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Geschichtliches aus dem Sauerland - R.J.Sasse

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Kirchengeschichtliches <strong>aus</strong> <strong>dem</strong> <strong>Sauerland</strong>e<br />

In Anknüpfung an den Beichtspiegel will ich nun den geneigten Lesern eine Sprachprobe<br />

meiner Heimat vorführen; ich bemerke aber, dass es keine zusammenhängende Erzählung ist,<br />

sondern abgerissenes Zeug, aber Erlebnisse und Vorkommnisse <strong>aus</strong> den verschiedensten Lebenslagen,<br />

Dinge und Vorgänge, die ich selbst erlebt oder selbst gesehen oder selbst gehört<br />

habe.- Leihet mir euer Ohr!<br />

"Kunn ih ok platt spräken?"<br />

Joh, dat kann ek doch!<br />

"Dann dutt dat es!"<br />

Na, dann göw es paß!:<br />

"Dat Klino lett im Pötz"<br />

"Dat süll ek gedonn han!"<br />

"Gang un mak de Dör tu, du Pörzelok!<br />

So, nu du tu; best doch 'en bas Mädtchen"<br />

"Memmo! der Schlötel lett im Huhnerlok!"<br />

"Wat soll dat hitten!"<br />

"Oh! Jeseso! hä bitt mek"<br />

"Dat es awer nit nätt meh!"<br />

"Ih hat jo bale gen Hoore meh"<br />

"Et es verbi." -<br />

"Et es nu üt!"<br />

"Ek well't nu nit meh han!"<br />

"Wä hä dat gedacht!"<br />

Nun soll es mit meinen Sprach- und Sprechübungen auch vorbei sein. Diese Stichproben<br />

genügen, um einen Einblick in unser Kolonieland zu gewinnen. Ich bin sicher, wer diese Stilproben<br />

gelesen und verstanden hat - schwer zu verstehen sind sie ja nicht, wenn sie auch etwas<br />

fremdartig klingen - , er wird sagen, bei uns, in unseren Dörfern sprechen wir wirklich<br />

ganz anders. Gewiss, die Verschiedenheit ist zu groß, sie muss sofort auffallen, und die Frage<br />

veranlassen: Wie kommt das? Wo ist die Erklärung? Prof. Dr. Köne hat mir den Schlüssel zum<br />

Verständniss in die Hand gegeben. Meine Heimatsprache und die des Beichtspiegels sind im<br />

Grunde ein und dieselbe Sparche, mit ein und denselben Einrichtungen. In beiden herrscht die<br />

starke Deklination und Conjugation vor, bei beiden findet sich die Reduplikation. Im Beichtspiegel<br />

heißt es: githati, gisprak, gideda; d.h. gedacht, gesprochen, getan. Wir sagen plattdeutsch:<br />

gedächt, gesproken, gedonn; dagegen hier: dacht sproaken, dohn. Bei hiesiger<br />

Mundart fehlt die Reduplikation. Auch haben wir in meiner Heimat die altsächsische starke<br />

Form des Imperativs, der Stimmlaut ändert sich nicht; z.B."gang, un mak de Döre tu"; hier<br />

sagt man "goh". Mithin überall eine große sprachliche Verschiedenheit.<br />

Nach den Gesetzen der Sprache weiß ich jetzt <strong>aus</strong> lebendiger Quelle, besser als es mir eine<br />

trockene geschichtliche Notiz sagen könnte, woher unsere heimatlichen Vorfahren abstammen.<br />

Dr. Köne hat mich instruiert. Einem Sohne <strong>aus</strong> Bergh<strong>aus</strong>en habe ich diese Kenntnis zu verdanken.<br />

Ihm gelte deshalb auch das Wort <strong>aus</strong> <strong>dem</strong> Buche Judith: "tu es honorificentis populi nostri:<br />

Du bist die Zierde unseres deutschen Volkes; Du bist ein westfälischer Mann, ein Mann nicht<br />

<strong>aus</strong> der Niederung, nicht ein gewöhnlicher, ein geringer Mann, sondern ein Mann hoch vom<br />

Berge, ein Landsmann gebürtig <strong>aus</strong> <strong>dem</strong> Herzogtum," ich aber setze hinzu: Von Bergh<strong>aus</strong>en!<br />

1. Wir Kinder - es sind seit<strong>dem</strong> rund 60 Jahre verflossen - pflegten im Herbst alle Arten von<br />

Obst, besonders aber die härtesten Sorten von Äpfeln zurückzulegen, zu verstecken, zu verheimlichen,<br />

damit Geschwister oder Mitschüler nicht "darüber" könnten; "süs es me drümme."<br />

Als Lagerstätte und Bergungsplatz diente die Heub<strong>aus</strong>e oder auch das Grummet auf <strong>dem</strong> Balken.<br />

Mit raffinierter Schlauheit wurden die Verstecke <strong>aus</strong>gesucht und <strong>aus</strong>probiert. Dorthin kamen<br />

unsere Schätze, hübsch und fein zugedeckt. Niemand durfte den Ort des Versteckes wissen;<br />

höchstens wurden noch wohl die Eltern in das Geheimnis gezogen, aber unter der hochwichtigen<br />

Bedingung, es ja nicht zu verraten. Nicht bloß harte Äpfel, nicht bloß sure und die<br />

sürsten Surke, sondern auch die Schlehen, diese "Trauben, die von den Sauerländischen Dornen<br />

gesammelt werden," dieses alles kam in die Muke; taschenweise wurden die dicken,<br />

schwarzglänzenden Schlehen gesucht, und alles, alles rin in die Muke. So nannten wir dieses<br />

kaufmännische Geschäft: Das ist die Muke. Erst durch Lagerung musste unser kostbares Obst<br />

<strong>aus</strong>reifen und so seine angeborene Schärfe verlieren. Wenn das einigermaßen geschehen war,<br />

dann war es aber auch ein Leckerbissen für die kleinen Leckermäulchen! In Erinnerung daran<br />

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