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Swissmechanic_Journal_2023-04

Leseprobe Inhalte. Dieses Journal wird nach dem erscheinen der nächsten Ausgabe am 12.07.23 komplett Online gestellt.

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Fachkräftemangel<br />

Interview Toni Blaser, Leiter Lehrlingsabteilung<br />

19<br />

2022 konnten wir eine Lehrstelle im letzten<br />

Moment noch besetzen. Heuer werden<br />

wohl ein oder zwei Stellen offenbleiben.<br />

Es kommt in letzter Zeit immer<br />

wieder vor, dass Lehrlinge im letzten<br />

Moment abspringen. Sie begründen die<br />

Absage damit, dass sie etwas Besseres<br />

gefunden haben. In einem Fall hat uns<br />

ein potenzieller Lehrling lange hingehalten<br />

und schliesslich abgesagt, als er<br />

beim EV Zug in ein Nachwuchsförderungsprogramm<br />

einsteigen konnte.<br />

Ist das Image der Lehre schlechter<br />

geworden?<br />

Bei uns ist das Image tatsächlich schlechter<br />

geworden. Mit allen Mitteln wird versucht,<br />

die Gymnasialquote zu steigern.<br />

Viele Eltern machen Druck und unternehmen<br />

alles, damit es ihr Kind auf die<br />

Mittelschule schafft. Die Eltern und die<br />

Gesellschaft machen mit der Überbewertung<br />

des Gymis die Lehre kaputt. Bei<br />

uns hat eine junge Frau die Schnupperlehre<br />

gemacht, die schulisch sehr gut<br />

war. Sie zeigte sich sehr interessiert an<br />

einer Automatiker-Lehre, hat dann aber<br />

einen Rückzieher gemacht. Dies, weil ihre<br />

Mutter gesagt hat, mit ihren Noten<br />

müsse sie ins Gymi.<br />

Wie haben Sie reagiert?<br />

Ich riet ihr: Sag deiner Mutter, du willst<br />

doch immer nur das Beste für mich. Warum<br />

machst du dies in der jetzigen Situation<br />

nicht? Als Automatikerin kann ich<br />

mit meinen Händen arbeiten und dem<br />

Kopf. Das Mädchen hat dann tatsächlich<br />

die Lehre bei uns begonnen.<br />

Wo sehen Sie die Vorteile einer Lehre<br />

gegenüber dem Gymnasium?<br />

Wer nur mit dem Kopf arbeiten will, ist<br />

an einer Mittelschule am besten aufgehoben.<br />

Alle anderen müssen sich überlegen,<br />

ob eine Lehre ihnen nicht mehr<br />

bringt. Junge Leute lernen während ihrer<br />

Ausbildungszeit viel – handwerklich<br />

und Wissen. Zudem bin ich überzeugt,<br />

dass sie menschlich sehr viel von uns<br />

mitbekommen.<br />

Doch die Lehre scheint immer mehr<br />

an Unterstützung zu verlieren.<br />

Die Situation wird schlimmer, weil mehr<br />

Leute in Kaderpositionen gelangen, die<br />

das Schweizer Berufsbildungssystem<br />

nicht verstehen und den Stellenwert der<br />

Lehre unterschätzen. Das hat auch damit<br />

zu tun, dass es für die Lehre keine Titel<br />

gibt. Ich behaupte, dass die Anforderungen<br />

in vielen Lehrberufen so hoch<br />

sind, dass sie einen Bachelor verdienen<br />

würden.<br />

Welche Rolle spielt der Lohn bei<br />

dieser Diskussion?<br />

Viele unserer Lehrabgänger, zum Beispiel<br />

Polymechaniker oder Automatiker,<br />

gehen zu Versicherungen und Banken.<br />

Aufgrund ihrer Ausbildung und ihrer Fähigkeiten<br />

sind sie begehrt. Wenn jemand<br />

Handwerker werden will, dann sagen Eltern<br />

und auch Lehrer, da verdiene man<br />

nicht viel.<br />

Sie befürchten, dass das Lohnungleichgewicht<br />

sämtlichen Lehrberufen<br />

schadet. Wie könnte man<br />

dieses Problem entschärfen?<br />

Eigentlich müssten die Firmen ihre Löhne<br />

erhöhen. Aber das allein reicht nicht.<br />

Den Leuten soll es auch wohl sein bei der<br />

Arbeit. Heute lösen viele Arbeitnehmer<br />

das Problem, indem sie ihr Pensum reduzieren.<br />

tionieren? Später werden sie merken,<br />

dass sie viel zu wenig in AHV und Pensionskasse<br />

einbezahlt haben.<br />

Dieser Trend verstärkt den Fachkräftemangel.<br />

Wir benötigen mehr Leute, um<br />

unsere Arbeit zu erledigen.<br />

Eine Lehre ist ja nur der erste Schritt.<br />

Sind die vielen Aussteiger bei<br />

den handwerklichen Berufen ein<br />

Problem?<br />

Wir legen Wert darauf, die ehemaligen<br />

Lehrlinge nach ihrer Ausbildung zu unterstützen.<br />

Für Victorinox ist es wichtig,<br />

dass die Leute, die wir ausgebildet haben,<br />

zumindest ein paar Jahre bei uns<br />

bleiben.<br />

Ist es nicht besser, wenn junge Leute<br />

möglichst breite Erfahrungen<br />

sammeln und in verschiedenen<br />

Betrieben tätig sind oder sich<br />

weiterbilden?<br />

Heute ist der Druck fast zu gross, sofort<br />

eine Weiterbildung zu machen. Allen<br />

wird gesagt, der erlernte Beruf sei zu wenig<br />

fürs Leben. Grundsätzlich ist es gut,<br />

wenn die Jungen «fremdes Brot» essen<br />

gehen. Ich gebe meinen Lehrlingen nach<br />

der Abschlussprüfung mit auf den Weg,<br />

dass sie zuerst einmal zwei bis drei Jahre<br />

Berufserfahrung sammeln und dann<br />

ihr junges Leben geniessen sollen. So<br />

können sie besser beurteilen, wo sie ihre<br />

Stärken haben und in welche Richtung<br />

es gehen soll.<br />

Zum vollständigen Interview<br />

Die vielen Teilzeitarbeiter sind also<br />

ein Problem.<br />

Teilzeit zu arbeiten, hätten wir uns früher<br />

gar nicht leisten können. Unabhängige<br />

Junge sollten 100 Prozent arbeiten, ausser<br />

sie sind Eltern und möchten zu ihren<br />

Kindern schauen. Sonst wird das zu einem<br />

gesellschaftlichen Problem. Wie<br />

soll das einmal mit ihrer Pension funkbit.ly/3FPox5t

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