ARD-Jahrbuch
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Interview mit russischen Touristen an der<br />
türkischen Küste, im Hintergrund ein dem<br />
Kreml nachempfundenes Hotel<br />
uns auf dem Laufenden halten oder bei Bedarf<br />
mit Informationen versorgen. Und wir verbringen<br />
viel Zeit auf Reisen – die manchmal sehr<br />
aufwändig sind. An die russische Pazifikküste<br />
fliegt man zehn Stunden, um den Aralsee in<br />
Kasachstan zu erreichen, braucht man zwei<br />
Tage, in georgische Bergdörfer ist man noch<br />
länger unterwegs. Man fliegt bisweilen mit wenig<br />
vertrauenerweckenden Airlines – obwohl<br />
die schlimmsten Zeiten der so genannten Babyflots<br />
vorbei sind. Damals war die staatliche<br />
Aeroflot in noch mehr Teile zerfallen als die<br />
Sowjetunion selbst, und findige Geschäftsleute<br />
machten aus jeder Tupolew eine neue Fluggesellschaft.<br />
Man fährt mit Nachtzügen, man<br />
chartert Militärhubschrauber, man reitet auf<br />
Pferden, die nur auf Befehle ihrer kirgisischen<br />
oder georgischen oder kasachischen Besitzer<br />
reagieren. Das alles ist anstrengend, manchmal<br />
nicht ungefährlich – aber es macht auch einen<br />
Riesenspaß.<br />
Kirgisistan, Moldawien, Armenien gehören<br />
zu unserem Beritt, aber auch so wichtige Staaten<br />
wie die Ukraine oder Aserbaidschan. Einer<br />
der Korrespondenten ist meistens unterwegs,<br />
und dennoch schaffen wir es nicht, alle Staaten<br />
regelmäßig zu besuchen. Dabei wird die postsowjetische<br />
Landschaft interessanter und differenzierter,<br />
je mehr Zeit vergeht. In manchen<br />
Gegenden Mittelasiens verstehen nur noch die<br />
Alten Russisch, in vielen Staaten ist das kyrillische<br />
Alphabet abgeschafft, manche beziehen<br />
sich auf ihre vorkommunistischen Traditionen.<br />
Was in den seltensten Fällen positiv ist – im<br />
ländlichen Tadschikistan etwa besuchen immer<br />
weniger Mädchen die Schule, in manchen Gegenden<br />
des Kaukasus werden archaische Sitten<br />
wie Blutrache und Brautraub wieder praktiziert.<br />
Wir sind eine eingeschworene Gemeinschaft<br />
in unserem Studio – das bleibt nicht aus, wenn<br />
man auf Dienstreisen gemeinsam in schäbigen<br />
Unterkünften übernachtet oder tagelang auf Polarstationen<br />
in arktischer Dunkelheit verbringt.<br />
Ob Kameramann, Korrespondentin, Producerin,<br />
Techniker oder Cutter – der Job hier ist<br />
anstrengend. Aber es ist auch einer der interessantesten<br />
und schönsten Jobs, den die <strong>ARD</strong> zu<br />
vergeben hat.<br />
50 Artikel A R D - J A H R B U C H 0 9<br />
Ina Ruck, Auslandskorrespondentin<br />
und Leiterin des <strong>ARD</strong>-Studios Moskau