prima! Magazin – Ausgabe Juni 2023
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INTERVIEW<br />
Bauen am Ortsrand<br />
Novelle im Burgenländischen Raumplanungsgesetz:<br />
Supermärkte und Einkaufszentren mit Lebensmitteln und anderen<br />
Waren des täglichen Bedarfs sollen in Zukunft nur mehr in Ortskernlagen<br />
errichtet oder erweitert werden dürfen. Im Zuge der<br />
Gesetzesnovelle soll es zu einer Präzisierung bei der Regelung von<br />
Supermärkten kommen <strong>–</strong> und zwar durch Definition einer Verkaufsfläche<br />
von 80 m² bis zu 500 m². Die Einkaufszentrenregelung soll in<br />
Hinkunft ab einer Verkaufsfläche von 80 m 2 greifen. Supermärkte<br />
dürfen nur mehr im Ortskern errichtet werden und dürfen eine Verkaufsfläche<br />
von max. 500 m 2 aufweisen (bisher 800 m 2 ).<br />
Mag. Ing. Georg Gumpinger ist Handels- und Sozialwissenschafter und Inhaber<br />
der Consulting-Firma Gut & Co. Er ist erfahrener Prozessbegleiter von LEADER-<br />
Projekten, Orts-, Stadt- und Regionalentwicklungs-Projekten sowie Agenda<br />
21-Initiativen. Überdies verfügt er über eine mehrjährige Beraterpraxis im<br />
Einzelhandel, Tourismus und im öffentlichen Marketing. Er hat über 150 Projekte<br />
in Gemeinden beratend begleitet <strong>–</strong> darunter viele Gründungsprojekte. Seit 2009<br />
führt er im Burgenland regelmäßig Kaufkraftanalysen durch.<br />
es schwierig, dort wieder etwas Neues reinzubringen. Da ist die<br />
Politik sicher gefordert.<br />
Aber wie? Wenn der Bürgermeister kein Einkaufszentrum<br />
zulässt, wird es in der Nachbargemeinde angesiedelt. Da<br />
geht es auch um Kommunalsteuer und Arbeitsplätze.<br />
Die Menge macht es. Ich rate jeder Gemeinde, eine langfristige<br />
Planung in der Raumordnung zu machen. Es geht darum, genau<br />
zu definieren, wie viel Fläche will man dem Handel außerhalb<br />
der Kernbereiche widmen. Da geht es um eine geordnete<br />
Raumordnungspolitik, die man längerfristig betrachtet.<br />
Vorarlberg ist da recht stark. Feldkirch hat etwa 35.000<br />
Einwohner. Sie verfolgen klar die Strategie, dass sie diese<br />
Verlagerungstendenzen in den peripheren Bereich nicht mehr<br />
wollen. Für bestimmte Sortimente gibt es keine Ansiedlung<br />
außerhalb des Kernbereiches.<br />
Was den Ansiedelungs-Wettbewerb zwischen Gemeinden<br />
betrifft, kann dieser etwa durch Interkommunale Abstimmung<br />
(beispielsweise bei den Betriebsgebieten) zumindest in puncto<br />
Standortentwicklung verringert werden. Die Wirtschaftsregion<br />
Hartberg hat diese gemeindeübergreifende Ansiedelung schon<br />
seit Längerem. Im Burgenland wird das ja nun auch durch das<br />
Regionale Entwicklungsprogramm angestrebt. Das ist grundsätzlich<br />
zu begrüßen. Trotzdem ist bei der Abwanderung der<br />
Handelsbetriebe von der Innenstadt an die Peripherie immer<br />
die Standortgemeinde zuerst gefordert, das zu regeln.<br />
Ich würde mir wünschen, dass im Regionalen Entwicklungsprogramm<br />
auch der (stationäre) Einzelhandel bzw. die Handelsentwicklung<br />
berücksichtigt wird. Vor allem um festzulegen, wo<br />
verstärkt in Zukunft auch Handel Raum finden soll. Dies kann<br />
den Gemeinden in ihren örtlichen Entwicklungskonzepten<br />
helfen.<br />
Also grob zusammengefasst wäre es sinnvoll: Nahversorgung<br />
und mittelfristige Güter wie Bekleidung, Papier- und<br />
Spielwaren, etc. im Kernbereich, sprich in den Ortszentren.<br />
In der Steiermark:<br />
Für den Handel gilt: Neubauten mit einer Verkaufsfläche ab 400 m²<br />
müssen mindestens zweigeschoßig sein.<br />
Baumärkte, Fachmarktzentren, Möbelgeschäfte an der<br />
Peripherie. Das passiert aber nicht.<br />
Es wird vielleicht besser. Es gibt mit der Novelle im Burgenland<br />
ja nun eine Regelung. Es ist ein Ansatz, wo man dem Thema<br />
zumindest eine gewisse Richtlinie gibt und festhält, dass<br />
außerhalb des Kernbereiches kein Nahversorger mehr errichtet<br />
oder großflächig ausgebaut werden darf (siehe Info oben). Das<br />
Burgenland hatte immer eine offene Raumordnungspolitik,<br />
über die sich Großanbieter gefreut haben. Wenn man alles darf,<br />
macht man auch alles. Oft haben die Bürgermeister nur im<br />
Visier, dass die Gemeinde groß werden soll und dass man<br />
Arbeitsplätze schaffen will. Dazu gibt es eine wichtige Kennzahl:<br />
Wenn ich auf einer Großfläche eines Einkaufszentrums<br />
einen Mitarbeiter habe, verliere ich auf derselben Fläche bei<br />
den kleineren Fachgeschäften mindesten drei.<br />
Was passiert, wenn nun auch Ärztezentren in der Peripherie<br />
angesiedelt werden.<br />
Aus Sicht der Stadtentwicklung sage ich dazu ganz klar: Nein!<br />
Eine Gemeinde, die die Entwicklung des Stadt- oder Ortszentrums<br />
im Auge hat, sollte die Verlagerung von Apotheken oder<br />
Ärzten auf keinen Fall zulassen. Ärztezentren sind wichtige<br />
Frequenzbringer, die dann in den Kernbereichen fehlen.<br />
Vielmehr könnte man leer stehende Flächen im Ort für Ärzte<br />
und Gesundheitsdienstleister adaptieren. Das wäre ein massiver<br />
Vorteil für die Innenstadt.<br />
Gehen wir kurz auf Oberwart ein. Wo sehen Sie die Stärke<br />
der Innenstadt?<br />
Oberwart ist ein sehr leistungsfähiger Wirtschaftsstandort.<br />
Ohne Zweifel. Und es gibt eine Positionierung als Gesundheitsund<br />
Schulstadt. Es sind schon einige Entscheidungen in eine<br />
positive Richtung gefallen. Ich denke da an den Stadtgarten.<br />
Diesem Bereich Leben einzuhauchen, finde ich charmant und<br />
es war auch eine gute Möglichkeit, Grünes in die Stadt hineinzubringen.<br />
Besonders wichtig ist der Marktplatz, der mit verschiedenen<br />
Marktthemen bespielt werden kann. Da passiert schon einiges.<br />
Aber da gibt es noch mehr Möglichkeiten, wo man eine andere<br />
>> weiter auf Seite 8<br />
JUNI <strong>2023</strong><br />
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