prima! Magazin – Ausgabe Juni 2023
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INTERVIEW<br />
oder ein Lächeln. Daran merkt unser<br />
Gegenüber, dass wir sie bzw. ihn wertschätzen.<br />
Es ist wichtig, dass wir uns<br />
bewusst machen, dass wir das auch zum<br />
Ausdruck bringen müssen.<br />
Diese fehlenden kleinen Aufmerksamkeiten<br />
sind ja meist auch in Partnerschaften<br />
im Alltag das Problem.<br />
Ja. Da versucht man es dann oft durch<br />
Geschenke zu kompensieren. Aber die<br />
kleinen Gesten zwischendurch sind doch<br />
viel mehr wert als der anlassbezogene<br />
Blumenstrauß, oder? Miteinander zu<br />
kommunizieren ist wichtig. Und ein Tipp:<br />
Wenn einer damit beginnt, tut es das<br />
Gegenüber auch. Wer anderen Wertschätzung<br />
entgegenbringt, bekommt sie<br />
zurück. Das ist auch in Unternehmen bei<br />
Führungskräften so. So wie der Unternehmer<br />
führt, so sind die Mitarbeiter.<br />
Kann man wertschätzend streiten?<br />
Das sollte man sogar unbedingt. Denn<br />
wenn die Wertschätzung in einer<br />
Beziehung weg ist, ist auch die Beziehung<br />
zu Ende. Im Streit kommt das gut zum<br />
Ausdruck. Wertschätzend streiten heißt,<br />
nicht untergriffig werden. Auf der<br />
sachlichen Ebene bleiben. Wenn ich<br />
persönlich verletzend werde, ist eine<br />
Grenze überschritten. Das führt dann zu<br />
einer Reaktion und das wiederum zu<br />
einer Eskalation. Gerade im Streit ist es<br />
wichtig, nicht auf die emotional verletzende<br />
Ebene abzugleiten. Aber das ist<br />
natürlich meist herausfordernd.<br />
Ist Wertschätzung gleichzusetzen mit<br />
Respekt?<br />
Das PERMA-Modell: 5 Säulen für ein erfülltes Leben<br />
Die Grundlage der Wertschätzung ist<br />
Respekt. Ich glaube, dass wir uns auch<br />
darüber bewusst sein müssen, dass wir<br />
den sogenannten „geschuldeten“<br />
Respekt jedem Menschen entgegenbringen<br />
müssen. Egal, woher er kommt und<br />
wer er ist. Es ist der Respekt, den wir<br />
uns gegenseitig als Menschen schulden.<br />
Und es gibt auch den verdienten<br />
Respekt. Auch diesen sollten wir zum<br />
Ausdruck bringen, wenn wir jemanden<br />
für seine Leistung wertschätzen. Wir<br />
tun das leider viel zu<br />
„<br />
wenig.<br />
Führungskräfte<br />
sollten Energiespender<br />
und nicht<br />
Energieräuber sein.<br />
„<br />
In Zeiten der digitalen Kommunikation<br />
geht das wohl sehr leicht unter.<br />
Man redet ja viel weniger persönlich<br />
miteinander.<br />
Das ist richtig. Früher hat man diese<br />
Beziehungen im Ort viel mehr gelebt.<br />
Mein Großvater zum Beispiel ist im<br />
Oberwarter Obertrum oft abends seine<br />
Runde gegangen und hat dabei mitbekommen,<br />
wo jemand etwas braucht und<br />
benötigt. Während seiner Runde hat er<br />
dann gleich vermittelt. Dafür ist er<br />
wiederum mit Kuchen und dergleichen<br />
Das PERMA-Modell ist ein Konzept, das von Martin Seligman entwickelt wurde und steht für die<br />
folgenden fünf Bereiche:<br />
Positive Emotions (positive Emotionen) <strong>–</strong> die Fähigkeit, positive Gefühle zu empfinden bzw.<br />
beim Gegenüber auszulösen.<br />
Engagement (sich einbringen können) <strong>–</strong> die Fähigkeit, sich in Aktivitäten zu engagieren, die für<br />
einen selbst bedeutsam und erfüllend sind.<br />
Relationships (förderliche Beziehungen) <strong>–</strong> qualitative Beziehungen zu Menschen aufzubauen.<br />
Meaning (Sinnhaftigkeit) <strong>–</strong> ist das Gefühl, einen Zweck oder eine<br />
Bedeutung im Leben zu entwickeln.<br />
Accomplishment (Zielerreichung) <strong>–</strong> Ziele setzen und diese verfolgen.<br />
Das Modell betont, dass ein gutes Leben aus einer Balance dieser fünf Bereiche besteht und<br />
dass die Entwicklung und Stärkung jeder dieser Bereiche dazu beitragen kann, das Wohlbefinden<br />
zu verbessern.<br />
Prof.(FH) Mag.Dr. Erwin Gollner, MPH MBA<br />
Leiter des Departments Gesundheit an der<br />
FH Burgenland erläutert das PERMA-Modell.<br />
Dabei handelt es sich um einen Denkansatz aus der<br />
Positiven Psychologie für eine gesunde Lebensführung.<br />
beschenkt worden. Man hat sich<br />
umeinander gekümmert. Solches<br />
Kümmern braucht Personen, die diese<br />
Haltung leben. Mein Großvater war so<br />
einer. Heute müssen wir uns das viel<br />
mehr ins Bewusstsein rufen.<br />
Ihr Großvater wäre wohl auch eine<br />
gute Führungskraft gewesen.<br />
Ja, im weiteren Sinn und im engeren auf<br />
jeden Fall ein Vorbild. Eine gute Führungskraft<br />
sollte die Stärken der<br />
Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter<br />
kennen und schauen, wer im Team gut<br />
zusammenpasst. Denn das ist die Basis<br />
für eine gute Beziehung unter den<br />
Kollegen. Wenn sich zwei Menschen gut<br />
verstehen, ist man „im Flow“. Da läuft<br />
die Energie. Es gibt aber natürlich auch<br />
Energieräuber. Eine Führungskraft<br />
sollte ein Energiespender sein. Das<br />
wirkt im Team und kommt zurück. Doch<br />
die Realität sieht leider anders aus,<br />
denn zu 70 Prozent sind Führungskräfte<br />
aus Sicht der Mitarbeiter Energieräuber.<br />
Das wirkt sich auch wirtschaftlich<br />
auf den Betrieb aus. Denn ohne Wertschätzung<br />
gibt es keine Wertschöpfung.<br />
In einer Untersuchung der Boston<br />
Consulting Group von rund 500.000<br />
Personen in 197 Ländern wurde<br />
ermittelt, was sich Mitarbeiter am<br />
meisten wünschen. Das Ergebnis ist in<br />
allen Kulturen und Ländern gleich: Die<br />
Menschen wünschen sich Wertschätzung<br />
und eine gute Beziehung zu ihren<br />
Kollegen und Führungskräften. Es geht<br />
also immer um Beziehungen. Das ist<br />
allgemein gültig.<br />
Teil 5 lesen Sie in der Juli <strong>Ausgabe</strong> <strong>2023</strong><br />
Foto © FH Bgld.<br />
JUNI <strong>2023</strong><br />
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