ARD-Jahrbuch
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Tschetschenienkriege ertragen, blutige Kriege<br />
gegen die eigenen Mitbürger. Denn Russland<br />
ist längst nicht nur der Staat der Russen. Hier<br />
leben Baschkiren, Tschetschenen, Inguschen,<br />
Dagestaner, Ewenken, Kalmücken und viele<br />
mehr, hier leben Christen, Moslems, Juden,<br />
Buddhisten.<br />
_ Russland reist<br />
Die Bürger der russischen Föderation haben<br />
unter ihrem ersten Präsidenten Jelzin aber auch<br />
eine nie gekannte Pressefreiheit erlebt. Und<br />
mussten dann erfahren, wie diese Freiheit unter<br />
ihrem zweiten Präsidenten Putin wieder eingeschränkt<br />
wurde. Ebenso wie andere demokratische<br />
Institutionen, deren Einrichtung man für<br />
unumkehrbar gehalten hatte: Viele der regionalen<br />
Wahlen sind wieder abgeschafft, die wichtigen<br />
Machtpositionen werden längst wieder<br />
direkt aus dem Kreml besetzt. Der allmächtige<br />
Geheimdienst, den Jelzin zerschlagen hatte, ist<br />
längst wieder die wichtigste Machtstruktur des<br />
Landes, die alte Sowjethymne, von Jelzin durch<br />
eine andere ersetzt, ist wieder eingeführt, und es<br />
gibt wieder eine Partei, deren Mitgliedsausweis<br />
braucht, wer weiterkommen will.<br />
Dennoch – ein Zurück zur Sowjetunion wird<br />
es nicht geben. Dazu ist es längst zu spät. Denn<br />
eine Errungenschaft lassen sich die Bürger Russlands<br />
nicht mehr nehmen: Seit den Neunzigern<br />
können sie ins Ausland reisen, und sie tun das<br />
mit einem regelrechten Hunger auf die Welt.<br />
Ja, wir spotten über sich danebenbenehmende<br />
Russen in türkischen oder ägyptischen Hotels<br />
– ebenso wie man in den Sechzigern über die<br />
Alpenpanorama in Georgien: Ushguli,<br />
Europas höchstes Dorf<br />
Deutschen in Rimini lachte. Aber die Russen<br />
sind längst nicht nur an der türkischen Adria.<br />
Sie studieren im Ausland, machen Sprach und<br />
Bildungsreisen, Städtetrips und TrekkingTouren,<br />
gehen als Aupair oder Austauschschüler<br />
nach Berlin, South Dakota, Marseille. Diese<br />
Erfahrung kann ihnen niemand nehmen, diese<br />
Erfahrung wird das Land auf Dauer nachhaltig<br />
verändern – mehr als die neuen patriotischen<br />
Jugendverbände, die man nach dem Vorbild des<br />
Komsomol wieder eingerichtet hat.<br />
_ Die <strong>ARD</strong> berichtet – mit Tradition<br />
<strong>ARD</strong> und WDR haben in Moskau eine lange<br />
Tradition – der erste ausländische Korrespondent,<br />
der überhaupt hier akkreditiert wurde, war<br />
Gerd Ruge; unser Studio ist das älteste ausländische<br />
Korrespondentenstudio in der Stadt und<br />
bis heute auch das größte. Die Beziehungen zu<br />
den Deutschen waren den Russen traditionell<br />
wichtig, dies ist bis heute so geblieben, obwohl<br />
auch wir keine Extrawürste gebraten bekommen,<br />
wenn es um den Zugang zu Kreml oder<br />
Weißem Haus geht – oder überhaupt um den<br />
Zugang zu verwertbaren Informationen. Der ist<br />
noch immer extrem schwierig, auch wenn sich<br />
vieles gebessert hat.<br />
Wer westliche Pressearbeit mit Pressesprecher,<br />
Öffentlichkeitsarbeit, regelmäßigen Briefings<br />
oder gar Hintergrundgesprächen gewohnt<br />
ist, war hier jahrelang aufgeschmissen. Informationen<br />
gab es sporadisch, man fand sie zwischen<br />
den Zeilen oder bekam sie bei gutem Betragen<br />
als Belohnung serviert. Vor allem in den<br />
PutinJahren übten sich Korrespondenten, ähn<br />
Tonmann Wenjamin Sacharow auf den<br />
Ölfeldern im russischen Norden<br />
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