»Jede Person hat das Recht, sich einzeln oder in Gemeinschaft mit anderen schriftlich mit Bitten oder Beschwerden an die zuständigen Stellen und an die Volksvertretung zu wenden.« ARTIKEL 35 SATZ 1 VERFASSUNG DES FREISTAATES SACHSEN
1. DAS PETITIONSRECHT Das Petitionsrecht 19 PETITIONSRECHT 1.1 Was ist das Petitionsrecht? Das Petitionsrecht ist die verfassungsmäßig garantierte Mög lichkeit, sich mit Bitten oder Beschwerden an die zuständigen Stellen und das Parlament zu wenden. Die Adressaten einer Petition sind verpflichtet, die Petition zur Kenntnis zu nehmen, sie sachlich zu prüfen und dem Petenten / der Petentin einen Bescheid über das Ergebnis dieser Prüfung zu übermitteln. Im Bescheid muss für den Petenten / die Petentin erkennbar sein, dass und in welcher Weise die Petition behandelt worden ist. Oftmals werden im Petitionsverfahren Fehler aufgedeckt und Probleme erkannt, Missverständnisse beseitigt und Lösungen gefunden. Daneben liefern Petitionen Anregungen für die Tätigkeit der Abgeordneten, indem sie vermitteln, welche Anliegen und Nöte die Menschen bewegen. Sie helfen Lücken in gesetzlichen Regelungen oder Verordnungen aufzudecken und spiegeln die Meinungen der Bürgerinnen und Bürger zu aktuellen politischen Fragen wider. 1.2 Worin liegen die Möglichkeiten und Grenzen des Petitionsrechts? Ein Petitionsbescheid ist kein Verwaltungsakt und kein gerichtliches Urteil. Ein Petitionsverfahren ist kein förmliches Verwaltungsverfahren der Exekutive (Verwaltung) und kein Gerichtsverfahren der Judikative, sondern ein sogenanntes nicht förmliches Verfahren der Legislative. Das Petitionsverfahren soll vielmehr neben diesen frist- und formgebundenen Möglichkeiten, Rechtsschutz zu erlangen, einen zusätzlichen Weg eröffnen, auf dem ein Anliegen an den Staat herangetra gen werden kann. Das Petitionsverfahren besteht neben den förmlichen Verfahren und läuft nicht nach deren Regeln ab. So kann aus dem Petitionsrecht kein Anspruch des Petenten / der Petentin auf ein bestimmtes Ergebnis, beispielsweise die Erledigung der Petition in seinem / ihrem Sinne, abgeleitet werden. Der Sächsische Landtag als Petitionsadressat ist nicht befugt, in eigener Zuständigkeit die von staatlichen Stellen und vom Petenten / von der Petentin gerügten Entscheidungen zu ersetzen, oder diesen Stellen bindende Handlungs anweisungen zu erteilen. Der Petitionsbescheid enthält viel mehr eine Empfehlung des Sächsischen Landtags an die Staatsregierung. Aus dem Grundsatz der Gewaltenteilung folgt, dass für diese keine Pflicht besteht, diese Empfehlung auch umzusetzen. 1.3 Wann ist eine Petition behandlungsfähig? Als Petition behandlungsfähig ist ein Schreiben, in dem eine Bitte oder Beschwerde zum Ausdruck gebracht wird, die sich auf ein Handeln oder Unterlassen sächsischer öffentlicher Stellen bezieht. Nicht als Petition behandelt werden können Schreiben, die reine Auskunftsersuchen, Mitteilungen, Belehrungen, Vorwürfe, Anmerkungen oder sonstige Meinungsäußerungen enthalten. Auch in privatrechtlichen Angelegenheiten, also etwa bei Streitigkeiten zwischen Mieter und Vermieter, im Geschäftsleben, in der Nachbarschaft oder in der Familie, kann der Petitionsausschuss nicht tätig werden. 1.4 Wer darf Petitionen einreichen? Artikel 35 Sächsische Verfassung (SächsVerf) gewährt jedermann das Recht, Bitten und Beschwerden einzu reichen. Das Petitionsrecht gilt für Erwachsene und Minderjährige, für deutsche Staatsangehörige, Menschen mit anderen Staatsangehörigkeiten und Staatenlose. Auch Bürger initiativen oder juristische Personen des Privatrechts (z. B. eingetragene Vereine) können dem Ausschuss ihr Anliegen schildern. Alle können sich in eigener Sache, in Vertretung für einen anderen oder auch im allgemeinen Interesse an den Petitionsausschuss wenden. Kein Petitionsrecht haben dagegen grundsätzlich juristische Personen des öffentlichen Rechts oder Teile davon (z. B. Schulen, Kindergärten oder Handwerkskammern). PETITIONSAUSSCHUSS REFERAT PETITIONSDIENST PETITIONEN IM JAHR <strong>2022</strong> RECHTLICHE GRUNDLAGEN DES PETITIONSRECHTS ANHANG