prima! Magazin – Ausgabe Juni 2023
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KOMMENTAR<br />
Verstand und Herz<br />
KOMMENTAR<br />
SPÖ-Querelen, Gebühren, die Sache mit den Preisen und die Suche<br />
nach dem österreichischen Herz.<br />
EIN KOMMENTAR VON FERI TSCHANK.<br />
Was für ein Mai! Keine lieblichen Nächte,<br />
dafür Regentropfen, die auf meine Birne<br />
klopfen. Soll ja gut sein gegen Haarausfall,<br />
der Mairegen. Aber irgendwann ist<br />
es mit jeder Vegetation aus und vorbei.<br />
Der See und die ihn umgebenden Lacken<br />
hatten das Wasser echt nötig, auch wenn<br />
es unsereins schon genervt hat. Dazu die<br />
Temperaturen, die uns zu allem Unglück<br />
noch eine unnötige Heizsaisonverlängerung<br />
eingebracht haben.<br />
Dann noch die Querelen in der SPÖ mit<br />
uns Burgenländern als Hauptdarsteller,<br />
deren Ende allerdings so schnell nicht<br />
absehbar sein wird. Eine Regierung, die<br />
noch immer nicht imstande ist, im<br />
Interesse der Allgemeinheit zu handeln,<br />
sondern immer noch Klientelpolitik<br />
betreibt. Kein Mietpreisdeckel, um die<br />
Immobilienspekulanten nicht zu vergrämen,<br />
kein Klimaschutzgesetz, obwohl wir<br />
bei den Klimazielen weit hinten nachhinken.<br />
Dafür Einschnitte bei den Kommunalausgaben,<br />
was wiederum die Gemeinden<br />
als existenzbedrohend sehen, obwohl,<br />
ehrlich gesagt, wir in den letzten Jahren<br />
in allen Bereichen ordentliche Gebührenerhöhungen<br />
zu schlucken hatten.<br />
Offenbar noch nicht genug, wenn man<br />
von einer Bedrohung der Infrastruktur<br />
und Ähnlichem redet. Ich mach mir da<br />
keine großen Sorgen, denn es wird<br />
andere Mittel und Wege geben, den<br />
Bürgern in die Tasche zu fahren. Es<br />
schaut ja auch keiner drauf, ob das alles<br />
gerechtfertigt ist oder nicht. Jede kleine<br />
Preiserhöhung, jeder Engpass bei<br />
irgendeinem Produkt irgendwo auf der<br />
Welt wird von den Goldnaseschnüfflern<br />
sofort zum Anlass genommen, um<br />
Preiserhöhungen zu rechtfertigen. Und<br />
schon dreht es sich wieder, das Teuerungskarussell<br />
und die Verursacher<br />
zeigen der Regierung die lange Nase<br />
<strong>–</strong> und die geht gebückt von dannen. Dann<br />
haben wir eine bombige Inflation, sind<br />
angeblich bereits das teuerste Land in<br />
der EU und haben sofort die Ursache<br />
dafür gefunden.<br />
Die Zinsen! Sie gehören erhöht und das<br />
obwohl eigentlich klar ist, dass der<br />
Inflationstreiber der unverschämt hohe<br />
Energiepreis ist und dass wir immer noch<br />
wie kein zweites Land EU-weit von<br />
russischem Gas abhängig sind und<br />
nichts, aber auch wirklich nichts dagegen<br />
tun. Warum auch, der Staat verdient<br />
prächtig und würde er es wirklich ernst<br />
nehmen mit dem Klimaschutz und<br />
erneuerbarer Energie, dann würde es<br />
nicht halbherzige Förderungen geben, die<br />
meist schon am ersten Tag der Auflage<br />
weg sind und wie in einem Lotteriespiel<br />
vergeben werden.<br />
Werden die Zinsen erhöht, wird sich das<br />
natürlich wieder in den Preisen wiederfinden.<br />
Jungunternehmer können ihre<br />
Firma nicht weiterentwickeln, junge<br />
Familien können sich weder Wohnung<br />
noch Haus leisten. Wer jetzt glaubt, der<br />
Sparer hat was davon, irrt ebenfalls.<br />
Und wir kennen das ja alle. Was einmal<br />
teuer ist, wird selten wieder billiger.<br />
Zumindest nicht in dem Ausmaß, das fair<br />
wäre. Schließlich haben wir uns ja<br />
gewöhnt an die Preise und haben nichts<br />
dagegen unternommen. Lebensmittel und<br />
Energie sind halt keine Coronaimpfstoffe<br />
und ungeeignet, sie populistisch auszuschlachten.<br />
Wir jammern über die hohen Preise,<br />
haben uns aber selbst den Supermarktketten,<br />
die über unsere Ernährung<br />
bestimmen, ausgeliefert. Dem kleinen<br />
Greißler, der eine 80-Stunden-Woche<br />
hatte und für ein paar hundert Einwohner<br />
die Nahversorgung bestritt, hat man<br />
seinen bescheidenen Wohlstand nicht<br />
gegönnt. Wegen ein paar Cent ist man<br />
lieber ins Auto gestiegen und hat den<br />
Anonymus reich gemacht. Kennt man<br />
nicht, muss man auch nicht neidig sein<br />
drauf. Und jetzt haben wir‘s und müssen<br />
das zahlen, was die wenigen Ketten<br />
verlangen. Selber schuld kann ich da nur<br />
sagen. Immer sind es ja die anderen, die<br />
die Schuld haben und die, die dieses<br />
zutiefst österreichische Gefühl am besten<br />
bedienen, sind in der Gunst der Wähler<br />
ganz oben. Mir fällt da immer Bert Brecht<br />
ein, der einst sagte: „Nur die dümmsten<br />
Kälber wählen sich ihren Schlächter<br />
selber.”<br />
Dann noch unsere Verteidigungsministerin<br />
und ihr Chef, die sich dagegen<br />
ausgesprochen haben, österreichische<br />
Entminungs-Spezialisten in die Ukraine<br />
zu schicken. Mit welchem Stimmenklientel<br />
rechnet man denn bei so einer<br />
kurzsichtigen, inhumanen und für unser<br />
Land beschämenden Entscheidung?<br />
Wenn es dereinst um den Wiederaufbau<br />
der Ukraine geht, wollen wir natürlich<br />
wieder dabei sein und werden uns<br />
wundern, warum man es anderen<br />
überlässt, das an Ressourcen reiche Land<br />
wieder aufzubauen. Wo ist das österreichische<br />
Herz? Wo sind die Politiker, die<br />
zu ihrer Meinung stehen, ohne auf<br />
Boulevard und Stammtischbrüder zu<br />
schielen? „Nichts macht uns feiger und<br />
gewissenloser als der Wunsch, von allen<br />
Menschen geliebt zu werden.” Marie von<br />
Ebner-Eschenbach hat das geschrieben.<br />
Aber jetzt genug der Jammerei, macht‘s ja<br />
nicht besser, aber gehört halt auch<br />
manchmal gesagt. Wir freuen uns auf<br />
einen schönen Sommer und endlich<br />
Frieden und Liebe unter den Menschen.<br />
Alles Gute und passen Sie auf sich auf!<br />
Ihr Feri Tschank<br />
JUNI <strong>2023</strong><br />
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