Fine ARTS vom 5. - Der Kessener
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Nur selten klappt es sofort<br />
Bei „Frau & Beruf“ gibt es Tipps für<br />
die richtige Strategie beim Wiedereinstieg<br />
Würzburg. Hausfrauen und Mütter, heißt es, haben Berufsanfängerinnen<br />
einiges voraus. Schließlich managen sie eine Familie<br />
ganz alleine. „Doch kein Arbeitgeber weiß, wie gut sie als<br />
Managerinnen sind“, sagt Antje Stephan von der in Bad Kissingen<br />
angesiedelten Beratungsstelle „Frau & Beruf“. Weshalb es<br />
Wiedereinsteigerinnen trotz ihrer Kompetenzen schwer haben.<br />
40 Prozent der Frauen, die zu Stephan in die Beratung kommen,<br />
würden gern wieder arbeiten. Oft nach zehn oder zwölf Jahren<br />
als Hausfrau und Mutter.<br />
Sich gleich nach der Geburt wieder bei ihrem Arbeitgeber<br />
zurückzumelden, erschien diesen Frauen vor zehn<br />
Jahren als nicht möglich, erläutert die 34 Jahre alte Beraterin.<br />
Bei den meisten war dies auch finanziell nicht<br />
notwendig. Doch dann sind die Kinder aus dem Haus.<br />
Oder die Ehe ging in die Brüche. Oder der Wunsch, wieder<br />
berufstätig zu sein, erwacht. Ihn sich zu erfüllen, ist<br />
nach Jahren der Nichterwerbstätigkeit schwer, macht<br />
Antje Stephan den Frauen klar. Viele müssen sich weiterqualifizieren<br />
- oft auf eigene Kosten. Auch zu Praktika<br />
rät die Politologin den im Durchschnitt zwischen 30 und<br />
50 Jahre alten Ratsuchenden: „Die sollten auch möglichst<br />
länger als nur eine Woche sein.“<br />
Die drei Beraterinnen von „Frau & Beruf“ benötigen feine<br />
Antennen für die Anliegen derjenigen, die zu ihnen<br />
kommen. Zumal es sich laut Stephan inzwischen zunehmend<br />
um Frauen handelt, die Schlimmes im Job erlebt<br />
haben: „<strong>Der</strong>zeit dreht sich mindestens jedes zweite<br />
Beratungsgespräch um Mobbing oder Burn-out.“ Nicht<br />
wenige Frauen seien durch schlechte Arbeitsbedingungen<br />
vollkommen ausgelaugt. Als einen Grund für die<br />
häufigen Mobbing-Klagen macht Stephan die Tatsache<br />
aus, dass Teams heute ständig neu zusammengewürfelt<br />
werden. Wer sich nicht immer wieder auf neue Kolleginnen<br />
einstellen kann, wer eigenwillig und unangepasst<br />
ist, gerät hierbei leicht unter die Räder.<br />
Anzeigen lesen, Bekannte nach Jobs fragen, Behörden<br />
kontaktieren - Svetlana Sidorov (Name geändert) tat viel<br />
für einen Arbeitsplatz. Seit 15 Jahren lebt die in Moskau<br />
studierte Wirtschaftsingenieurin in Deutschland. Lange<br />
kümmerte sie sich um ihren Sohn. Als der sie nicht mehr<br />
brauchte, wollte sie arbeiten gehen. Doch alleine fand<br />
sie keinen Job. Dass sie seit drei Monaten endlich eine<br />
Stelle hat, habe sie der Beratungsstelle „Frau & Beruf“<br />
zu verdanken, sagt Sidorov. Hier baute man ihr Selbstbewusstsein<br />
wieder auf: „Ich erlebte ja lange nur, dass<br />
mich niemand haben will.“ Und gab wertvolle Tipps,<br />
was korrekte Bewerbungsschreiben und erfolgsversprechende<br />
Vorstellungsgespräche betrifft.<br />
Frau & Beruf<br />
„Frau & Beruf“ ist ein Projekt des Rhön-Saale-Gründerzentrums<br />
in Bad Kissingen. Seit April 2009 werden<br />
Frauen in Bad Kissingen und Rhön-Grabfeld beraten.<br />
2011 konnte das Projekt erweitert werden. Beraten<br />
wird nun auch in Schweinfurt, in den Haßbergen, in<br />
Würzburg, Kitzingen und Main-Spessart. Insgesamt<br />
ließen sich mehr als 900 Frauen aus der Region beraten.<br />
Hauptfinancier des Projekts ist der Europäische<br />
Sozialfonds (ESF). Auch der Freistaat Bayern sowie die<br />
Kommunen sind an der Finanzierung beteiligt. Für Ratsuchende<br />
ist das Angebot kostenlos. (pat)<br />
Weitere Informationen gibt es im Internet:<br />
www.frauundberuf-rsg.de.<br />
… mit umfangreichem Veranstaltungskalender<br />
WÜRZBURG<br />
Eine Ratsuchende schildert Antje Stephan, wie schwer es bisher für sie war,<br />
einen Job zu finden. Foto: Pat Christ<br />
Massiver Wandel der Arbeitswelt<br />
Zweifellos wurden in den vergangenen Jahren bedeutende<br />
Fortschritte erzielt, damit Frauen Familie und<br />
Beruf besser vereinbaren können, sagt Antje Stephan.<br />
So gibt es heute Kinderkrippen und durchgehend geöffnete<br />
Kindergärten. Andererseits seien die Fortschritte<br />
nur dann als „groß“ zu beurteilen, wenn sie mit dem<br />
Stand von vor zehn Jahren verglichen werden. Wird der<br />
massive Wandel in der Arbeitswelt mit berücksichtigt,<br />
fallen die Fortschritte überhaupt nicht mehr groß aus.<br />
So müssten Frauen heute nicht selten bereits um 7 Uhr<br />
morgens mit der Arbeit beginnen: „Doch dann hat noch<br />
keine Krippe auf.“ Auch am Wochenende gäbe es kaum<br />
Betreuungsmöglichkeiten für Kinder.<br />
Dass sich Minijobberinnen auf ein böses Erwachen vorzubereiten<br />
haben, auch daraus macht Antje Stephan in<br />
ihren Beratungsgesprächen keinen Hehl. Altersarmut<br />
ist dann nämlich programmiert. „Es gehört zu unseren<br />
Aufgaben, die Frauen auch auf Konsequenzen ihrer<br />
Entscheidungen aufmerksam zu machen“, sagt die Beraterin.<br />
Offensichtlich schätzen die Frauen das, denn<br />
die Nachfrage nach dem unabhängigen, eineinhalbstündigen<br />
Beratungsangebot von „Frau & Beruf“ ist<br />
immens. In Main-Spessart und Kitzingen, den im Mai<br />
eröffneten, jüngsten Ablegern der Einrichtung, sprengt<br />
das Interesse aktuell das Angebot. Stephan: „Hier sind<br />
wir bis in den Oktober hinein ausgebucht.“<br />
Pat Christ<br />
<strong>Der</strong> <strong>Kessener</strong> 3/2012 7