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Gesundsitzen Ausgabe 2020/2021

Das Schweizer Magazin für Ergonomie, Gesundheit und Wohlbefinden. Ausgabe 2020/2021

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CHRONISCHE SCHMERZEN<br />

an einem sogenannten chronischen<br />

Schmerzsyndrom. Als Begleiterscheinung<br />

einer Krankheit, als Folge einer Verletzung<br />

oder Operation oder aus nicht geklärten<br />

Gründen, weil sich keine organische<br />

oder psychische Ursache finden<br />

lässt. Beim chronischen Schmerzsyndrom<br />

hat sich der Schmerz verselbständigt.<br />

Das Schmerzgedächtnis<br />

bombardiert Nervenzellen und Gehirn<br />

mit Falschmeldungen zu Schäden, die<br />

es nicht mehr gibt oder nie gegeben hat –<br />

der Schmerz ist selbst zur Krankheit<br />

geworden. Mit schwerwiegenden Folgen<br />

für die Betroffenen, sowohl im beruflichen<br />

wie privaten Leben, sowohl in körperlicher<br />

wie psychischer Hinsicht. Nicht<br />

selten führen eingeschränkte oder totale<br />

Arbeitsunfähigkeit, soziale Isolation,<br />

das Gefühl der Hilflosigkeit und des Ausgeliefertseins<br />

zu Depressionen bis hin<br />

zu Selbstmordgedanken.<br />

Diesem enormen Leidensdruck steht<br />

ein Krankheitsbild gegenüber, das in<br />

seiner Komplexität eine grosse Herausforderung<br />

in Diagnostik und Therapie<br />

darstellt. Schnelle oder einfache Lösungen<br />

gibt es nicht. Soll die Lebensqualität<br />

von Schmerzpatienten nachhaltig wiederhergestellt<br />

werden, bedarf es Zeit und<br />

einer engen Zusammenarbeit verschiedener<br />

medizinischer Fachrichtungen auf<br />

der Grundlage neuster wissenschaftlicher<br />

Erkenntnisse. Wie zum Beispiel im<br />

Schmerzzentrum des Inselspitals Bern.<br />

PD Dr. med. Konrad Streitberger,<br />

l eitender Arzt Anästhesiologie und<br />

Schmerztherapie des Inselspitals, gibt<br />

anhand von sieben Fragen Einblick in die<br />

Thematik des Chronischen Schmerzsyndroms<br />

und die interdisziplinäre Arbeit<br />

des Zentrums.<br />

Wie gut ist das Krankheitsbild<br />

«Chronischer Schmerz»<br />

erforscht, welche Fragen<br />

sind in der Schmerzforschung<br />

aktuell?<br />

Seit den 1990er Jahren können die bereits<br />

schon länger beobachteten Zusammenhänge<br />

zwischen Emotion und Schmerz<br />

über die funktionelle Bild gebung des<br />

Gehirns auch im zentralen Nervensystem<br />

sichtbar gemacht werden. Neueste Forschungen<br />

zeigen, dass Ver haltensmuster<br />

im Zusammenhang mit Schmerz zu Veränderungen<br />

im Zentralen Nervensystem<br />

führen. Dabei gibt es Studien, die sogar<br />

darauf hinweisen, dass durch chronische<br />

Schmerzreize strukturelle Veränderungen<br />

der Nervenzellverküpfungen erfolgen,<br />

die wiederum zu einer Sensibilisierung<br />

gegenüber Schmerzreizen führen.<br />

Die Frage ist, wie diese Kette verhindert<br />

werden oder durch Verhaltensmuster<br />

verändert werden kann. Für den prakti-<br />

PD Dr. med. Konrad Streitberger<br />

Leitender Arzt Anästhesiologie<br />

und Schmerztherapie,<br />

Leiter des Schmerzzentrums<br />

schen Alltag relevante Fragen sind<br />

ausserdem, welchen Einfluss die Erwartungshaltung<br />

seitens des Patienten gegenüber<br />

einer Therapie auf deren Erfolg oder<br />

auch potenzielle Nebenwirkungen hat.<br />

Hierzu gibt es neue, spannende Erkenntnisse<br />

aus der Forschung zu Placebos und<br />

deren Gegenteil, den Nocebos.<br />

Gibt es Menschen, bei denen<br />

ein erhöhtes Risiko<br />

einer Chronifizierung besteht?<br />

Das Risiko einer Chronifizierung setzt<br />

sich aus mehreren Faktoren zusammen.<br />

Aus der Psychosomatischen Medizin<br />

kennen wir zwei Patienten-Typen, die<br />

ein erhöhtes Risiko für eine schwere<br />

chronische Schmerzerkrankung mit sich<br />

bringen: zum einen die sogenannten<br />

«Pain-Prone-Patienten» und zum anderen<br />

die «Action-Prone-Patienten».<br />

Pain-Prone-Patienten haben meist<br />

schwere psychische Traumata erlebt,<br />

oft in Kombination mit physischer<br />

Bilder: Inselspital Bern<br />

Algopeg-Test: Mit einer kalibrierten Wäscheklammer als Auslöser wird die Schmerzempfindlichkeit der Patientin gemessen.<br />

gesundsitzen <strong>2020</strong> / 21<br />

Chronische Schmerzen 15

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