26.12.2012 Aufrufe

April 2011 - Bund Freiheit der Wissenschaft eV

April 2011 - Bund Freiheit der Wissenschaft eV

April 2011 - Bund Freiheit der Wissenschaft eV

MEHR ANZEIGEN
WENIGER ANZEIGEN

Sie wollen auch ein ePaper? Erhöhen Sie die Reichweite Ihrer Titel.

YUMPU macht aus Druck-PDFs automatisch weboptimierte ePaper, die Google liebt.

25<br />

freiheit <strong>der</strong> wissenschaft online – <strong>April</strong> <strong>2011</strong><br />

<strong>Bund</strong> <strong>Freiheit</strong> <strong>der</strong> <strong>Wissenschaft</strong><br />

3. Jede Sozialität braucht für wichtige Bereiche ihrer Existenz und ihres<br />

Handlungsspielraums eine Unterscheidung von Normalität und Abweichung, also eine<br />

Definition des Normalfalles.<br />

Beispiel: 'Es ist normal, daß in einer Schulklasse die Schüler die nötige Disziplin aufbringen,<br />

um dem Unterricht folgen zu können'. Wenn ein Schüler davon abweicht, kann er ermahnt<br />

o<strong>der</strong> aber auch einer beson<strong>der</strong>en Hilfe teilhaftig werden. Wenn jedoch die notwendige<br />

Differenz von Normalität und Abweichung verschwindet, <strong>der</strong> Normalfall also bei den<br />

Beteiligten unklar bleibt und jedes Verhalten als gleich richtig gilt, entsteht allgemeine<br />

Orientierungslosigkeit. Sie kann auf Dauer leicht zu Verwahrlosung, aber auch zu einer Art<br />

'struktureller Intoleranz' führen; wenn ein Vergleich zum Normalfall nicht möglich ist, wird<br />

<strong>der</strong> An<strong>der</strong>sdenkende leicht zum Feind.<br />

Der oft bedauerte "Streß" von Schülern hat vielleicht nicht nur mit den<br />

Leistungsanfor<strong>der</strong>ungen zu tun, son<strong>der</strong>n auch mit den sozialdarwinistischen Strukturen, die in<br />

ungeordneten sozialen Konstellationen und Normen in <strong>der</strong> Schule entstehen können. Täglich<br />

neu zu inszenierende Positionskämpfe beanspruchen dann erhebliche Energien von den<br />

Schülern, die <strong>der</strong> eigentlichen Aufgabe verloren gehen.<br />

Erziehung in <strong>der</strong> Schule ist also mehr als ein bloße Beziehung zwischen dem Lehrer und<br />

jedem einzelnen Schüler, sie bedarf auch einer kollektiv-verbindlichen Normativität, an die<br />

sich alle binden und auf die sich alle - Schüler wie Lehrer - beziehen können. Eine<br />

entsprechende 'öffentliche Meinung' in Schule und Klasse müssen die Lehrer möglicherweise<br />

erst herstellen - zur Not auch dadurch, daß sie zunächst einmal mit den gutwilligen Schülern<br />

gegen die nicht-gutwilligen paktieren und diese dann Zug um Zug 'ins Boot holen'. Kein<br />

Lehrer kann dauerhaft ohne o<strong>der</strong> gar gegen die öffentliche Meinung seiner Klasse<br />

erzieherisch erfolgreich wirken.<br />

4. Das reale Verhalten wird durch die Psychologisierung symptomisiert, zumal im<br />

Konfliktfall werden Lebensäußerungen leicht relativiert. Das Gesagte gilt dann nicht mehr<br />

als das Gemeinte, das Tun entspricht angeblich nicht <strong>der</strong> eigentlichen Absicht.<br />

Wenn Schüler etwa gewalttätig agieren, werden zunächst Vermutungen darüber angestellt,<br />

was dahinter stecken könnte, welche inneren, ihnen vielleicht gar nicht bewußten Gründe die<br />

Täter dafür haben könnten und welche positiven Wünsche sie damit eigentlich verfolgen<br />

wollen - Aggressivität zum Beispiel als fehlgeschlagener Kontaktwunsch. Abgesehen einmal<br />

von dem Arsenal an Ausreden, das sich damit auftut: Ein solcher Zugang mag in einer<br />

Therapie und bei einem Gerichtsverfahren angebracht sein. Aber im normalen öffentlichen<br />

Umgang müssen die Menschen sich auf das, was ihre Mitmenschen sagen und tun, verlassen<br />

web<br />

fdw<br />

I/<strong>2011</strong>

Hurra! Ihre Datei wurde hochgeladen und ist bereit für die Veröffentlichung.

Erfolgreich gespeichert!

Leider ist etwas schief gelaufen!