gab Oktober 2023
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4 FRANKFURT<br />
Community<br />
SCHWULE TRÄUME<br />
IM ALTER<br />
Der Treff für schwule Männer<br />
ab 60 befasst sich im<br />
<strong>Oktober</strong> mit dem Lebensgefühl<br />
schwuler Männer ab<br />
60. Michael Holy präsentiert<br />
am 3. <strong>Oktober</strong> die Ergebnisse<br />
einer empirischen Studie zur<br />
Lebenssituation schwuler<br />
Männer im Alter, die im Auftrag<br />
der Hamburger AIDS-<br />
Hilfe 2012 durchgeführt wurde.<br />
Obwohl der Hauptanteil<br />
der Befragten jünger als 65<br />
war und der gebildeten Mittelschicht<br />
angehörte, hat Holy<br />
einige interessante Ergebnisse<br />
der Umfrage gefunden, die er<br />
zur Diskussion stellt.<br />
FOTO: PRO-FUN MEDIA / CINEMIEN<br />
Am 17. <strong>Oktober</strong> zeigt das<br />
Café Karussell einen Film des<br />
amerikanischen Queer-Aktivisten,<br />
Regisseurs und Autors<br />
Bruce LaBruce. Ihm ist kein<br />
Tabu zu heikel, um daraus<br />
einen kontroversen Film zu<br />
machen. In „Gerontophilia“<br />
(deutscher Titel „Geron“)<br />
thematisiert er das sexuelle<br />
Interesse Jüngerer an älteren<br />
Menschen oder Senioren:<br />
Als der 18-jährige Lake einen<br />
Job in einem Pflegeheim<br />
beginnt, verliebt er sich in<br />
den charmanten Bewohner<br />
Mr. Peabody; beide beginnen<br />
eine intensive sexuelle wie<br />
romantische Beziehung – ist<br />
das nicht der Traum eines jeden<br />
schwulen Pflegeheimbewohners?<br />
„Der Plot ist völlig<br />
glaubwürdig inszeniert –<br />
da ergibt sich doch eine<br />
Diskussion von selbst“,<br />
meint Michael Holy. *bjö<br />
3. und 17.10., Switchboard,<br />
Alte Gasse 36,<br />
Frankfurt, 14:30 Uhr,<br />
www.facebook.com/<br />
switchboard.frankfurt<br />
FOTO: PURKHARDT<br />
KOLUMNE<br />
ZWISCHEN<br />
In dieser Aus<strong>gab</strong>e von „Zwischen<br />
den Zeilen“ denkt Jessica Purkhardt<br />
darüber nach, wie eine kleine Gruppe<br />
sich bei den CSDs über die Mehrheit<br />
erhebt und damit kriegt, was sie will.<br />
Unlängst lief auf arte ein Film, der eine Gruppe<br />
japanischer Soldaten porträtiert, die nicht<br />
glauben wollten, dass man nicht mehr im<br />
Krieg mit dem einstigen Feind, sondern mittlerweile<br />
enge Verbündete sei. Noch dreißig<br />
Jahre lang, bis 1974, führten manche ihren<br />
längst sinnlos gewordenen Guerillakampf<br />
auf entlegenen pazifischen Inseln weiter.<br />
Unweigerlich musste ich an die bislang immerhin<br />
unblutig gebliebenen, aber genauso aus<br />
der Zeit und dem Zusammenhang gefallenen<br />
Übergriffen von dem Vernehmen nach linken<br />
Gruppen denken, die während der Pride-<br />
Veranstaltungen dieses Sommers Polizeibeamt*innen<br />
an ihren Infoständen oder als<br />
Demoparadenteilnehmer*innen bedrängten,<br />
beleidigten und teilweise körperlich angriffen.<br />
ARGUMENTE AUS DER MOTTENKISTE<br />
Stonewall sei ein Aufstand gewesen, weswegen<br />
Polizist*innen beim Pride nicht mit<br />
dabei sein dürften, lautet die an Hauswände<br />
der Innenstadt gesprühte Begründung.<br />
Tatsächlich hatten in einer Sommernacht<br />
1969 Transgender, Lesben und Schwule im<br />
Greenwich Village handgreiflichen Widerstand<br />
geleistet gegen die unablässige Demütigung,<br />
Verfolgung und Misshandlung durch<br />
die New Yorker Polizei.<br />
Dass deshalb 54 Jahre<br />
später Personen aus dem<br />
Hochschul-Umfeld an einem<br />
Sommermittag den an der<br />
Frankfurter CSD-Demo<br />
teilnehmenden Polizist*innen<br />
auf die Motorhaube<br />
springen dürften, ist an den<br />
den zeilen<br />
DAS GEGENTEIL VON STONEWALL<br />
Haaren herbeigezogen. Aber es folgt einem<br />
perfiden Kalkül: Gelingt es, die Polizist*innen<br />
aus dem Demo-Zug zu vertreiben, hat man<br />
bekommen, was man will. Wehren sich die<br />
Polizist*innen ihrer Haut oder Kolleg*innen<br />
kommen zu Hilfe, hat man schnell Bilder<br />
erzeugt, die den Anschein erwecken, die<br />
Polizei ginge bei einem CSD gewaltsam<br />
gegen Queers vor.<br />
QUEERE SOLIDARITÄT HAT SOMMERPAUSE<br />
In Frankfurt konnten so die Polizist*innen<br />
nicht mehr gemeinsam mit der überwiegenden<br />
Mehrheit gegen gruppenbezogene Menschenfeindlichkeit<br />
demonstrieren, weil eine<br />
Handvoll Leute es anders beschlossen hatte.<br />
Einige davon hatten sich vier Buchstaben auf<br />
den Körper gemalt, die für die menschenfeindliche<br />
Aussage steht, dass „alle Polizisten<br />
Bastarde“ wären. Spätestens das legt offen,<br />
wer hier der moralische Verlierer ist.<br />
Ohrenbetäubend waren deshalb das<br />
wochenlange Schweigen des Veranstalters<br />
und der fehlende öffentliche Protest der<br />
Community. Man hätte denken sollen, es sei<br />
Common Sense, dass niemand, der glaubhaft<br />
und friedlich im Rahmen der demokratischen<br />
Ordnung gegen die Benachteiligung<br />
von sich und anderen Menschen demonstriert,<br />
von anderen einfach so aus einer CSD-<br />
Demo geworfen werden dürfte. Solidarisch<br />
wäre gewesen, wenn andere Demoteilnehmer*innen<br />
untergehakt die Polizist*innen<br />
von den Angreifer*innen abgeschirmt und so<br />
die weitere Demoteilnahme ermöglicht hätten.<br />
Wenn nämlich radikale Queers andere<br />
LGBTIQ* attackieren, die sich schützend vor<br />
queere Polizeiangehörige stellen, zeigt sich,<br />
wohin die Übergriffe führen: ins Gegenteil<br />
von Stonewall.<br />
Lest auch die Zusammenfassung der Vorfälle<br />
des CSD-Sommers auf Seite 22.