04.12.2023 Aufrufe

Ausgabe 12/2023

Das Magazin für Herisau und Umgebung. Erscheinungsdatum: 6. Dezember 2023

Das Magazin für Herisau und Umgebung. Erscheinungsdatum: 6. Dezember 2023

MEHR ANZEIGEN
WENIGER ANZEIGEN

Erfolgreiche ePaper selbst erstellen

Machen Sie aus Ihren PDF Publikationen ein blätterbares Flipbook mit unserer einzigartigen Google optimierten e-Paper Software.

14 · Thema des Monats <strong>12</strong>/<strong>2023</strong><br />

DIE NORDISCHE MAGIE<br />

DER ZWÖLF RAUNÄCHTE<br />

Die Zeit zwischen den Jahren dient der Reflexion und einem Innehalten im Alltag, um zur Ruhe<br />

zu kommen. Überliefertes, spirituelles Naturbrauchtum wird auch heute noch praktiziert. Rahel<br />

Furrer vom «kaleidos» in Herisau gibt Inspirationen zu den Raunächten.<br />

Die Raunächte stammen aus einer vergangenen<br />

Zeit. Von den Kelten und Germanen besteht<br />

wenig schriftlich Überliefertes, aber die<br />

nordische Mythologie offenbart ein vergangenes<br />

Weltbild mit starkem Naturbezug. Viele<br />

heidnische Bräuche und Rituale im einst keltischen<br />

Raum wurden im Zuge der Ausbreitung<br />

des Christentums zu neu benannten religiösen<br />

Festen. So korrespondiert die Geburt von<br />

Jesus am 24. Dezember noch heute mit der<br />

jährlichen Wiedergeburt des Sonnenlichtes,<br />

also der Wintersonnwende am 21. Dezember.<br />

Zuvor jedoch stand jede Jahresphase in enger<br />

Verbindung mit einer Gottheit oder einem<br />

Götterpaar, deren Persönlichkeit und Charakter<br />

sich aus den Vorgängen der Natur ableiteten.<br />

Unsere Ahnen erlebten Bäume, Steine,<br />

Wasserquellen und Naturgeister wie Elfen und<br />

Zwerge als beseelt und diese Naturgeister begleiteten<br />

ganz selbstverständlich ihren Alltag.<br />

Jedes Mal, wenn die Natur in einen anderen<br />

Zustand überging, würdigten sie die vergangene<br />

Phase und begrüssten das Kommende.<br />

Rahel Furrer vom «kaleidos» führt Workshops zu<br />

den Raunächte durch. <br />

(Bild: nr)<br />

Der Zeitraum variiert<br />

Die Raunächte liegen zwischen den Jahren und<br />

es gibt verschiedene Überlieferungen über den<br />

genauen Zeitraum. In der astronomischen Berechnung<br />

liegen im Schaltjahr exakt zwölf Tage<br />

und Nächte zwischen dem Mond- und Sonnenjahr.<br />

Während der Mond für seinen Umlauf 29,5<br />

Tage – also 354 Tage für ein Jahr – benötigt,<br />

sind es bei der Sonne 365 Tage. Beginnt man<br />

mit der Berechnung am 1. Januar, endet das<br />

Mondjahr demnach am 21. Dezember und nach<br />

zwölf Raunächten landet man wieder beim<br />

1. Januar. Das christliche Kirchenjahr setzte<br />

den Anfang dieser Übergangszeit auf den<br />

25. Dezember. Das entsprach zwölf Tage vor<br />

Christi Geburt, denn diese war einst auf den<br />

6. Januar datiert. Im vierten Jahrhundert verlegte<br />

Rom diesen Geburtstag aber auf den<br />

höchsten Feiertag des Mithras Kult. Das war<br />

ein sich Anfang des Jahrtausends zunehmend<br />

verbreitender Mysterienkult aus Persien und<br />

Indien. Der Tag des Mithras wurde damit zur<br />

heiligen Weihnacht und ersetzte den Sonnengott<br />

und Lichtbringer durch den christlichen<br />

Messias. Das ergibt für die Raunächte einen<br />

Zeitraum vom 25. Dezember bis zum 6. Januar.<br />

Zwölf Nächte der Achtsamkeit<br />

Als Mitarbeiterin in Herisaus spiritueller Wohlfühloase<br />

«kaleidos» an der Bahnhofstrasse<br />

kennt Rahel Furrer die Gebräuche der Raunächte.<br />

Gemeinsam mit ihrem Mann und ihren<br />

drei Kindern begeht sie die Zeit zwischen den<br />

Jahren bewusst: «Als Vorbereitung setzen wir<br />

schon am 21. Dezember eine Blumenzwiebel in<br />

einen Topf. Das Bild der Saat und das Geheimnis<br />

der Entfaltung verbinde ich persönlich mit<br />

den Raunächten. Auf 13 Zetteln formuliere ich<br />

Dinge, die ich im neuen Jahr endlich erledigen<br />

sollte und will. Das können hinausgeschobene<br />

Alltagspflichten, Herzensangelegenheiten<br />

oder Beziehungs- und Kontaktpflege sein. Am<br />

Morgen jedes Tages ziehe ich einen Zettel<br />

und übergebe ihn ungelesen und vertrauensvoll<br />

dem Feuer. Nach zwölf Nächten bleibt ein<br />

