwerden und verstehendes<br />
Annehmen. Die damit verbundenen<br />
erstaunlichen, aber oft auch<br />
schmerzhaften Erkenntnisse auszuhalten<br />
und anzunehmen, erfordert<br />
Kraft, Mut und Selbstdisziplin vom<br />
Teilnehmer, Offenheit, geduldiges<br />
Aushalten, behutsames und einfühlsames<br />
Begleiten durch den Leiter<br />
und die übrigen Teilnehmer.<br />
6. Das daran anschließende Übertragen<br />
soll Möglichkeiten bewußt machen,<br />
wie das Geschaute und Erkannte<br />
gestaltet, umgesetzt und integriert<br />
werden kann. Ob daraus ein<br />
Gedicht, ein Strickmuster, ein Bild<br />
oder eine Tonfigur wird oder etwas<br />
völlig anderes, bleibt der Kreativität<br />
des Teilnehmers überlassen. Die<br />
Gestaltung geschieht auch nicht<br />
jetzt, innerhalb der Übung, sondern<br />
soll in das alltägliche Leben eingebracht<br />
werden.<br />
Bezug zur Existenzanalyse<br />
Betrachtet man Ablauf und Methode<br />
dieser EB-Erfahrung, so zeigt sich<br />
deutlich die Übereinstimmung mit verschiedenen<br />
Aspekten der Personalen<br />
Existenzanalyse.<br />
46 EXISTENZANALYSE 1/98<br />
FORUM<br />
1. Das Einlassen auf das “Medium”<br />
erfordert Hingabe an etwas, ist somit<br />
Ausdruck der Selbsttranszendenz.<br />
Gleichzeitig vollzieht sich die Entwicklung<br />
einer bis dahin oft unbewußten<br />
kreativen Fähigkeit, die den<br />
Teilnehmer mit seiner unmittelbaren,<br />
aktuellen psychischen Situation<br />
konfrontiert. Der Schauende erlebt<br />
sich gleichzeitig als “Zuschauer”<br />
(Selbstdistanzierung) und als “Handelnder”<br />
(Selbsttranszendenz), ohne<br />
jedoch steuernd in den Ablauf einzugreifen.<br />
Hier findet also eine Art<br />
Sinnerfahrung durch imaginiertes<br />
Werteerleben statt (Frankl). Im<br />
Ausdruck zeigt sich die Person, im<br />
Anschauen des Ureigensten vollzieht<br />
sich Selbstdistanz (SD), im<br />
Einlassen auf das Geschehen<br />
Selbsttranszendenz (ST).<br />
2. Im Beschreiben des Geschauten ist<br />
erneut die SD angefragt, aber auch<br />
die 1. Stufe der PEA, die Deskription.<br />
Es geht ums Sagen “was ist”,<br />
um ein phänomenologisches Schauen,<br />
wertfrei und ohne Interpretation;<br />
es geschieht ein Annehmen und<br />
Aushalten des Faktischen. Hier geht<br />
es um den Seinsgrund der Existenz<br />
und das “Ich bin”, emotional um<br />
das Wahrnehmen der Grundstimmung:<br />
Angst, Sehnsucht, Vereinsamung...<br />
3. In der Phase des Assoziierens und<br />
Amplifizierens zeigt sich die Person,<br />
bringt sie sich zum Ausdruck<br />
(ST), setzt sich mit dem eigenen<br />
Unbekannten auseinander (SD,<br />
Dialogfähigkeit), schafft Neues<br />
(Sinnerfahrung durch Werteerleben),<br />
und erfährt Zuwendung und<br />
Wertschätzung durch die übrigen<br />
Teilnehmer (Werteerleben,<br />
Selbstwert=sein dürfen).<br />
4. Besonders stark ausgeprägt wird das<br />
Bergen der primären Emotionalität<br />
in der Phase der Identifikation; die<br />
unmittelbare Zuwendung, Annahme<br />
und das Zu-sich-selber-Stehen<br />
(Wertsein, Mögen und Selbstsein-<br />
Dürfen) fordern SD und ST. Die<br />
Person bringt sich erneut zum Aus-<br />
druck, nimmt Stellung (PEA), entdeckt<br />
sich neu - “Ich darf so sein”<br />
(Selbstwert).<br />
5. Abgerundet und vertieft wird dieser<br />
vielfältige Zugang zur Person durch<br />
die Umsetzung des Geborgenen in<br />
die Realität (Personale Positionsfindung;<br />
Sinnvolles Wollen,<br />
ST, Freiheit und Verantwortung) -<br />
“Was soll mit dem Geborgenen<br />
werden”?<br />
Diese als “Existentielles Bilderleben”<br />
bezeichnete Selbsterfahrung trägt ihren<br />
Namen zurecht. Die Person steht im<br />
Mittelpunkt, ihr zur Existenz zu verhelfen<br />
geschieht hier auf eine sehr einfühlsame<br />
und intensive Weise.<br />
Das EB ermöglicht Selbstfindung<br />
und Selbstakzeptanz, führt dem Ausübenden<br />
die Erkenntnis der eigenen<br />
Vielfalt und Ambivalenz vor Augen,<br />
und zeigt ihm seine personale<br />
Werthaftigkeit trotz aller Mängel und<br />
Schwächen. Dies geschieht hier umso<br />
“leichter”, da Blockaden und Abwehrmechanismen<br />
der ausschließlich kognitiven<br />
Methoden umgangen werden und<br />
der Bezug des Bildes zur konkreten<br />
Lebenssituation meist klar erkennbar<br />
wird.<br />
Ein Zitat aus E. Drewermanns<br />
Werk “Das Eigentliche ist unsichtbar”<br />
mag das Eigentliche des EBs verdeutlichen:<br />
“Nicht zu formen und zu verändern<br />
gilt es daher, sondern reifen zu<br />
lassen und ins Licht zu heben.”<br />
Literatur<br />
Längle A. (1993) Personale Existenzanalyse.<br />
Tagungsbericht 1/93. Wien:<br />
<strong>GLE</strong><br />
Längle A. (1994) Personale Positionsfindung.<br />
Bulletin der <strong>GLE</strong> 3/94.<br />
Wien: <strong>GLE</strong><br />
Leuner H.C. (1990) Katathymes Bilderleben.<br />
Bern: Hans Huber<br />
Popa W. (1990) Erkennen - Zulassen -<br />
Übersetzen. Brief an Teilnehmer<br />
des EBs. Düsseldorf<br />
Anschrift der Verfasserin:<br />
Claudia Possel<br />
Heimstättenallee 12<br />
D - 82152 Planegg