SPORTaktiv Skitourenguide 2022
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PROLOG Skitouren<br />
Unten im Tal hängt noch der Nebel, hoch droben strahlen Schneekristalle und Sonne um die Wette.<br />
FOTO: Scott/Grant Gunderson<br />
Ist er vor weniger als 24<br />
Stunden gefallen und in seiner<br />
Kristallform noch zu erkennen,<br />
spricht man von<br />
Neuschnee, ist er älter und<br />
hat seine ursprüngliche<br />
Form verloren, wird er zum<br />
Altschnee. Pulverschnee, leicht und<br />
locker und zum heiligen Gral der<br />
Tiefschneejünger geadelt, fällt bei<br />
besonders niedrigen Temperaturen.<br />
Ebenfalls gerne gejagt: Der durch<br />
Schmelz- und Gefriervorgänge<br />
stark verdichtete Altschnee, der an<br />
warmen Spätwinter- und Frühlingstagen<br />
mit den ersten Sonnenstrahlen<br />
so herrlich zum Firn – nun ja –<br />
auffirnt. Als Wildschnee bezeichnet<br />
man extrem lockeren Neuschnee,<br />
Papp-, Feucht- und Sulzschnee sind<br />
stark durchnässt und schwer, Nassschnee<br />
ist so durchnässt, dass Wasser<br />
zu rinnen beginnt. Windharsch<br />
legt sich bei feuchtem Wind als<br />
dünne Kruste über den Schnee, der<br />
gefürchtete Bruchharsch beschreibt<br />
oberflächlich durchweichten<br />
und wiederholt zum tückischen<br />
Harschdeckel aufgefrorenen<br />
Schnee … Die weiße Pracht durchlebt<br />
schier unendlich viele Inkarnationen,<br />
fängt uns Skitourengeher in<br />
jeder Minute oben in den tiefwinterlichen<br />
Bergen im wahrlich einmaligen,<br />
weil schlichtweg niemals<br />
wiederkehrenden Moment.<br />
Mit den ersten leicht angezuckerten<br />
Gipfeln beginnt sich eine<br />
seltsame, fast schmetterlingshafte<br />
Vorfreude in der Brust breitzumachen.<br />
Die Vorfreude auf schneereiche<br />
Wettertiefs, die sich irgendwann<br />
in tiefblauem Himmel auflösen<br />
und uns die glitzernde Bergwelt<br />
völlig neu entdecken lassen. Aber<br />
auch die Vorfreude auf kalte, klare<br />
Luft, auf eisigen Wind, der den Duft<br />
von Abenteuer mit sich trägt. Alles<br />
Schroffe wird unter der dicken<br />
Schneedecke seltsam sanft, fast trügerisch<br />
nahbar. Frühmorgens mit<br />
fellbespannten Skiern unter den Füßen<br />
die ersten Spuren anlegen. Erst<br />
im langsam lichter werdenden, seltsam<br />
stillen Wald, später oben zwischen<br />
den weiten Almen und ihren<br />
steilen Hängen und, wenn es Berge<br />
und Wetter so wollen, bis ganz hinauf<br />
auf die hoffentlich einsamen<br />
Gipfel. Ein demütiger Blick noch in<br />
die mächtige Winterwelt und hinunter<br />
ins Tal, ehe Körper und Ski dem<br />
Blick folgend talwärts jucherzen.<br />
Skifahren in unberührten Hängen,<br />
für viele das größte für sich allein<br />
erlebbare Glück auf Erden. Hat<br />
man sich jeden Einzelnen der Tiefenmeter<br />
dann auch noch selbst erarbeitet,<br />
hat sich in unzähligen Kehren<br />
seinen Weg durch die übermächtig<br />
raue Welt der winterlichen<br />
Bergwelten gebahnt, brennt sich jeder<br />
einzelne Schwung noch tiefer<br />
ins Glückszentrum. Strahlende Augen?<br />
Die erblicken eine strahlende<br />
Welt. Alles, was es dafür braucht,<br />
sind schneebedeckte Hänge, Skitourenausrüstung<br />
und eine gute Portion<br />
Kondition.<br />
Eines der letzten<br />
echten (Mikro-)Abenteuer<br />
Auch wenn es draußen noch dunkel<br />
ist, wird das erste Piepsen des Weckers<br />
bereits sehnsüchtig erwartet.<br />
Eine warme Tasse Kaffe, dazu eine<br />
halbe Schale Müsli, alles schon in<br />
Tourenhose und mit einem finalen<br />
Smartphone-Blick aufs lebensrettende<br />
Portal lawine.at. Noch vertreibt<br />
das Scheinwerferlicht die<br />
Dunkelheit, wild tanzende Schneeflocken<br />
streifen am Weg zum Tourenparkplatz<br />
über die Windschutzscheibe,<br />
am Horizont dämmert es<br />
bereits. Im ersten Tageslicht<br />
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