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Leo November | Dezember 2022

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FILM<br />

INTERVIEW<br />

NACHGEFRAGT BEI<br />

FOTOS: SALZGEBER<br />

JOÃO PEDRO RODRIGUES<br />

1966 in Lissabon geboren, gehört<br />

er schon lange zu den spannendsten<br />

und ungewöhnlichsten Regisseuren<br />

des queeren europäischen Kinos. Nach<br />

Meisterwerken wie „To Die Like a Man“<br />

oder „Der Ornithologe“ (beide zu sehen bei<br />

MUBI) erzählt er nun in „Irrlicht“ (ab 8.12. im<br />

Kino) von einem Prinzen, der davon träumt,<br />

Feuerwehrmann zu werden – und in der<br />

Ausbildung eine leidenschaftliche Beziehung<br />

mit seinem Ausbilder beginnt. Wir<br />

trafen Rodrigues zu nach der Weltpremiere<br />

des Films in Cannes zum Interview.<br />

Herr Rodrigues, Ihr neuer Film<br />

„Irrlicht“, dessen ungewöhnlicher<br />

Stil und Tonfall gar nicht so leicht<br />

zu vermitteln. Wie würden Sie ihn<br />

beschreiben?<br />

Hm… Er fängt auf jeden Fall als Science-<br />

Fiction an, wird dann zur Komödie und<br />

schließlich zu einem Musical. Außerdem hat<br />

„Irrlicht“ auch etwas Theatralisches, sogar<br />

mit Türen, die sich öffnen und schließen wie<br />

ein Bühnenvorhang. Und inhaltlich steht<br />

vielleicht im Zentrum die Frage, wie man sich<br />

nach außen präsentiert und vor allem herausfindet,<br />

wer man eigentlich selbst wirklich<br />

ist. Aber der erste Impuls war auf jeden Fall,<br />

mal eine Komödie zu drehen. Das hatte ich<br />

mir schon lange einmal gewünscht.<br />

So humorvoll der Film ist, so sehr<br />

verhandelt er auch ernste Themen,<br />

von Rassismus und Faschismus bis hin<br />

zur globalen Erwärmung. War das ein<br />

Balanceakt?<br />

Eigentlich empfinde ich jeden meiner Filme<br />

als Balanceakt. Was mir aber keine Angst<br />

macht, denn ich liebe es, Risiken einzugehen.<br />

Und finde, dass das moderne Kino<br />

dieser Tage viel zu wenige Risiken eingeht.<br />

Abgesehen davon bin ich gerade der Meinung,<br />

dass schwere Themen sich am besten<br />

mit Leichtfüßigkeit und Witz erzählen lassen.<br />

Ich glaube nicht, dass ich all das, was in „Irrlicht“<br />

steckt, in einem bedeutungsschweren<br />

Drama hätte unterbringen können.<br />

Wonach haben Sie die Songs für den<br />

Film ausgesucht?<br />

Ich wollte möglichst viele unterschiedliche<br />

Songs verwenden, von einem Kinderlied,<br />

wie es nun am Anfang vorkommt, bis hin<br />

zu zeitgenössischer portugiesischer Musik.<br />

Viele der Lieder haben natürlich auch eine<br />

Bedeutung. „Fado do Embuçado” von João<br />

Ferreira Rosa zum Beispiel ist ein royalistischer<br />

Song, der voller Nostalgie für die<br />

Monarchie und der Zeit, bevor Portugal eine<br />

Republik wurde. Und das Lied von Amália<br />

Rodrigues, das zu hören ist als die beiden<br />

Protagonisten Sex im Wald haben, ist eines,<br />

das heute am liebsten ignoriert wird, weil der<br />

Text so rassistisch ist. Sie war eine unserer<br />

größten Fado-Sängerinnen, quasi unsere<br />

Edith Piaf, und selbst sehr progressiv. Aber<br />

sie war eben in einem musikalischen Genre<br />

aktiv, das konservativ ist.<br />

Haben Sie sich für die Choreografien<br />

an klassischen Musicals orientiert?<br />

Meine Choreografin Madalena Xavier haben<br />

zur Inspiration tatsächlich viele Klassiker<br />

angeguckt, von Vincente Minnelli und Jaques<br />

Demy natürlich, auch alles von Gene Kelly<br />

und Stanley Donan, Ginger Rogers und<br />

Fred Astaire. Aber gleichzeitig ist „Irrlicht“<br />

natürlich kein traditionelles Musical. Musical-<br />

Komödie trifft es besser finde. Und dafür<br />

haben wir auch viele moderne Musikvideos<br />

als Beispiel herangezogen, etwa „Anima“<br />

von Thom Yorke, das ja von Paul Thomas<br />

Anderson inszeniert wurde. Oder die Videos<br />

von Perfume Genius.<br />

Was finden Sie denn schwieriger zu<br />

drehen, Tanz- oder Sexszenen?<br />

Die Choreografien der Tanzszenen waren<br />

auf jeden Fall die größte Herausforderung<br />

für mich und uns alle. Zum Glück hatten<br />

wir recht viel Zeit in der Vorbereitung und<br />

konnten das lange genug proben. Sexszenen<br />

dagegen sind für mich eigentlich Szenen<br />

wie alle anderen auch. Klar, es sind dann<br />

immer deutlich weniger Menschen am<br />

Set, und ein wenig Feingefühl im Umgang<br />

mit den Schauspielern sollte man schon<br />

haben. Aber als Regisseur versuche ich, so<br />

selbstverständlich und entspannt damit<br />

umzugehen als würde ich eine Unterhaltung<br />

am Küchentisch filmen.<br />

*Interview: Patrick Heidmann<br />

Das ganze Interview gibt es auf<br />

männer.media

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