wissen » Man lässt sich von einem Kollegen Ultraschallbilder am Patienten aufnehmen und sieht sie in Echtzeit an der Konsole. Das ist total faszinierend, eine echte digitale Revolution.“ « enten – diese Erfahrung hat Michael Ghadimi gemacht – durchweg positiv auf die Roboter assistenz. EINES DER SYSTEME, DIE ZUM EINSATZ KOMMEN, heißt da Vinci Surgical System, entwickelt und vertrieben seit Mitte der 1990er-Jahre. Und wie der italienische Renaissance-Erfinder gibt auch das System dem Operateur ein mächtiges Tool an die Hand, das ,Schlüssellochchirurgie‘ ermöglicht. Gemeint ist, dass auch schwierigere Operationen dadurch minimalinvasiv, also mittels nur kleiner Schnitte in den Körper, durchgeführt werden können. „Solche Systeme bieten fantastische Vorteile“, erklärt Ghadimi, der selbst eine große Anzahl solcher Operationen durchgeführt hat und für ihn seit Jahren Routine geworden sind. So lässt sich die Kamera mit großer Freiheit und Vergrößerungsmöglichkeiten führen. Es gibt eine 3D-Visualisierung, ein Tremorfilter kompensiert ein etwaiges Zittern der Hand, der Roboter kommt ,in Ecken‘, die mit Händen nicht erreicht werden können, und: „Der Chirurg kann entspannt sitzen, statt wie früher sechs Stunden in einer Zwangshaltung über den Patienten gebeugt dastehen zu müssen“, so Ghadimi. ZWAR GIBT ES NOCH KEINE STUDIEN, die einen messbaren Vorteil solcher Robotik zeigen, aber es gibt einiges an Erfahrungswerten. Die Vorteile für den Operateur liegen auf der Hand und sind noch lange nicht am Ende der Möglichkeiten angekommen. So ermöglicht es die Technik auch, dass während der OP ergänzende Informationen aufgerufen werden können: „Zum Beispiel könnte man sich in einer schwierigen Situation Informationen holen, wie Kollegen damit umgegangen sind“, erläutert Ghadimi. „Oder man lässt sich von einem Kollegen Ultraschallbilder am Patienten aufnehmen und sieht sie in Echtzeit an der Konsole. Das ist total faszinierend, eine echte digitale Revolution.“ Das sei zwar noch teilweise Zukunftsmusik, aber eine absehbare Verbesserung. Der Patient profitiert von einer zuverlässigeren OP und, weil diese Eingriffe minimalinvasiv sind, auch von einer viel kleineren Wunde. Was auch wiederum heißt, dass die Patienten anschließend nicht so lange oder gar nicht erst auf die Intensivstation müssen. Die Entwicklung stehe aber noch am Anfang, so der Professor. Es gibt viele Felder, an denen derzeit geforscht und entwickelt wird, zum Beispiel die Fortbildung von Chirurgen in virtuellen Klassenräumen am 3D-Modell, die an der UMG schon ihren Praxistest bestanden hat. DOCH BEI DER ZUNEHMENDEN GESCHWINDIGKEIT, die die Entwicklung von KI-Anwendungen allgemein aufweist, zeichnen sich auch ungeklärte Fragen ab. „Ich befürchte, dass wir mit der Bewertung verschiedener Technologien einfach nicht mehr Schritt halten können“, sagt Ghadimi. Chatbots wie ChatGPT seien so ein Thema. „Kann der Bot Patientenaufklärung machen und Therapieempfehlungen geben? Ja, kann er, aber wie gut?“ Auch die umgekehrte Seite müsse man betrachten: „Wie viele Ärzte erbringen eine fehlerhafte Aufklärung, weil sie unerfahren sind? Wenn man einen Bot und Ärzte vergleicht, dann könnte es auch passieren, dass ChatGPT empathischer und inhaltlich präziser agiert. Eine Vorstellung, an die man sich erst gewöhnen müsste, sagt Ghadimi. Die Fachdiskussionen über solche Themen sind intensiv wie selten zuvor. Doch während die Hauptprobleme bei der Entwicklung neuer KI-Anwendungen und Innovationen die hohen bürokratischen Hürden sind, ist das Hauptproblem in der Robotik die fehlende Finanzierung. „Die robotische Chirurgie ist teurer als die klassische, sie wird aber nicht von den Kassen bezahlt“, so der Experte. Diese Finanzierungsproblematik schafft ein klassisches Dilemma. „Wir wollen Fortschritt, Robotik ist Fortschritt, aber es gibt keine Bewegung, das auch finanziell abzusichern.“ Gleiches gilt etwa bei der KI-assistierten Hautkrebsdiagnositk. Auch sie wird bislang von den Krankenkassen nicht bezahlt und hat daher in den Praxen Seltenheitswert. ƒ 58 3 |<strong>2023</strong>
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