Ausgabe 12/2023
Das Magazin für Herisau und Umgebung. Erscheinungsdatum: 6. Dezember 2023
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10 · Interview <strong>12</strong>/<strong>2023</strong><br />
«IN MEINER KINDHEIT KANNTE ICH<br />
WEIHNACHTEN NUR OHNE GESCHENKE»<br />
Maria Schoch feierte am 1. November ihren 100. Geburtstag. Die gebürtige Italienerin verbrachte den Grossteil ihres Lebens in Herisau.<br />
Sie erzählt von Weihnachten während des Zweiten Weltkriegs, gibt das Geheimnis eines langen Lebens preis und erklärt, weshalb<br />
sie trotzdem nicht nochmals jung sein möchte.<br />
Die 100-jährige Maria Schoch hat drei Kinder und lebt seit sieben Jahren im Heinrichsbad. <br />
(Bild: sd)<br />
Frau Schoch, machen Sie uns doch zu Weihnachten<br />
ein Geschenk und verraten uns das<br />
Rezept eines langen Lebens.<br />
Ein halbes Gläschen Wein zum Mittagessen<br />
und viel Bewegung. Mittlerweile muss ich allerdings<br />
Medikamente nehmen und bin nicht<br />
mehr gut zu Fuss, deshalb geht beides nicht<br />
mehr. Aber ich klage nicht, weil es Menschen<br />
gibt, denen es schlechter geht. Ich habe immer<br />
versucht, nach vorne zu schauen, gerade<br />
in schwierigen Zeiten. Als mein Mann vor<br />
über 50 Jahren an einem Hirntumor verstarb,<br />
stand ich plötzlich allein da mit unseren drei<br />
Kindern. Mein Sohn hat damals zu mir gesagt:<br />
«Mami, du muesch fürschi luege.» Das habe<br />
ich mir zu Herzen genommen. Das Leben ist<br />
nicht immer einfach. Man muss akzeptieren,<br />
dass die unschönen Seiten dazugehören.<br />
Sie haben im November Ihren 100. Geburtstag<br />
gefeiert. Hätten Sie jemals gedacht,<br />
diese Zahl zu erreichen?<br />
So alt wollte ich nie werden. Man kann sich<br />
das in jungen Jahren ja gar nicht vorstellen.<br />
Als meine Schwester mit 99 Jahren verstarb,<br />
haben mich alle gefragt, ob ich es bis zur 100<br />
schaffe. Selbst damals habe ich nicht daran geglaubt.<br />
Ich habe dem Alter nie grosse Beachtung<br />
geschenkt. Aber mit jedem Geburtstag<br />
wurde die Zahl ein bisschen grösser. Ich habe<br />
das Leben immer so genommen, wie es kam.<br />
Jetzt bin ich eben 100 Jahre alt geworden, das<br />
Thema ist durch. Nun können wieder andere<br />
im Rampenlicht stehen.<br />
Was ist das schönste Geschenk, das Ihnen<br />
das Leben bereitet hat?<br />
Mein grösstes Geschenk sind meine beiden<br />
Töchter und mein Sohn. Sie sagen heute, dass<br />
ich gut für sie geschaut habe und sie eine<br />
schöne Kindheit hatten. Das ist das schönste<br />
Kompliment, das du als Mutter bekommen<br />
kannst – vor allem weil die Kinder früh ihren<br />
Vater verloren haben. Obwohl ich allein war,<br />
habe ich versucht, ihnen viel Liebe zu geben.