Zettel übrig – das ist mein Auftrag für das kommende<br />

Jahr. Das Benennen der Botschaft ist in<br />

den Raunächten für mich das Zentrale.» Rahel<br />

Furrer achtet auf ihre Träume und führt ein<br />

Traumtagebuch. Darin registriert sie zusätzlich<br />

das Wetter oder allfällige Tierbegegnungen. Bei<br />

der Entschlüsselung der Botschaften ist vor allem<br />

Aufmerksamkeit gefragt: «Was passiert an<br />

diesen Tagen, was beschäftigt mich, was fühle<br />

ich – meine Sensoren sind sicherlich erhöht.<br />

Aber es darf nicht Pflicht werden, die Raunächte<br />

sollen vor allem Zeit mit mir selbst sein. Ich<br />

will bewusst entschleunigen, für Altes dankbar<br />

sein und es loslassen. Indem ich einen neuen<br />

Samen setze, freue ich mich auf das Kommende.<br />

Dazu gehört die Neugier, was ich lernen<br />

darf und welche Schritte ich machen werde.»<br />

In jeder Übergangszeit hat der Charakter<br />

des Feuers eine zentrale Funktion. Als Vernichter<br />

und Lebensspender verwandelt Feuer<br />

in den Raunächten das Alte in das Neue, wie<br />

bei einem Waldbrand, wo nach der totalen<br />

Vernichtung innert Kürze wieder neues Leben<br />

spriesst. Wo Feuer ist, ist auch Wärme, Schutz<br />

und Nahrung. Das Räuchern von Fleisch diente<br />

als frühe Überlebensmöglichkeit im Winter.<br />

Solche positiven und archaischen Gefühle<br />

können beim Räuchern oder am offenen Feuer<br />

in uns hochsteigen. Das Räuchern wird in den<br />

Raunächten als reinigendes Ritual eingesetzt<br />

und steht zugleich für die flüchtige Verbindung<br />

in die Anderswelt. Es stimuliert die Kommunikation,<br />

oft öffnet sich eine tiefere Ebene<br />

und das Reden über Gefühle fällt leichter. Das<br />

liegt daran, dass Düfte generell das emotionale<br />

Gehirn ansprechen. Wer Rauch nicht mag,<br />

behilft sich mit ätherischen Ölen für die Raunächte.<br />

Düfte sowie Klänge oder Farben sind<br />

Schwingungen und beeinflussen unsere Aura<br />

und unsere Energiezentren. Dabei gibt es<br />

messbare Unterschiede: Harzdüfte wie Mastix,<br />

Dammar, Sandarak, Olibanum schwingen<br />

hoch und schnell, während Kräuter wie Thymian,<br />

Rosmarin, Lavendel, Mädesüss oder Alant<br />

erfrischen, die Grundschwingung erhöhen<br />

und dadurch für bessere Stimmung sorgen.<br />

Beim Akt des Verbrennens begreift das Auge:<br />

bei der langsamen Transformation von fester<br />

Räuchermaterie in Asche hat die Seele Zeit,<br />

um beim Übergang mitzuziehen.<br />

Rituale, Literatur, Traumarbeit und Orakel<br />

In den Raunächten begegnen sich Vergangenheit<br />

und Zukunft in der Jahresperspektive.<br />

Vielfältige und persönliche Rituale schaffen<br />

einen Rahmen und einen Zugang zum individuellen<br />

Erleben dieses Übergangs. Gerade<br />

das Erspüren, was persönlich Resonanz erzeugt,<br />

ist dabei wichtiger als das Einhalten von<br />

starren Vorschriften. Das Authentische und<br />

Einfache korrespondiert gut mit der Dunkelheit<br />

des Winters und der inneren Einkehr. Das<br />

lässt dieser Zeit viel Gestaltungsfreiraum, den<br />

man kreativ nutzen kann. Jede Raunacht bezieht<br />

sich zuerst auf einen Rückblick auf das<br />

vergangene Jahr und fokussiert dann auf das<br />

Neue. Dabei hat die erste Nacht den Bezug<br />

zum Januar, die zweite zum Februar und immer<br />

weiter bis mit der zwölften der Dezember<br />

erreicht ist. Die Kraft der (Selbst-)Reflexion<br />

wird bewusst gestärkt und ist gleichzeitig ein<br />

Geschenk an sich selbst. Den Träumen kommt<br />

in dieser Zeit ebenfalls eine grössere Wichtigkeit<br />

zu. Das schriftliche Festhalten und die<br />

Deutung werden als Botschaften interpretiert,<br />

die für die Wahrnehmung des Kommenden<br />

sensibilisieren. Wertvoll und anregend ist daher<br />

das Führen eines Traumtagebuchs über<br />

diese zwölf Raunächte. Das Orakeln ist ein<br />

wiederentdeckter Brauch, der nicht nur für die<br />

Raunächte in Form von zahlreichen Kartensets<br />

angeboten wird. Wer es mag, zieht für jeden

Hurra! Ihre Datei wurde hochgeladen und ist bereit für die Veröffentlichung.

Erfolgreich gespeichert!

Leider ist etwas schief gelaufen!