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faktor Herbst 2023

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wissen<br />

» Man lässt sich von einem Kollegen<br />

Ultraschallbilder am Patienten aufnehmen<br />

und sieht sie in Echtzeit an<br />

der Konsole. Das ist total faszinierend,<br />

eine echte digitale Revolution.“ «<br />

enten – diese Erfahrung hat Michael Ghadimi gemacht<br />

– durchweg positiv auf die Roboter assistenz.<br />

EINES DER SYSTEME, DIE ZUM EINSATZ KOMMEN,<br />

heißt da Vinci Surgical System, entwickelt und vertrieben<br />

seit Mitte der 1990er-Jahre. Und wie der italienische<br />

Renaissance-Erfinder gibt auch das System dem Operateur<br />

ein mächtiges Tool an die Hand, das ,Schlüssellochchirurgie‘<br />

ermöglicht. Gemeint ist, dass auch schwierigere<br />

Operationen dadurch minimalinvasiv, also mittels nur<br />

kleiner Schnitte in den Körper, durchgeführt werden<br />

können. „Solche Systeme bieten fantastische Vorteile“,<br />

erklärt Ghadimi, der selbst eine große Anzahl solcher<br />

Operationen durchgeführt hat und für ihn seit Jahren<br />

Routine geworden sind. So lässt sich die Kamera mit<br />

großer Freiheit und Vergrößerungsmöglichkeiten führen.<br />

Es gibt eine 3D-Visualisierung, ein Tremorfilter kompensiert<br />

ein etwaiges Zittern der Hand, der Roboter kommt<br />

,in Ecken‘, die mit Händen nicht erreicht werden können,<br />

und: „Der Chirurg kann entspannt sitzen, statt wie früher<br />

sechs Stunden in einer Zwangshaltung über den<br />

Patienten gebeugt dastehen zu müssen“, so Ghadimi.<br />

ZWAR GIBT ES NOCH KEINE STUDIEN, die einen messbaren<br />

Vorteil solcher Robotik zeigen, aber es gibt einiges<br />

an Erfahrungswerten. Die Vorteile für den Operateur<br />

liegen auf der Hand und sind noch lange nicht am Ende<br />

der Möglichkeiten angekommen. So ermöglicht es die<br />

Technik auch, dass während der OP ergänzende Informationen<br />

aufgerufen werden können: „Zum Beispiel<br />

könnte man sich in einer schwierigen Situation Informationen<br />

holen, wie Kollegen damit umgegangen sind“, erläutert<br />

Ghadimi. „Oder man lässt sich von einem Kollegen<br />

Ultraschallbilder am Patienten aufnehmen und sieht<br />

sie in Echtzeit an der Konsole. Das ist total faszinierend,<br />

eine echte digitale Revolution.“ Das sei zwar noch teilweise<br />

Zukunftsmusik, aber eine absehbare Verbesserung.<br />

Der Patient profitiert von einer zuverlässigeren OP und,<br />

weil diese Eingriffe minimalinvasiv sind, auch von einer<br />

viel kleineren Wunde. Was auch wiederum heißt, dass<br />

die Patienten anschließend nicht so lange oder gar nicht<br />

erst auf die Intensivstation müssen.<br />

Die Entwicklung stehe aber noch am Anfang, so der<br />

Professor. Es gibt viele Felder, an denen derzeit geforscht<br />

und entwickelt wird, zum Beispiel die Fortbildung<br />

von Chirurgen in virtuellen Klassenräumen am<br />

3D-Modell, die an der UMG schon ihren Praxistest<br />

bestanden hat.<br />

DOCH BEI DER ZUNEHMENDEN GESCHWINDIGKEIT,<br />

die die Entwicklung von KI-Anwendungen allgemein<br />

aufweist, zeichnen sich auch ungeklärte Fragen ab. „Ich<br />

befürchte, dass wir mit der Bewertung verschiedener<br />

Technologien einfach nicht mehr Schritt halten können“,<br />

sagt Ghadimi. Chatbots wie ChatGPT seien so ein Thema.<br />

„Kann der Bot Patientenaufklärung machen und<br />

Therapieempfehlungen geben? Ja, kann er, aber wie<br />

gut?“ Auch die umgekehrte Seite müsse man betrachten:<br />

„Wie viele Ärzte erbringen eine fehlerhafte Aufklärung,<br />

weil sie unerfahren sind? Wenn man einen Bot und Ärzte<br />

vergleicht, dann könnte es auch passieren, dass ChatGPT<br />

empathischer und inhaltlich präziser agiert. Eine Vorstellung,<br />

an die man sich erst gewöhnen müsste, sagt<br />

Ghadimi. Die Fachdiskussionen über solche Themen<br />

sind intensiv wie selten zuvor.<br />

Doch während die Hauptprobleme bei der Entwicklung<br />

neuer KI-Anwendungen und Innovationen die<br />

hohen bürokratischen Hürden sind, ist das Hauptproblem<br />

in der Robotik die fehlende Finanzierung.<br />

„Die robotische Chirurgie ist teurer als die klassische,<br />

sie wird aber nicht von den Kassen bezahlt“, so der<br />

Experte. Diese Finanzierungsproblematik schafft ein<br />

klassisches Dilemma. „Wir wollen Fortschritt, Robotik<br />

ist Fortschritt, aber es gibt keine Bewegung, das<br />

auch finanziell abzusichern.“ Gleiches gilt etwa bei<br />

der KI-assistierten Hautkrebsdiagnositk. Auch sie<br />

wird bislang von den Krankenkassen nicht bezahlt<br />

und hat daher in den Praxen Seltenheitswert. ƒ<br />

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