18.01.2023 Aufrufe

219_StadtBILD_Oktober_2021

Sie wollen auch ein ePaper? Erhöhen Sie die Reichweite Ihrer Titel.

YUMPU macht aus Druck-PDFs automatisch weboptimierte ePaper, die Google liebt.

Zeit, ein kleines Resümee zu ziehen.<br />

950 Jahre Zukunft<br />

angeschlossen, Strom und Gas folgten.<br />

Für uns heute kaum vorstellbar – die Altstadt<br />

war der Wohnort der Unterprivilegierten,<br />

eng, dreckig, der Hort für Krankheiten,<br />

und dies war reichsweit eher die Regel als<br />

die Ausnahme. Mit der großen Choleraepidemie<br />

von Hamburg 1892 kam es zu einem<br />

Umdenken von Stadtplanern, das dank der<br />

Reformbewegung auf fruchtbaren Boden<br />

fiel. Für neue Städte und Stadtteile galten<br />

von nun an Maßstäbe wie Licht, Luft, Hygiene,<br />

Platz. Aber für die Altstädte gab es<br />

Planungen zu lebenswerten Umstrukturierungen.<br />

Aus dieser Zeit stammt auch der<br />

Begriff „Sanierung“, der auf das lateinische<br />

sānitās (Gesundheit) zurückzuführen ist.<br />

Quartiere und Häuser werden also auf gesundheitserhaltend<br />

oder gar gesundheitsförderlich<br />

umgebaut. Freilich hat sich der<br />

Begriff seitdem verselbstständigt und wird<br />

allgemeinhin für jegliche Baumaßnahmen<br />

verwendet.<br />

In Görlitz wurden solche städtischen Sanierungen<br />

bereits in den 1950er Jahren in<br />

den Quartieren entlang der Petersstraße<br />

durchgeführt. Hierzu wurden Hinterhäuser<br />

abgerissen, Dächer geschlossen, neue<br />

Decken eingezogen, Fenster getauscht. Zu<br />

beobachten ist aber auch, welchen Zeitspuren<br />

der Gebäude Denkmalwertigkeit zuteil<br />

wurde und welchen nicht.<br />

Das Scultetushaus (Peterstraße 4) erhielt bei<br />

einer Umbauphase 1880 eine gründerzeitliche<br />

Fassade, die die barocke Zier (um 1720)<br />

integrierte. 1958 maß man dieser Umbauphase<br />

keine denkmalrelevante Bedeutung<br />

bei, sodass man sie, damals immerhin fast<br />

80 Jahre alt, kurzerhand abschlug. Von da<br />

an war das Gebäude mit seiner purifizierten<br />

Form sichtbar. Auch in der letzten größeren<br />

Renovierungsmaßnahme (1995/96) befand<br />

man diesen Umgang mit der Fassade<br />

ebenfalls als nicht denkmalwürdig, sodass<br />

es hier zu barockisierenden, aber fiktiven<br />

Ergänzungen kam: Kapitelle, Gesimse und<br />

Brüstungsspiegel wurden hinzugefügt.<br />

Nun erscheint uns das Haus als barocke<br />

Fassade, ist großteils aber erst 25 Jahre alt.<br />

Spannend lässt sich die Geschichte der Görlitzer<br />

Denkmalpflege an diesem einen Objekt<br />

erzählen. Es wäre eine lohnenswerte<br />

Anstrengung, sich tiefergehend mit der Restaurierungsgeschichte<br />

unserer Denkmale<br />

zu beschäftigen.<br />

anzeige<br />

Geschichte<br />

9

Hurra! Ihre Datei wurde hochgeladen und ist bereit für die Veröffentlichung.

Erfolgreich gespeichert!

Leider ist etwas schief gelaufen!