Fine ARTS vom 5. - Der Kessener
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Lasst es länger perlen<br />
Es ist ein frühsommerlicher Montagabend, von dickem Regendunst<br />
geschwängert, als ein mit viel Liebe, Schweiß und Tränen<br />
geschaffener Ort des kulturellen Austauschs auch endlich offiziell<br />
seine Pforten öffnet: Die Kellerperle unter der Burse der<br />
Stadtmensa wird eingeweiht.<br />
Es sind vor allem die leisen Töne, die die Anwesenden<br />
wie der Ruf der Sirenen umgarnen. Beispielsweise wenn<br />
Annika Frerichs, sich selbst auf ihrem E-Piano begleitend,<br />
von einer durchzechten Partynacht singt und sogar<br />
das betagtere Publikum unweigerlich an so manche<br />
jugendliche Nacht erinnert wird. Man merkt schnell,<br />
dass die Kellerperle sich nicht auf die Fahnen geschrieben<br />
hat, ein weiterer Mosaiksteine der Konsummeile<br />
Würzburgs werden zu wollen. Sie ist eine kleine Insel<br />
im Ozean des Würzburger Abendprogramms, die bewusst<br />
eine Alternative bieten möchte, einen Ort des<br />
Austauschs, des Innehaltens, des Sinnmachens und trotz<br />
alledem des Spaßhabens.<br />
Nach zweieinhalbjähriger Planungsphase, ausgehend<br />
aus den Hochschulprotesten 2009, hat sich aus einer<br />
Schnapsidee am Küchentisch eine ernstzunehmende<br />
Option für anspruchsvolle Würzburger Kulturinteressierte<br />
entwickelt. Neben Konzerten jeglicher Couleur,<br />
von Postpunk, Hardcore über Hip Hop bis Singer/<br />
Songwriter, Theatervorführungen, Lesungen, Kunstausstellungen,<br />
dem allwöchentlichen Perlenkino am<br />
Dienstag, Vorträgen und Diskussionsrunden ist es auch<br />
das soziale Engagement, das den Mitwirkenden der<br />
studentischen Kulturinitiative Würzburg e.V. (Organisationsteam<br />
der „Kellerperle“) am Herzen liegt. Bei einer<br />
Konzertreihe werden Spenden gesammelt und an die<br />
Initiative für Flüchtlingsarbeit Vivovolo der GU Veitshöchheim<br />
gespendet, und ab und an dürfen die politischen<br />
Flüchtlinge für ein paar Stunden all die Sorgen<br />
und Existenzängste vergessen und bei der sogenannten<br />
„Flüchtlingsjam“ ihrem Temperament und ihrer Liebe<br />
zu Tanz und Musik freien Lauf lassen. Längst hat sich<br />
seit dem Beginn des Kneipenbetriebs im Herbst 2011 ein<br />
Ort der Begegnungen und des Austauschs, nicht nur für<br />
Hochschulgruppen gebildet. Es war gar nicht nötig, die<br />
Perle mit einem Schleifstein zu formen, sie ist von ganz<br />
alleine gewachsen und es sind gerade die Unregelmäßigkeiten<br />
ihrer Oberfläche, die ihren Reiz ausmachen<br />
und immer wieder Neues entdecken lassen. Dies liegt<br />
sicherlich auch an der Tatsache, dass jeder sich einbringen<br />
und mitwirken darf. Frei nach dem Motto „Lass es<br />
perlen“ ist jeder eingeladen, sich zu engagieren, sei es<br />
vor oder hinter den Kulissen, denn letztlich versteht sich<br />
die Kellerperle als kleine große Bühne, die ständig neu<br />
… mit einem umfangreichen Veranstaltungskalender<br />
v.l.: Henning Trentmann, Kristina Helmerich, Cordula Klein, Jeroen Staab<br />
WÜRZBURG<br />
befruchtet werden muss, und das rein auf dem Engagement<br />
Freiwilliger basierend und unkommerziell.<br />
Dennoch war der Weg bis zur Eröffnung ein steiniger.<br />
Die Renovierungsarbeiten am Raum verzögerten sich<br />
bis in den November 2011 und auch die städtischen Behörden<br />
hatten den Plänen der Studierenden mit Skepsis<br />
gegenüber gestanden. Obwohl sich in direkter Nähe<br />
des Studentenhauses nur wenige Anwohner finden und<br />
dort bereits ein etablierter Club (das „Tirili“) seit Jahrzehnten<br />
problemlos existieren kann, weigerte man sich<br />
zunächst, der „Kellerperle“ Öffnungszeiten zuzugestehen,<br />
die über 22 Uhr hinausgingen.<br />
Immerhin konnte der Verein im Dialog mit der Stadt die<br />
Kompromisslösung eines Betriebs von 18 bis 23 Uhr erreichen.<br />
Dieses enge Zeitkorsett durch die Beantragung<br />
von Sondergenehmigungen (und weitere Verhandlungen)<br />
gelegentlich aufzubrechen, bleibt eines der<br />
Hauptziele für die Zukunft. Auch wenn das Programm<br />
einen guten Anklang findet, fordern die Öffnungszeiten<br />
dennoch ihren Tribut, schließlich handelt es sich beim<br />
Großteil des Publikums um Studenten, und diese sind<br />
doch andere Zeitvorgaben gewöhnt (gezwungenermaßen,<br />
wenn man bedenkt, dass Seminare an der Uni gelegentlich<br />
erst gegen 21 Uhr enden).<br />
So bleibt nur zu hoffen, dass der Ruf der Sirenen dem<br />
ein oder anderen geladenen Ehrengast die Augen geöffnet<br />
hat. Greift man die ehrgeizigen Worte des Bürgermeisters<br />
Dr. Adolf Bauer auf, Würzburg wolle sich<br />
mit anderen Universitätsstädten auf höchster Ebene<br />
messen, auch im kulturellen Bereich, so sollte es kein<br />
großes Problem darstellen, der (kleinen) schmucken Perle<br />
ein wenig unter die Arme zu greifen, dass sie weiterhin<br />
das Würzburger Publikum verzaubern darf.<br />
http://kellerperle.blogspot.de<br />
<strong>Der</strong> <strong>Kessener</strong> 3/2012 19